97.3.3. Dillingen, Studienbibliothek, Cod. XV 215
Bearbeitet von Sarah Glenn DeMaris
KdiH-Band 9
Hand I: um 1470 (Schriftbefund), Hand II: 1487 (Datierung des Textes) oder kurz danach (
Im Zuge der Reformation wurden die Weiler-Terziarinnen 1570 aus ihrem Kloster vertrieben: neun der Schwestern waren kurz im Kloster Urspring, während andere vorläufige Unterkunft bei Franziskanerinnen im Kloster Ehingen an der Donau suchten. Sie gründeten bald in Welden eine neue Klosterheimat, wo sie dann bis zur Säkularisierung im Jahr 1782 blieben (
1. | 7r–16r |
Drittordensregel des Franziskanerordens in zwölf Kapiteln
Augsburger Fassung
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2. | 16r | Professformel für Franziskaner-Terziaren und Terziarinnen, deutsch |
3. | 16r–v | Suffragium und Orationen zum hl. Franziskus, lateinisch |
4. | 17r–18v | Professordnung für Franziskaner-Terziarinnen, lateinisch |
5. | 19r–23r |
Nikolaus IV., ›Supra montem‹ (18.8.1289)
Bulle zur Bestätigung der Drittordensregel, lateinisch
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6. | 23r–24v | Johannes XXII., ›Etsi apostolice‹ (23.2.1319), lateinisch |
7. | 24v–25v | Bullen über die Privilegien des Drittordens, lateinisch |
8. | 25v–28r | Marquard von Randegg, Bischof von Konstanz, ›Declaratio de fratribus et sororibus de tertia regula‹ (1401 [28r]) |
9. | 28r–v | Bonifatius VIII., ›Devotionis vestrae‹ |
10. | 28v–29r | Briefe zum Streit über Privilegien zwischen Franziskaner-Terziaren und Weltgeistlichen, lateinisch |
11. | 29v–33v | Johannes Alphart, Statut die Franziskaner-Terziarinnen betreffend in acht Kapiteln (4.10.1487), deutsch |
12. | 33v–35r | Johannes Alphart, Bestätigung der Privilegien für den Franziskanerorden (1487), deutsch |
13. | 35v–36r | Gebete für die Profess, lateinisch |
14. | 36v | Drei Professformeln für Franziskaner-Terziarinnen, deutsch |
Pergament, 36 Blätter, 205 × 140 mm, Bastarda, drei Haupthände (I: 7r–29r, II: 29v–35r, III: 35v–36r; auf 16v Nachtrag von anderer, ungefähr gleichzeitiger Hand in Bastarda, auf 36v drei verschiedene Hände, eine in ungefähr gleichzeitiger Bastarda und zwei spätere in Buchschrift), einspaltig, 21–38 Zeilen (I: 21–38, II: 33–38, III: 28), zweizeilige rote oder blaue Lombarden, rubriziert (rote Kapitelüberschriften, rot durchstrichene Satzmajuskeln) außer 20v–27v und 35v–36v.
Hände I, II: westschwäbisch, Hand III: schwäbisch (
Sieben Deckfarbenminiaturen (1v [vier Miniaturen], 2r, 3r, 5r).
