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97. Ordensregeln

Bearbeitet von Sarah Glenn DeMaris

KdiH-Band 9

Die überwiegende Zahl der deutschsprachigen illustrierten Regelhandschriften wurde von oder für Ordensfrauen geschrieben und illustriert. Fast alle entstanden im 15. Jahrhundert, als Reformbewegungen sowohl in den Bettelorden als auch in den monastischen Gemeinschaften zu verzeichnen waren. Die Einführung der Reform, ob im Frauen- oder Männerkloster, führte vielerorts zur Errichtung einer Klosterbibliothek oder, wo sie schon vorhanden war, zu ihrer Erweiterung, wozu eine rege Kopiertätigkeit und der Austausch von Handschriften gehörte. Regelmäßiges Lesen der Regel im Kapitel oder Refektorium wurde im Kontext der Reform besonders betont, und auch wenn Latinität bei vielen Schwestern anzunehmen ist, gab es vor allem im Süden, wo die meisten Handschriften dieser Stoffgruppe entstanden, Schwestern, die des Lateinischen unkundig waren. Für sie und auch für Konversen oder Drittordensleute musste daher die Regel auf deutsch vorhanden sein. (Nr. 97.2.2. und Nr. 97.2.4. beinhalten eine gekürzte Augustinerregel für Konversen, Nr. 97.3.3. beinhaltet die franziskanische Drittordensregel.)

Die Buchmaler schmückten den Regeltext fast immer mit einer Darstellung des Ordensgründers oder der -gründerin bzw. des Regelverfassers oder der -verfasserin. Meistens hat die Figur ein Buch in der Hand, wohl den Regeltext, und wird von mehreren Ordensmitgliedern umgeben, denen das Buch entweder gezeigt oder überreicht wird. Im Falle des Benediktinerordens ist die Figur fast immer Benedikt, der sowohl Ordensgründer als auch Regelverfasser war. Nur in Nr. 97.1.2. wird ein nicht weiter identifizierter Abt anstatt Benedikt gezeigt. Im Falle der Orden, die der Augustinerregel folgten, konnte man den Verfasser Augustinus, wie bei den Klosterneuburger Chorfrauen (Nr. 97.2.3.), oder den Ordensgründer, wie bei den Dominikanerinnen (Nr. 97.2.5.), darstellen. Die Klarissen bildeten vorzugsweise die heilige Klara ab, auch wenn die überlieferte Regel fast immer die nach Urban IV. benannte Urbanistinnenregel war und nicht die ›Forma vitae‹ von 1253, die traditionsgemäß Klara zugeschrieben wird. Die einzige bebilderte Drittordensregel konnte alle drei franziskanischen Orden vertreten, indem nicht nur Franziskus mit seinen Brüdern und Klara mit ihren Schwestern, sondern auch Elisabeth von Thüringen – Regelbuch in der Hand – mit ihren Drittordensschwestern dargestellt werden (Nr. 97.3.3.). Die Geste der Regelüberreichung bringt den Ordensgründer oder Regelverfasser in die unmittelbare zeitliche und physische Nähe der Ordensmitglieder, auch wenn die Malerei manchmal eine nicht historische Begebenheit zeigt: Elisabeth von Thüringen war weder Gründerin noch Mitglied des Drittordens.

Die Regelüberreichung wird nicht nur in deutschsprachigen Regelhandschriften abgebildet. Man findet das Motiv auch in lateinischen Regelhandschriften, in ordensbezogenen Handschriften ohne Regeltext, in der Malerei und auch an Gebrauchsobjekten. Eine erstaunlich konsequent durchgeführte Regelüberreichung wurde zur Zeit des Konstanzer Konzils im Hauptschiff der dortigen Augustinerkirche dargestellt. Im mittleren Register der Süd- und der Nordwand wurde 1417 eine Geschichte des abendländischen Mönchstumes angebracht (Derschka [2007] S. 28–32). Die chronologische Bilderfolge (Einsiedler in der Wüste, Augustinus, Benedikt, Franziskus, Albert von Trapani) zeigt den jeweiligen Regelverfasser bei der Übergabe einer Schriftrolle, wohl der Regel, an die entsprechenden Ordensleute. Die Augustinereremiten und die Dominikaner bekommen die Regel von Augustinus und kommen deshalb in der Bilderfolge sofort nach den Wüstenvätern an die Reihe, auch wenn sie sich erst im 13. Jahrhundert der Augustinerregel unterstellten. Die Augustinereremiten, deren Kirche es doch war, beanspruchten dadurch eine ungebrochene Ordenstradition seit Augustinus, auch wenn es diese Kontinuität nicht gab. In den Fresken kommt der eigentlich ältere Orden der Benediktiner chronologisch erst nach den Orden, die sich der Augustinerregel unterstellten.

