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59.8.3. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 8 in scrin.

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Drittes Viertel 15. Jahrhundert, 1458 begonnen, die Bildausstattung wohl deutlich später vollendet.

Lokalisierung:

Wien/Wiener Neustadt.

Besitzgeschichte:

Wappen verweisen auf das Ratsbürgergeschlecht der Roll in Wiener Neustadt. Nach Haidinger (2004) S. 20 Anm. 83, besaß Hans Roll (1467–1471 Bürgermeister in Wiener Neustadt) seit 1454 ein Wappen, wie es im Binnenfeld der Initialen 245v und 364r sowie auf der Fahne in der Miniatur 151va dargestellt ist (ferner Bindenschild in den Miniaturen 226rb, 231vb, 239va, 274ra). – Ob Roll der Auftraggeber zumindest der Bildausstattung ist, bleibt unklar. Die im Vorderspiegel eingetragenen Namen Vnserm getrewn Hainreichn von sannd Gumppendarff vnd Anna seiner hawsfrawn vnser gnad vnd alles guet etc – verweisen kaum auf Vorbesitzer, wohl jedoch auf einen Ort in der Umgebung Wiens (Gumpendorf). – Ende des 17. Jahrhunderts in Hamburg (Johann Friedrich Mayer, Pastor an der Hamburger St. Jakobi-Kirche, † 1712), 1716 nach Berlin an Jacob Baumgarten verkauft, später im Besitz Martin M. G. Christgaus (Frankfurt an der Oder, † 1776), aus dessen Nachlass von Johann Melchior Goeze (Hauptpastor an St. Catharinen, Hamburg 1717–1786) erworben, dessen Sohn Gottlieb Friedrich Goeze überließ die Handschrift mit der Goeze’schen Bibelsammlung testamentarisch im Jahre 1791 der Stadtbibliothek Hamburg.

Inhalt: Historienbibel IIIb
1ra–454v Alte Ee
1ra–2rb Prolog
2va–454v Genesis bis Makkabäer II
mit dem ›Hiob‹ des Österreichischen Bibelübersetzers und dem ›Prophetenauszug‹
456r–458r nachgetragenes Register
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, Blatt 1 Pergament, 460 Blätter (nach moderner Foliierung; die originale Foliierung bis 461 [neu 454] mit Zählfehlern; dazu vorn und hinten je vier neue Blätter; unbeschrieben: 455r–v, 458v–460v), 390 × 270–275 mm, zweispaltig (454v einspaltig), 30–35 Zeilen, Bastarda, Parallelen zum Lehrbuch Maximilians. Datierung im Vorderspiegel Anno domini m°cccc° vnd im achtundfunfcziksten Jare das ich anhueb zeschreiben in kalligraphischer Bastarda (Haidinger: »Vorfraktur«), diese auch in Kapitelüberschriften, sonst Textura, Nachtrag 456r–458r Bastarda (456r Monogramm SSIS, 456v Monogramm SK mit Jahreszahl 1501). Überschriften rot (1r gold), an den Buchanfängen Deckfarbeninitialen über neun bis elf Zeilen, Kapitellombarden über vier bis fünf Zeilen abwechselnd blau oder rot, 1r, 2r und 389v ausnahmsweise grün, gelegentlich verziert. An den Kolumnenanfängen Cadellen mit großzügigen Federstrichausläufern, teilweise von Schreiberhand, teilweise vom Zeichner der Federzeichnungsinitialen der letzten Lage des Lehrbuchs Maximilians I. (Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2368, um 1466): oft mit Tier- oder Maskenmotivik, gelegentlich koloriert.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

421 Miniaturen, ein Bildfreiraum (1ra), 33 Deckfarbeninitialen, nur ausnahmsweise historisiert oder mit Wappen (175vb, 245va, 347va, 358ra, 364va), mehrfach mit Rankenwerk entlang des Schriftspiegels, sieben Freiräume für nicht ausgeführte Deckfarbeninitialen (1ra, 201va, 323rb, 326vb, 395ra, 416vb, 434ra). Vorzeichnungen für Ranken und Blattwerk gehen ebenfalls auf den Cadellenzeichner zurück, der nach Pfändtner (2006) S. 314 f. auch für den Deckfarbenauftrag und für einige der nicht historisierten Initialen verantwortlich zu machen sein dürfte. Die Miniaturen von vier(?) Händen, I: 5r, 6r und einige weitere Bilder, II: Mehrzahl der Bilder 9v–130v, dann Fertigstellung offenbar erst nach mehrjähriger Unterbrechung durch zwei weitere Hände (so Haidinger [2004]). Pfändtner (2006) S. 317 hält die gesamte Ausführung des Bilderzyklus für ca. zehn Jahre jünger als dessen Konzeption. Womöglich steht die Vollendung der Handschrift in Zusammenhang mit dem Übergang der Handschrift in den Besitz Hans Rolls. – Einer der Buchmaler nennt sich 246rb (staub).