Auf 1v vier Miniaturen ähnlicher Größe (ca. 78 × 58 mm), jeweils auf drei Seiten gerahmt (die untere Seite nicht). Zwischen den zwei oberen und zwei unteren Miniaturen bleibt eine unbemalte Aussparung von 18 mm; dort stehen Bildunterschriften für die oberen Miniaturen in Schwarz. Der untere Rand des Blattes hat Bildunterschriften für die unteren Miniaturen in Rot. Oben links (Unterschrift: Honoriuß papa): Honorius sitzt auf einem Thron, etwas nach rechts gewendet und trägt einen rotgefütterten, blauen Mantel mit einem roten Untergewand. Er zeigt mit der rechten Hand auf eine weiße Schriftrolle mit roter Inschrift Bulla, die er in der linken Hand hält. Der gestreifte Rahmen um das Bild ist in roten Farbtönen. Oben rechts (Unterschrift: Gregoriuß papa): Gespiegelt zu Honorius sitzt Gregorius auf einer einfachen Bank. Das Gewand ist Rot mit Kragen und Medaillon am Hals, der gestreifte Rahmen in grünen Farbtönen. Unten links (Unterschrift: Innocenciuß papa): Innozenz’ Körperhaltung gleicht der von Honorius, nur sitzt er auf einem Stuhl. Das Gewand ist rot mit Kragen und Medaillon am Hals, der gestreifte Rahmen mit grünen Farbtönen. Unten rechts (Unterschrift: Cancellariuß pape): Ein Schreiber sitzt auf einer niedrigen Bank vor einem Schreibpult, etwas nach links gewendet. Er hält eine Schreibfeder in der rechten Hand, und auf dem Schoß ist ein Blatt mit drei vormarkierten roten Zeilen. Der vierzeilige Text ist zum Teil lesbar: 1: Innocentius; 2: ?; 3: ?; 4: Gregorius. Der Rahmen ist in roten Farbtönen gestreift. Alle vier Miniaturen haben einen blauen Hintergrund, entweder mit goldenem Filigran (drei Päpste) oder goldenen Punkten (Schreiber). Die drei Päpste tragen alle eine Tiara; der Schreiber ein rotes Barett. Alle vier haben blondes lockiges Haar. Der Boden und das Möbel sind hellbraun mit Kreuzschaffierung. Am linken und oberen Blattrand Verse in Schwarz aus dem Reimoffizium (AH V [1889], Nr. 61, Vesper, Antiphon 2 [S. 175]). Linker Rand unten: Cepit sub innocencio Cursumque. Linker Rand oben: Sub Honorio per serit gloriosum. Oberer Rand: Succedens hys – Gregorius magnificavit amplius miraculis famosum.
Auf 2r eine fast ganzseitige gerahmte Miniatur (164 × 105 mm) mit Bildunterschrift in Rot: Franciscus cum suis fratribus minoribus. Franziskus und zwei Brüder knien, alle nach links gewandt. Sie sind tonsiert und tragen braune Ordenstracht mit Kapuze und geknoteter Kordel. Franziskus hat einen schwarz-weiß umrandeten Nimbus (25 mm) in Goldblatt und hält ein weißes Spruchband mit roter Schrift, das sich von unten links nach oben rechts ausdehnt. Alle drei schauen auf das Spruchband und auf eine weiße Taube mit Nimbus, die von oben links herunterfliegt, um das Spruchband mit dem Schnabel zu halten. Der Rahmen ist in blauen Farbtönen gestreift, der Hintergrund rot mit goldenem Filigran. Am Blattrand (Antiphon 3) und am Spruchband (Antiphon 1) Verse in Schwarz oder Rot aus dem Reimoffizium (AH V [1889], Nr. 61, Ad laudes [S. 177]). Oberer Rand: Tres ordines hic ordinat primumque fratrum minorum Pauperumque fit. Rechter Rand: dominarum medius Sed penitentum tertius medius sexum capit utrumque. Spruchband: Non solu sibi vivere sed alijs proficere vult dei zelo ductus.
Auf 3r eine fast ganzseitige gerahmte Miniatur (165 × 100 mm) mit Bildüberschrift in Schwarz: Santa Clara Cum suis Sororibus. Klara und zwei Schwestern stehen etwas nach links gewandt. Alle drei mit brauner Ordenstracht, weißer Haube und schwarzem Schleier. Klara mit Nimbus (dem des Franziskus ähnlich, aber größer: 34 mm) hält eine Monstranz mit der rechten Hand und zeigt darauf mit dem linken Zeigefinger. Die zwei Schwestern falten die Arme vor der Brust und schauen auf die Monstranz. Der Rahmen ist in blauen Farbtönen gehalten, der Hintergrund rot mit goldenen Punkten.
