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34. ›Die Erlösung‹

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 4/1

Das anonym überlieferte Bibelepos ›Die Erlösung‹ (7022 Reimpaarverse) entstand zu Beginn des 14. Jahrhunderts wohl im rheinfränkischen Raum. Der wahrscheinlich geistliche Dichter verfügte über fundierte theologische und literarische Kenntnisse. Er bietet eine umspannende Darstellung der christlichen Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht im Sinn der kirchlichen Lehre. Neben beschreibenden, betrachtenden und gebethaft-preisenden Passagen präsentiert er Dialogszenen nahezu dramatischen Charakters, die in Zusammenhang mit den hessischen geistlichen Spielen stehen (vgl. zuletzt detailliert Klaus Wolf: Kommentar zur ›Frankfurter Dirigierrolle‹ und zum ›Frankfurter Passionsspiel‹. Tübingen 2002 [Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Hrsg. v. Johannes Janota. Ergänzungsband 1], vgl. Register S. 895 s. v. ›Erlösung‹). Im strophischen Prolog setzt sich der Autor ab von den weltlichen Stoffen des höfischen Romans; aber er gestaltet mit dessen stilistischen und kompositorischen Mitteln seinen geistlichen Stoff mit Christus als dem zentralen Helden der Erlösung.

Schöpfung und Sündenfall werden knapp dargestellt, anschließend der Streit der vier Töchter Gottes mit dem Ratschluß Gottes zur Erlösung durch die Menschwerdung des Sohnes; es folgen 24 Weissagungen von Patriarchen und Propheten auf Christus, einschließlich solcher von Heiden, nämlich der (erythräischen) Sibylle, Nebukadnezars und Vergils. Den Hauptteil bilden die Lebensstationen Jesu mit der Geschichte Johannes’ des Täufers und Marias bis zu ihrem Tod, zuletzt folgen Antichrist und Jüngstes Gericht. Quellen der Dichtung sind neben der Vulgata auch apokryphe Texte (›Evangelium Nicodemi‹), der (pseudoaugustinische) ›Sermo contra Iudaeos, Paganos et Arianos de Symbolo‹ des Quodvultdeus, die Sibyllenweissagung u. a.

Das Werk überliefern insgesamt acht Handschriften, darunter zwei Codices discissi (zur Überlieferung vgl. zuletzt Hartmut Jakobi: Ein Kasseler Bruchstück der ›Erlösung‹ und einer mhd. Gebetssammlung. ZfdA 117 [1988] S. 146–155; Klaus Klein: Kasseler Gebetbuchfragmente. ZfdA 118 [1989] S. 280–286). Zwei der Handschriften sind illustriert. Sie enthalten einen thematisch weitgehend identischen Bilderzyklus, der in der jüngeren Nürnberger Handschrift (Sigle N) mit 53 Bildern annähernd vollständig erhalten ist, die älteren Fragmente in Krakau und Laubach (Sigle B1) tradieren zusammen 18. Die konkrete Ausführung der Bilder läßt jedoch keine direkte Abhängigkeit voneinander erkennen; so sind die Figuren einer Szene teilweise unterschiedlich angeordnet und die Spruchbänder der Einzelfiguren tragen nicht denselben Text. Beide Handschriften gehören aber derselben Überlieferungsgruppe an; N muß auf eine mit B1 verwandte Vorlage zurückgegriffen haben (vgl. Maurer [1931]). In der künstlerischen Qualität besteht Maurer zufolge ein deutlicher Unterschied zugunsten von B1.

Die Illustrationen, lavierte bzw. mit Deckfarben kolorierte Federzeichnungen, sind in beiden Handschriften jeweils denselben Textpassagen zugeordnet. Fast allen großen thematischen Abschnitten des Textes entspricht mindestens eine Illustration; nicht bildlich dargestellt ist der im Text ausführlich behandelte Streit der Töchter Gottes mit der detaillierten künstlerischen Beschreibung von Gottes Thron (zu letzterem vgl. Bartsch [1858] S. III ff.).

Kennzeichnend sind zwei verschiedene Bildtypen: einerseits eine thematische Reihe von Einzelfiguren mit Patriarchen und prophetischen Gestalten des Alten Testaments und der heidnischen Antike (Sibylla, Nebukadnezar und Vergil), die im Text den Prophezeiungen und Vorausdeutungen auf Christi Erlösungswerk zugeordnet sind und diesem entsprechend (= Verse 1143–2272) einen geschlossenen Block bilden; andererseits narrative Figurenszenen, bei denen das Alte Testament nur mit zwei Bildern vertreten ist (Erschaffung des Menschen und Sündenfall), während die meisten aus dem Neuen Testament stammen (v. a. das Leben Christi bis zum Tod Marias, Antichrist und Jüngstes Gericht). Soweit die erhaltenen Fragmente des Codex discissus einen Schluß erlauben, decken sich die Bildkonzepte der beiden illustrierten Textzeugen weitgehend, aber nicht vollständig; B 1 enthält als Schöpfungsbild die Erschaffung Evas, N dagegen diejenige Adams; zwei zusätzliche Szenenbilder in B1, die im vollständigeren Zyklus fehlen, stellen Christus mit dem ungläubigen Apostel Thomas und den thronenden Antichrist mit Gefolgsleuten dar; außerdem ist der Sturz des Antichrist dort durch ein zweigeteiltes Bild differenzierter gestaltet.

Editionen:

Karl Bartsch: Die Erlösung. Mit einer Auswahl geistlicher Dichtungen. Quedlinburg/ Leipzig 1858 (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 37); Die Erlösung. Eine geistliche Dichtung des 14. Jahrhunderts. Auf Grund der sämtlichen Handschriften zum ersten Mal kritisch hrsg. von Friedrich Maurer. Leipzig 1934. Nachdruck Darmstadt 1964 (Deutsche Literatur. Reihe Geistliche Dichtung des Mittelalters. Bd. 6).

Literatur zu den Illustrationen:

Friedrich Maurer: Überlieferung und Textkritik der Erlösung. ZfdA 68 (1931), S. 196– 214, bes. S. 201 f.; Heinz Zirnbauer, in: Schneider (1965) S. 472–474.