Format und Anordnung:

die Miniaturen viertelseitig, meist hochrechteckig, durchschnittlich ca. 110 × 90 mm, im Bereich von Hand II in linearer Einfassung, die in einem nachgelagerten Arbeitsgang eine Pinselstrichrahmung (zuweilen verwischt) erhielt, meist rot, gelegentlich auch mattblau, manchmal aber auch als Wechselrahmen (61vb) oder als profilierter Kastenrahmen (100va). Bis auf wenige Ausnahmen (65va: Opferung Isaaks – erweitert?) in den Schriftspiegel integriert. Nach Blatt 120 Einfassung in unterschiedlichen Farben, auch mehrfarbig. 5rb Medaillon, 425rb fehlt die Einfassung.

Bildaufbau und -ausführung:

die Initialen auf rechteckigem Grund, Buchstabenkörper vergoldet oder mit farbigem Blattwerk gefüllt, mehrfach mit Akanthusausläufern, gelegentlich mit Tiermotiven (358r, 364v), als Binnenfüllung Rankenwerk oder Gitterornamente, einige Initialen mit figürlichen Binnenmotiven (siehe unten Bildthemen). Der Initialschmuck entspricht weitgehend dem des Maximilian-Lehrbuchs. Haidinger (2004, S. 21) scheint es berechtigt, im Meister der Lehrbuch-Musteralphabete (so die Bezeichnung nach Pfändtner [2006]) die Kraft zu sehen, die in der Historienbibel nicht nur einen Teil der Cadellen, sondern auch – eventuell im gleichen Arbeitsgang – Vorzeichnungen für die teilweise offenbar erst später vervollständigten Initialen und Rankenausläufer geschaffen hat. Mit Deckfarben ausgemalt wurden sie großenteils erst in einer zweiten Ausstattungsphase.

Die Miniaturen bieten kleinfigurige, in der Regel auf die Bildmitte ausgerichtete Kompositionen, die Protagonisten agieren etwas steif, in bedächtiger Gestik, manchmal wie schwerelos, auf ca. 1/3 der Bildhöhe einnehmendem Terrain in olivfarbig abgetöntem Grün, der Hintergrund bleibt freistehend bis auf den Himmelsstreifen in Form von sehr charakteristischen dunkelblauen Wolkenbändern, die gelegentlich zu interessanten Wolkenformationen ausgebaut oder anderenorts (44rb u. ö.) bräunlich überlaviert werden. Architekturen sind sorgfältig in die volle Bildhöhe eingepasst.

Bildthemen:

(Bildthemenliste bei Hahn [Mikrofiche-Edition 1997] S. 30–57): Die Hamburger Historienbibel bietet das (zumindest in seiner Konzeption) älteste und zugleich umfangreichste Bildprogramm zur Historienbibel IIIb (bzw. zum alttestamentlichen Teil derselben); es hinterlässt in der weiteren Überlieferung keine Spuren, die auf eine Abhängigkeit hinweisen würden. Auffallend dicht sind die Berichte über Isaak, Jakob und Josef, aber auch die Bücher Tobias und Susanna illustriert. Zahlreiche Themen kommen hier zur Bebilderung, die in der Bibel- und Historienbibelüberlieferung keine Bildtradition haben. Nur einzelnes könnte auf besondere Nähe zur Weltchronikillustration schließen lassen, z. B. 41ra Ham/Ceroastes als Nigromant, vom Satan in die Luft entführt (vgl. die Heinrich von München-Handschriften Berlin, Ms. germ. fol. 1416, 26ra, New York, Pierpont Morgan Library, M. 769, 27va, Wien, Nationalbibliothek, Cod. 13704, 40ra und Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 1.5. Aug. 2°, 22vb), auch die Gliederung der Genesis mittels Deckfarbeninitialen in drei Partien entsprechend der drei Weltalter ist in kaum einer anderen Historienbibel der Gruppe IIIb so markant wie in der Hamburger (37ra Beginn des zweiten Weltalters, 45vb Beginn des dritten Weltalters). Von einer thematischen Anregung durch Weltchronik-Handschriften auf ganzer Linie kann man jedoch nicht ausgehen, gerade für bibelfremde Bildthemen lässt sich in den meisten Fällen auch keine thematische Vorgabe aus der Weltchronikillustration ermitteln, z. B. Erster Getreideanbau in Griechenland (75rb), einem Amazonenmädchen wird die Brust abgeschnitten (114ra) usw.

