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59.13. ›Die Neue Ee‹

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

›Die Neue Ee‹ bildet nach Vollmers Klassifizierung eine eigene Gruppe unter den Historienbibeln, wenn er sie selbst auch missverständlich im ›Anhang zu Gruppe IIIb‹ behandelte. Ihre Eigentümlichkeit bezieht ›Die Neue Ee‹ gerade aus der Tatsache, eben nicht (oder nur ausnahmsweise) als Anhang zu einem alttestamentlichen Teil, sondern als selbständiges Werk überliefert zu sein. Ihre Vorlage ist eine in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts durch Heinrich von München erstellte gereimte Weltchronik auf der Basis älterer Reimchroniken, vor allem derjenigen Rudolfs von Ems und der ›Christherre-Chronik‹. Diese Textgrundlage bearbeitet und ergänzt der Autor der ›Neuen Ee‹ mit erkennbarem Selbstbewusstsein; nach einem selbständig konzipierten Prolog (Mit Gottes weishait vnd seiner ler will ich hie beschaiden vnd auslegen dy new Ee …) beginnt er seinen Bericht über das Leben Mariens und Jesu (Ich will nw an heben wie es in der czeit ergie da vns her nahenet die salig heil …) und bettet diesen Bericht ein in den historischen Kontext: Einleitend erzählt er über die Herrschaft des Herodes, nach dem Tod Mariens wird der Bericht weitergeführt bis zum Wiederaufbau Jerusalems.

Die älteste datierte Handschrift der ›Neuen Ee‹ stammt aus dem Jahr 1434 (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2862), als einzige der Historienbibeln wurde die ›Neue Ee‹ auch gedruckt (ab 1476, siehe Nr. 59.13.a.59.13.h.) und erreichte so die größte Wirksamkeit, auch über das 15. Jahrhundert hinaus. Dabei scheinen die Textvarianten der Drucke in Form von zusätzlichen Berichten aus dem Leben Jesu durchaus auf ältere handschriftliche Vorlagen zurückzugehen, wie sie z.B. der Münchener Cgm 246 (Nr. 59.13.2.) bietet.

Bildbeigaben gehören – vergleicht man allein das quantitative Verhältnis zwischen illustrierten und nicht illustrierten Handschriften – offenbar nicht so selbstverständlich zur Überlieferung wie bei den meisten alttestamentlichen Historienbibeln. Bekannt sind unter den 30 ›Neue Ee‹-Handschriften lediglich drei vollständig bebilderte, hinzu kommen zwei Handschriften, deren Bildausstattung nicht oder nur in Ansätzen zur Ausführung kam. Der älteste Bildzyklus liegt in der New Yorker Handschrift der Public Library (Spencer Collection, Ms. 102) von 1440 vor (Nr. 59.13.4.). Das Anspruchsniveau dieser Handschrift, deren Auftraggeber und Besitzer nicht bekannt sind, wird in den jüngeren Abschriften nicht wieder erreicht. Die durchillustrierte Berliner Handschrift (Nr. 59.13.1.), die im Besitz ihres Malers blieb, zeichnet sich vielmehr durch eine erfrischende, geradezu naiv wirkende Erzählfreudigkeit der Bildbeigaben aus, während in dem professionell, aber eher selektiv bebilderten Münchner Cgm 522 (Nr. 59.13.3.) das Interesse deutlich mehr auf der speziellen Textzusammenstellung als auf der Illustrierung liegt. Der Cgm 522 bietet die einzige mit einem alttestamentlichen »Vorspann« (in Form einer umfangreichen, eigenständigen Historienbibel, siehe Nr. 59.12.3.) versehene Abschrift der ›Neuen Ee‹ und zeugt damit von dem Bedürfnis, ein umfassendes heilsgeschichtliches Kompendium zusammenzutragen; der Kompilator fügt nach dem Alten Testament als weiteren Bestandteil auch noch eine Textsammlung von eschatologischen Texten an. Texte und Bilder stehen in noch nicht geklärten Zusammenhängen mit Augsburger (und/oder Basler?) Drucküberlieferungen. So könnte dem Cgm 522 eine Schlüsselposition bei der Vermittlung zwischen Handschriften- und Druckproduktion zukommen. Die Versatzstücke des heilsgeschichtlichen Kompendiums bleiben dabei deutlich voneinander getrennt und werden auch mit Hilfe der Bildbeigaben nicht zu einer Einheit verschmolzen, anders als in Textensembles mit vergleichbarer Intention wie etwa der Historienbibel Ib oder auch der ›Konstanzer Weltchronik‹.

Während die Konzeption des Cgm 522 ein deutlich reduziertes Bildprogramm vorsieht (Bildverzicht vor allem im neutestamentlichen Teil), scheinen im Münchner Cgm 246 (Nr. 59.13.2.) und in der Znaimer Handschrift (Nr.59.13.5.) die Auftraggeber vor der zunächst geplanten Bilderflut kapituliert zu haben: In beiden Handschriften kommen die Bildzyklen, die im Umfang diejenigen der New Yorker oder der Berliner Handschrift noch überschritten hätten, nicht bzw. nur ansatzweise zur Ausführung. Der Drucker Anton Sorg schließlich führt einen straffer konzipierten Bildzyklus ein, für den er nicht auf die Handschriften, sondern wesentlich auf seinen nur drei Monate zuvor fertiggestellten Druck des ›Spiegels menschlicher behaltnis‹ zurückgreift. Der Zyklus Sorgs prägt die Drucküberlieferung in Augsburg und Lübeck bis ins frühe 16. Jahrhundert.

Editionen:

Hans Vollmer (Hrsg.): Die neue Ee, eine neutestamentliche Historienbibel. Berlin 1929 (Materialien zur Bibelgeschichte und religiösen Volkskunde des Mittelalters Bd. IV).

Bildthemenliste zur ›Neuen Ee‹ kann über die Redaktion angefragt werden.