KdiH

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59.1.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 565

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Drittes Viertel 15. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Franken (Nürnberg? – Einband aus der ab 1462 nachweisbaren Werkstatt der Nürnberger Karmeliter, vgl. Die Schwenke-Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen nach Motiven geordnet und nach Werkstätten bestimmt und beschrieben von Ilse Schunke, fortgeführt von Konrad von Rabenau. II: Werkstätten. Berlin 1996 [Beiträge zur Inkunabelkunde 3,1], S. 210).

Besitzgeschichte:

Vorbesitz unbekannt. Eintrag 544r unten Len[...]scham (?).

Inhalt: Historienbibel Ia (Der lateinische Text ist eine Rückübersetzung aus dem Deutschen; zunächst werden nur einzelne Passagen übersetzt, zunehmend wird die Übersetzung vollständiger.)
[I]r–557v Alte Ee
[I]r–[II]v Register
1r–2v Vorrede mit Engellehre
3r–556r Vulgata-Chronik-Kompilation, darin:
414v-421r ›Hohes Lied in Minneliedern‹ Dich (!) kust ir minniglicher kucz ...
508v-509r ›Antichrist‹ Daniel weyssagt unt dixit antichristus veniat ...
509r-510r ›Jüngstes Gericht‹ Daniel prophetizat de nouissimo die...
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, zwei ungezählte und 557 gezählte Blätter (alt foliiert I–CCCCCXLIIII – diese Zählung wurde gegen Ende zeitgenössisch korrigiert, geht bis CCCCCliiij, dann modern fortgesetzt bis 556, es folgt ein leeres ungezähltes Blatt, 288 in der Zählung übersprungen), 310 × 205 mm, gleichmäßige, weitgehend schleifenlose Bastarda, einspaltig, ca. 34 Zeilen, ein Hauptschreiber; dessen Notiz 258r Explicit liber iudicum dcye(?)m cccc° xxx° tarae (?, Merzdorf: iaraen) fuerunt das ist der richter puch ist keine Datierung; 555r–556r von anderer Hand.

Schreibsprache:

nordbairisch.

II. Bildausstattung:

851 kolorierte Federzeichnungen, mindestens drei Hände, von der ersten Hand nur die beiden Eingangsbilder (Trinität und D-Initiale); die nächste Hand bis 103v; ab 104v tritt eine weitere Hand (weitere Hände?) hinzu.

Format und Anordnung:

halb- bis ganzseitig zwischen dem Text (am Schluss häufiger ganzseitig als zu Beginn), in Doppellinie eingefasst. Lateinische oder deutsche Bildtitelangabe in die obere Bildeinfassung notiert – wobei die Funktion dieser Notiz nicht ganz klar ist (Malanweisung?). Dabei ist die Bildfolge gelegentlich so dicht, dass der räumliche Text-Bild-Bezug aus den Fugen gerät: 246r ist etwa dargestellt, wie Simson aus der Eselskinnbacke trinkt, der Text hierzu folgt erst 247r, wo die Bilderfolge bereits bei Simson und den Toren von Gaza angekommen ist. Auffallend ist beim Anwachsen der lateinischen Textanteile die deutliche Zuordnung der Bilder zu den deutschen Passagen.

Einzelne Bücher werden durch Initialen eingeleitet, die wie schon die Genesis-Initiale 1r (Gottvater, thronend) nicht immer vollständig ausgeführt sind: 111r Exodus: historisierte Initiale (Mose), die Bücher Josua und Richter ohne Initialen, 258v I Samuel: schmucklose zweifarbige Initiale über sieben Zeilen, 321r II Samuel: Freiraum für Initiale über 13 Zeilen, 382r I Könige: einfache Initiale über sieben Zeilen, 441r II Könige: Vorzeichnung einer Figureninitiale über elf Zeilen. Alle übrigen Bücher ohne Initialen.