Die gliedernden Deckfarbeninitialen sind in der Regel nicht historisiert, wenn doch, hat die Motivwahl keinen unmittelbar thematischen Bezug (Esra I: Christus am Ölberg [347va], Esra II: Madonna mit Kind [358ra]), bzw. könnte – wie die Wappeninitialen 245va und 364vb durch einen Anlass aus dem Umfeld des Besitzers Hans Roll motiviert sein (Buch der Richter: Marter Sebastians [175vb]). Topographische Details in einigen Stadtdarstellungen weisen nach Pfändtner (2006) S. 317 eindeutig nach Wien (198va Stephansdom und Burg, vgl. auch 176ra).

Farben:

anfangs kräftige, später gedämpftere Töne, vor allem Rot, Ocker, Blau, Violettrosa, Grün, oft mit Deckweiß gehöht.

Mikrofiche-Edition: Historienbibel. Farbmikrofiche-Edition der Handschrift Hamburg, Staats- und Universitäts-Bibliothek, Cod. 8 in scrinio. Beschreibung der Handschrift und Anmerkungen zum Übersetzungswerk von Anna Katharina Hahn. München 1997 (Codices illuminati medii aevi 47).

Literatur:

Brandis (1972) S. 39–41. – Merzdorf (1870) S. 54–63 (Hs. Θ); Vollmer (1908) S. 48–50, Taf. nach S. 50 (22ra. 27vb); Vollmer (1910) S. 236–238, Abb. S. 236 (246r und 354r); Vollmer (1912) S. 150 f. u. ö., Nr. 60, Taf. I (347v); Vollmer (1925–27) II, Taf. II (245va). III (246rb). IV (305v). V (306r). VI (331v). VII (365r). VIII (379r). IX (312v), S. 369 (226rb); Vollmer (1927) Taf. II (410r). III (430v). IV (450v); S. XIII (358ra); Bibliotheken und Gelehrte im alten Hamburg [Ausst.Kat. Hamburg]. Bearb. von Eva Horváth u. a. Hamburg 1979, S. 104, Nr. 88; Heimo Reinitzer: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition. Hamburg 1983 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 40) S. 76–80; Kornrumpf (1991) S. 360 f. u.ö.; von Bloh (1993) S. 309–312, Abb. 35 (5r). 36 (6r). 37 (9v). 38 (10r). 39 (11v). 40 (13v); Blicke in verborgene Schatzkammern. Mittelalterliche Handschriften und Miniaturen aus Hamburger Sammlungen. [Ausst.Kat. Hamburg, bearb. von Ines Dickmann und Hans-Walter Stork] Hamburg 1998 (Schriften aus dem Antiquariat Dr. Jörn Günther 1), Nr. 42, S. 96, Abb. S. 97 (10r); Eva Horváth und Hans-Walter Stork (Hrsg.): »Von Rittern, Bürgern und von Gottes Wort«. Volkssprachige Literatur in Handschriften und Drucken aus dem Besitz der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Kiel 2002, S. 56 mit S. 135, Nr. 19 (Anna Katharina Hahn), Abb. S. 57 (214r); Haidinger (2004) Abb. 2 (245v), 3–14 (Schriftproben); Karl-Georg Pfändtner: Die Historienbibel Cod. 8 in scrinio der SUB Hamburg. Argumente zur Datierung und Lokalisierung. Auskunft. Zeitschrift für Bibliothek, Archiv und Information in Norddeutschland (2006), S. 311–339, Abb. 1 (Datierung Vorderdeckel). 2 (Textseite 16r). 3 (16v). 6 (Textseite 15ra). 9 (364r). 10 (245v). 17 (198va). 18 (176ra); Ulrich Kuder: Adolph Schmidt in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Ebda, S. 233–259, Abb. 8 (109r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 35: 41r. Ham bzw. Ceroastes als Nigromant, vom Satan in die Luft entführt.

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Abb. 35.