Auf 5r eine fast ganzseitige gerahmte Miniatur (164 × 100 mm) mit Bildüberschrift in Schwarz: Santa Elizabetht (!) cum fratribus et sororibus. Elisabeth steht links vor drei knienden Drittordensmitgliedern, alle vier mit brauner Ordenstracht, die Frauen mit Haube und Schleier in Weiß. Die Knienden falten die Hände im Gebet und schauen auf Elisabeth. Der einzige Mann, mit Vollbart, und eine der zwei Schwestern halten jeweils einen Rosenkranz. Elisabeth trägt ein blaues Buch mit goldenen Beschlägen in der rechten Hand und gestikuliert mit der linken. Ihr Nimbus ist noch größer als der von Franziskus und Klara (40 mm). Der Rahmen ist in blauen Farbtönen gehalten und endet unten, wo der hellbraune Boden den Hintergrund trifft. Der Hintergrund ist rot mit goldenem Filigran.
Regel, Bestätigungsbullen, weitere Bullen den Drittorden betreffend, Professformeln und Privilegien bilden eine Handschrift, die die wichtigsten kirchenrechtlichen und formellen Terziarentexte enthält. Höchstwahrscheinlich kopierte Hand I zielbewusst schon vorhandene Texte, um dieses dokumentarische Nachschlagewerk zu gestalten. Ganz im Sinne von diesem Vorhaben fügte Hand II zwei weitere Texte hinzu, beide von Johannes Alphart, Visitator der oberdeutschen Observantenprovinz der Franziskaner.
Die sieben Miniaturen stehen als Bildergalerie am Anfang der Handschrift, wo sie das Vorhaben der Textsammlung – oder Textgalerie – ankündigen. Dabei stellen die Miniaturen Figuren dar, die den Orden im Allgemeinen betreffen, während die Texte sich auf den Drittorden konzentrieren. Von den Päpstebildern am Anfang der Reihe über Franziskus und Klara schließt sich die Reihe der Bilder mit Elisabeth von Thüringen – traditionsgemäß die Gründerin des Drittordens –, die als Übergang zu den Drittordenstexten dient.
Das Eingangsbild (1r) ist selbst eine Bildergalerie, da vier gerahmte Bilder zusammen auf einem Blatt vorkommen. Die Päpste Honorius III. (bestätigte 1223 die franziskanische Ordensregel mit der Bulle ›Solet annuere‹), Gregorius IX. (sprach Franziskus 1228 heilig) und Innozenz III. (bestätigte 1210 den franziskanischen Orden) werden einzeln dargestellt. Das vierte Bild zeigt einen Schreiber, der die Bullen der Päpste nachschreibt. Die Bestätigungsbullen der drei dargestellten Päpste befinden sich allerdings nicht unter den nachfolgenden Texten, wohl aber die Bestätigungsbulle ›Supra montem‹ des ungezeigten Papstes Nikolaus IV. Zusammen aber geben Bilder und Texte einen Überblick über den Anfang der drei Ordenszweige. Auch die drei ganzseitigen Miniaturen bieten keinen direkten Zusammenhang zu den nachfolgenden Texten. Franziskus mit seinen Brüdern (2r), Klara mit ihren Schwestern (3r) und die hl. Elisabeth von Thüringen mit Drittordensmitgliedern (5r) können aber zusammen als Darstellung der drei Ordenszweige gesehen werden. Sie dienen, wie die Päpste auf 1r, als ordensgeschichtlicher Hintergrund zu den folgenden drittordensbezogenen Texten.
Blau, Rot, Grün, Gelb, Schwarz, Braun, Blattgold (Nimben, Kronen).
Abb. 197: 3r. Hl. Klara mit ihren Schwestern.