Bildaufbau und -ausführung:

Die ersten beiden Zeichnungen sorgfältiger als der Rest, feine Zeichnung, plastisch herausgearbeitete Falten, umsichtig koloriert: [II]v Dreifaltigkeit, Gottvater und -sohn nicht unterschieden, beide mit Zepter und Apfel, der eine in rotem Kleid mit blassviolettem, blassgelb (für Gold) abgesetztem Mantel, der andere in grünem Kleid mit rotem, gelb abgesetztem Mantel, auf einer Mondsichel sitzend, vor einem an einer Stange aufgehängten grünen, gold gerandeten Vorhang mit Brokatmusterung, seitlich rot-grün-gelbe Fransen, zwischen Vater und Sohn die Taube des Heiligen Geistes; das Ganze, in Schriftspiegelbreite linear eingefasst, wirkt, als ob hierher auch noch ein Farbgrund gehört. 1r historisierte Initiale: Gottvater, thronend, mit Krone, Zepter und Apfel, in rotem Mantel, Hintergrund grauviolett mit Rankenmuster, Buchstabenkörper grünes Rankenmuster mit sehr kurzen blassgelben Ausläufern, rechts ist ein kompliziertes Ranken- und Blütensystem vorgezeichnet, nicht koloriert (also unvollständig auch hier), quadratische gelbe Randung. Die übrigen Zeichnungen wirken wie Dilettantenarbeiten, als solche stehen sie jedoch durchaus im Widerspruch zu dem recht sorgfältig erstellten Schriftbild mit zuweilen auspruchsvollen Cadellen und ornamentalen Auszeichnungen (etwa 420r–v oben mit Fratzen und Federwerk). Es wurde offenbar zuerst mit Lineal der Rahmen gezeichnet, in dem oben – wohl nicht von Schreiberhand – lateinisch oder deutsch das Bildthema angegeben ist. Sparsame Konturzeichnung mit spitzer Feder, nur zuweilen mit ausführlicheren Binnenzeichnungen, z. B. sind 11v, 12v, 15r und 16r die aufgewühlten, bzw. geglätteten Meereswellen sehr ausführlich und nur mit der Feder gezeichnet.

Die Höhe des zur Verfügung stehenden Bildraums wird völlig ausgenutzt, neben Versuchen, durch diagonale Ausrichtung der räumlichen Staffelung Perspektive zu verleihen (Verkürzungen gelingen nur manchmal), herrscht eine freie Verteilung von Szene und Nebenszenen in der Fläche vor, gelegentlich in nahezu überbordender Flächenfüllung (z. B. 91r Pharao zieht mit Josef an seinem Volk vorbei). Stellenweise Hang zu äußerst detailrealistischer und differenzierter Zeichnung: 49r, 50v, 98r usw., vor allem aber 206v mit einer Liebesgartenszene mit Musikanten, Halmaspiel, Falkenstange, reich gedeckten Tischen usw. oder 52r mit der Darstellung der Geburt Jakobs und Esaus: Beide schlüpfen am Fußende des Bettes zwischen den Füßen Rebekkas unter der Decke hervor. Innenraumdarstellungen oft sehr detailverliebt, z. B. die Ausstattung des ägyptischen Palastes im Bericht über Josef und seine Brüder: detailliert gezeichnete Gewölbe mit rundscheibenverglasten Fenstern (87r) oder Alkoven (89r/ 90r), antikisierendem Skulpturenschmuck (99v/100r, 101r), manchmal mit Landschaftsausblicken durch geöffnete Fenster (95v, 96r, 102r), die aber mit schwarzer Tinte hier auch erst nachträglich eingezeichnet worden sein könnten.

Eine zweite Hand kommt ab 104v hinzu (104v–107r schwarze Tuschzeichnung mit weniger differenziert ausgeführten Gesichtszügen, wieder 118r ff.), womöglich im Wechsel mit einer weiteren Hand, die im folgenden beherrschend wird (gelegentlich taucht der erste Zeichner wieder auf: 233r linke Bildhälfte, 277v greift er korrigierend ein: Vorderbeine des Pferdes). In diesem Teil der Handschrift (ungefähr mit Eintritt der beiden neuen Hände) wird auch eine andere Farbigkeit gewählt: Graublau (u. a. für Himmelsstreifen) und Kupfergrün werden zu den beherrschenden Farben, Kolorierung erfolgt nun weniger flächig, sondern in groben Pinselstrichen. Ob gelegentlich eine vierte Hand hinzutritt (215v–316r), lässt sich nicht eindeutig entscheiden (mehrere Hände sind z. B. beteiligt am Bild 406v: Die Königin von Saba und Salomo – zumindest dessen Kopf – sind von anderer Hand [Hand I?] als der Rest). Im hinteren Teil der Handschrift versiegt auch der Detailrealismus weitgehend, manche Bilder wirken geradezu leer (468v), wobei andererseits der Hang zu kleinteiliger Zeichnung immer wieder durchscheint (ziselierte Schmuckelemente wie die Krone Marias 418r u. a.).