Eine ähnliche Legende besteht darin, die heilige Elisabeth von Thüringen als Gründerin des franziskanischen Drittordens zu bezeichnen. Wie oben angedeutet, bildet sie in Nr. 97.3.3. ein Dreigestirn mit Franziskus und Klara. In einer zweiten Handschrift, die die Drittordensregel sowohl in der deutschen wie auch in der lateinischen Fassung enthält, kniet Elisabeth neben Klara, während beide gleichzeitig einen Regeltext von Franziskus überreicht bekommen (Münster, Diözesanbibliothek, Ms OFM 17, 1r; siehe auch Franziskus – Licht aus Assisi [2011] S. 251). Ähnlich wird Katharina von Siena als Gründerin des dominikanischen Drittordens (ordo de poenitentia) in Anspruch genommen, auch wenn der Orden zu ihren Lebzeiten noch nicht existierte. In einem Gemälde von Cosimo Rosselli überreicht sie die Regel des dominikanischen Drittordens den knienden Drittordensschwestern (Edinburgh, National Gallery of Scotland; siehe auch Wehrli-Johns [2008] S. 84f. und Bianchi/Giunta [1988] S. 281f.). Wie auch die Wandfresken der Konstanzer Augustinerkirche wollen die zwei Handschriften und Rossellis Gemälde eine idealisierte Vergangenheit darstellen, wo Ordensmitglieder ihre Regel unmittelbar vom Gründer oder vom erwünschten Gründer bekamen.

Auch die Regelüberreichung auf dem Siegel des Klarissenklosters Paradies bei Konstanz stellt eine erwünschte Vergangenheit dar (Donadieu-Rigaut [2004] S. 141f.). Das Siegel, am Ende des 15. Jahrhunderts belegt, zeigt Franziskus, der die Regel in der Form einer Schriftrolle der knienden Klara übergibt. Historisch belegt ist dagegen, dass Papst Urban IV. 1263 dem Orden nicht nur seinen Namen (Ordo sanctae Clarae), sondern auch seine endgültige Regel gab.

Die Stoffgruppe 97. besteht aus vier Untergruppen. Chronologisch nach Übernahme der Regel (und nicht nach Verfassung der Regel) kommen zuerst die Benediktiner (Nr. 97.1.). Ihnen folgen die Orden, die die ältere Augustinerregel – aber erst Jahrhunderte später – übernahmen (Nr. 97.2.: Dominikanerinnen und Augustiner-Chorfrauen), und die Orden im franziskanischen Kreis (Nr. 97.3.: Klarissen und der franziskanische Drittorden). Die vierte Untergruppe besteht aus der Hieronymusregel (Nr. 97.4.). Obwohl kein Orden sich dieser Regel unterstellte, wurde sie im 15. Jahrhundert in deutscher Übersetzung trotzdem überliefert, auch in zwei bebilderten Handschriften.

Zwei Handschriften und zwei Drucke mit regelähnlichen Statuten der weltlichen Bruderschaft von St. Ursula werden in der Stoffgruppe 90a. (Memorialschrifttum) behandelt. Nr. 90a.2.1. (Krakau, Ms. Berol. germ. quart. 597) zeigt die heilige Ursula mit betenden Mitgliedern der Kölner Bruderschaft von St. Ursula unter ihrem Schutzmantel (9v). Nr. 90a.2.2. (München, Cgm 451) zeigt die heilige Ursula sowohl mit Schutzmantel (IIv) als auch im Schiff (59v). Die zwei Drucke (Nr. 90a.2.a. und Nr. 90a.2.b.) zeigen das Ursula-Schifflein als Metapher für das ewige Leben, das sich den Mitgliedern der Bruderschaft eröffnet.

Siehe auch:
  • Nr. 51. Heiligenleben
  • Nr. 90a. Memorialschrifttum
  • Nr. 96a. Nonnenandacht
  • Nr. 132a. Vitaspatrum