KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

15.4.2. Liège, Bibliothèques de l’Université de Liège, ms. Wittert 3

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 2

Datierung:

Um 1400.

Lokalisierung:

Oberrhein (Elsaß).

Besitzgeschichte:

Vorbesitzer: Ambroise Firmin-Didot (1790–1876), seit 1884 Baron Adrien Wittert (1823–1903). 1894 von Wittert testamentarisch der Stadt Lüttich vermacht und 1903 in die Universitätsbibliothek Lüttich übernommen (Exlibris im Vorderdeckel).

Inhalt:
1r–81r Bilderbibel
Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung:

188–193 × 117–132 mm, einfache rote . oder doppelte rot-blaue Pinselstricheinfassung, die häufig von Bildelementen überschritten wird; z. T. durch den Randbeschnitt weggefallen. Geübte Zeichnung mit dünner Feder, die Konturen oft nachgestrichelt, die Konturen der Nimben sind nach der Kolorierung dick nachgezogen. Nahezu bildfüllende, auf die Bildmitte hin komponierte Figurendarstellungen mit sparsamen Ortsangaben durch Landschafts- oder Architekturelemente, Hintergrund freistehend. Boden angegeben durch meist unkonturierten grünen Streifen mit ebenfalls unkonturiertem Pflanzenbewuchs, Wasser bezeichnet durch Pinselstrichbögen. Einförmige ovale Gesichter, nur in den Passionsdarstellungen durch Überzeichnung emotional verzerrt; Augen als außen geöffnete Lidbögen mit zwei meist gebogten Strichen darüber für Lidfalte und Braue, oft unter dem Auge Bogen für Tränensack; Hakennasen aus kräftigerem waagerechtem Strich und zwei feinen Parallelstrichen für Nasenrücken und -flanke; Mund aus einem längeren und einem kürzerem Strich darunter gebildet, gelegentlich abwärts gezogene Mundwinkel. Wangen und Lippen rot getupft, Inkarnat in wenigen durchscheinenden Pinselstrichen in Orangezinnober angegeben. Bärte in der Regel zweigeteilt, Jesus und meist auch die Jünger mit langen, wellig aus der Stirn nach hinten fallenden Haartrachten, vor allem die Juden mit kurzen, beidseitig vom Kopf abstehenden Haarschöpfen. Ausgeprägte Gestik. Die Gewänder in langen flachen Parallelfälteln und weichen runden Bögen fließend. Stoffdekor durch unperspektivisch flächenfüllende Pinselkringel oder -rauten. Modellierung gelegentlich durch feine, engstehende Parallel-, selten auch Kreuzstrichel, ferner durch meist lavierten Farbauftrag, nur Oliv und Schwarz stets deckend.

Mehrere Bilder haben Inschriften zweierlei Art: jüngere lateinische Inschriften (z. B. Taf. 1: in principio creauit deus celum et terram) sowie ältere Textura-Inschriften (15.Jahrhundert) in alemannischer Mundart (z. B. Taf. 9: noiel vn̄ sine súne wie sú die arke bvchtent). Taf. 47 sind im Kreuzesstamm Ziffern inskribiert – wohl von der jüngeren Hand –, die aussehen wie die Jahreszahl 1494 (wobei die 4 spiegelbildlich ausgeführt ist). Von vielleicht dritter, noch jüngerer Hand stammt die Bildinschrift Taf. 69 gang hüt der stüw(?).

Bildthemen:

(fehlerhafte Bildthemenliste: Brassinne [1910] S. 3–7): Auf eine knappe Bildreihe zur Schöpfung und zu Begebenheiten des Alten Testaments folgt ein umfangreicher neutestamentlicher Zyklus, zumindest zum Teil auf apokryphen Quellen fußend. Zum Schluß einige einzeln oder paarweise dargestellte Heilige.