Bildthemen:

Es handelt sich um den umfangreichsten Bilderzyklus zu einer deutschen Historienbibel. Bebildert werden nicht nur sämtliche Textstellen, die eine szenische Visualisierung zulassen, sondern etwa auch die Zehn Gebote in zehn Einzelzeichnungen (148r–150r). Laut von Bloh ist in den Bildern zum Schöpfungsbericht – bedingt – eine Abhängigkeit von Bildprogrammen der Weltchronistik feststellbar, für die es im Fortgang der Bebilderung jedoch wenig konkrete Anhaltspunkte gibt. In der Berliner Handschrift ist vielmehr eine große Selbstständigkeit bei der Auswahl der höchst zahlreichen Bildthemen zu verzeichnen. Die Menge der Illustrationen führt gelegentlich zu Motivwiederholungen, wie 462v (Priester Hilkija liest aus dem Gesetzbuch vor), wo in völlig identischer Weise die Illustration einer ähnlichen Szene von Blatt 461v (Priester Hilkija und das wieder aufgefundene Gesetzbuch) wiederholt wird. Auffallend sind die zahlreichen, meist austauschbaren Begräbnisdarstellungen, die mehr gliedernde als illustrierende Funktion haben (so z. B. im Buch der Richter: 211v Ehuds Begräbnis, 227r Gideons Begräbnis, 231v–232r Abimelechs Begräbnis/ Begräbnis von Thola und Jaïr, 237r Jiftachs Begräbnis, 252v Simsons Begräbnis). Zu aller Fülle werden vielfach auch noch mehrere aufeinanderfolgende Szenen kontinuierend in ein Bild zusammengefügt, so 13v (Kains und Abels Opfer + Brudermord + Gott straft Kain), 33r (Sara erlaubt Abraham zu Hagar zu gehen + Der Engel bei Hagar), 216v (Abgötterei der Juden + Die Midianiter vernichten die Ernte), 389r (Batseba bittet für Adonija + Adonijas Tod), 544r (alle Unglücksfälle Ijobs) u. ö.

Gelegentliche Textabweichungen sind offenbar gewollt, so sind zum Tod der fünf Könige 200r die Könige nicht am Galgen, sondern gekreuzigt dargestellt, ebenfalls gegen den Text wird 500r auch Haman nicht gehängt, sondern gekreuzigt (des weiteren ist zur Estergeschichte 519r in die Darstellung Esters und des wieder eingesetzten Mordechai mit dem König ein Gekreuzigter eingefügt, sowie ohne ersichtlichen Textbezug 522r eine ganze Gruppe gekreuzigter Männer!). Andere Abweichungen sind als Abschwächungen des Textes zu erklären, z. B. David und die Vorhäute der 100 Philister: Statt der Vorhäute bringt David die Köpfe zu Saul (296r). Gegen den ersten Anschein bezieht das Eingangsbild des Hohenliedes 414r (Muttergottes mit Kind) sein Motiv vielleicht durchaus aus dem Text, heißt es dort im Anschluss an das Hohelied doch Salomon macht das puch der lieb dez ersten uon der iunckfrau maria … (421v).

Farben:

(ab 3r): leuchtendes Karminrot, Blau, leicht ins Oliv gehendes Grün, Umbra, Rostbraun, Schwarz, Ockergelb, Rosa, sehr viel freistehender Papiergrund.

Literatur:

Degering 1 (1925) S. 62. – Merzdorf (1870) S. 29 f. (Hs. F); Vollmer (1912) S. 47 f., Nr. 3; Wegener (1928) S. 79–90, Abb. 68 (206v); Stedje (1968) S. 72–75 (Hs. F), Abb. 12 (283r); Ross (1971) S. 108–113, Abb. 145–158 (524r–533r); Settis-Frugoni (1973) S. 255 f., Abb. 81 (528r); von Bloh (1993) S. 263–265 u. ö., Abb. 4–9 ([II]v, 1r, 3r, 4v, 7r, 8r); Aderlass und Seelentrost (2004) S. 208 f., Nr. 107, Abb. S. 209 (251r); Schmidt (1995) S. 179, Abb. 108 (528v) und 109 (529v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 1: 91r. Der Pharao zeigt seinem Volk Josef als neuen Landpfleger.

Abb. 2: 545r. Ijob zerreißt seine Kleider.

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Abb. 1.
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Abb. 2.