1 ›Erschaffung der Erde‹
2 ›Erschaffung der Vierbeiner und Fische‹
3 ›Erschaffung der Vögel und der Gestirne‹
4 ›Dreifaltigkeit‹
5 ›Gott verhandelt mit dem Engel‹
6 ›Sündenfall‹
7 ›Vertreibung aus dem Paradies‹
8 ›Erdenleben Adams und Evas‹
9 ›Noah und zwei Söhne beim Bau der Arche‹
10 ›Ende der Sintflut: Rabe mit Aas, Taube mit Ölzweig‹
11 ›Trunkener Noah wird zugedeckt‹
12 ›Brudermord Kains‹
13 ›Opferung Isaaks‹
14 ›Engelerscheinung bei Joachim auf der Weide‹
15 ›Engel erscheint Anna‹
16 ›Joachim und Anna an der Goldenen Pforte‹
17 ›Geburt Marias‹
18 ›Tempelgang Marias‹
19 ›Prüfung von Marias Bewerbern: Josephs Gene blüht auf‹
20 ›Verlöbnis Marias mit Joseph‹
21 ›Verkündigung‹
22 ›Heimsuchung‹
23 ›Aufbruch nach Bethlehem‹
24 ›Geburt Jesu‹
25 ›Anbetung der drei Weisen‹
26 ›Beschneidung Jesu‹
27 ›Darbringung Jesu im Tempel‹
28 ›Kind des guten Schachers wird in Jesu Badewasser gebadet‹
29 ›Der zwölfjährige Jesus im Tempel‹
30 ›Jordantaufe‹
31 ›Jesus und Maria Magdalena im Hause des Pharisäers‹
32 ›Jesus am Jakobsbrunnen‹
33 ›Jesu Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana‹
34 ›Jesus läßt Petrus am Stadttor Steuer zahlen‹
35 ›Erweckung des Lazarus‹
36 ›Jesus und die Ehebrecherin: Jesus malt in den Sand‹
37 ›Einzug Jesu in Jerusalem, Zachäus im Baum‹
38 ›Abendmahl, Verrat des Judas wird sichtbar‹
39 ›Fußwaschung‹
40 ›Jesus im Garten Gethsemane‹
41 ›Judaskuß, Heilung des Ohrs‹
42 ›Jesus vor Hannas‹
43 ›Jesus vor Kaiphas‹
44 ›Jesus vor Pilatus‹
45 ›Geißelung Jesu‹
46 ›Jesus vor Pilatus, der sich die Hände in Unschuld wäscht‹
47 ›Jesus nimmt das Kreuz auf‹
48 ›Jesus wird entkleidet‹
49 ›Jesus wird ans Kreuz geschlagen, Soldaten würfeln um sein Gewand‹
50 ›Jesus am Kreuz mit Maria und Johannes‹
51 ›Kreuzabnahme‹
52 ›Jesus wird gesalbt, beweint und ins Grab gelegt‹
53 ›Die drei Marien mit Engel am leeren Grab‹
54 ›Descensus‹
55 ›Auferstehung‹
56 ›Jesus erscheint Maria‹
57 ›Jesus erscheint den Aposteln‹
58 ›Jesus und der ungläubige Thomas‹
59 ›Jesus erscheint den fischenden Aposteln‹
60 ›Jesus erscheint Petrus vor der Höhle‹
61 ›Der Engel mit Palmzweig bei Maria‹
62 ›Johannes empfängt die Apostel‹
63 ›Tod Marias‹
64 ›Maria auf der Totenbahre, davor die bestraften Juden‹
65 ›Jesus vertreibt die Wechsler aus dem Tempel‹
66 ›Verlorener Sohn erhält sein Erbteil‹
67 ›Aufbruch des verlorenen Sohnes‹
68 ›Verlorener Sohn in reicher Gesellschaft‹
69 ›Verarmter Sohn wird verjagt‹
70 ›Verlorener Sohn als trauernder Viehhirte‹
71 ›Verlorener Sohn wird vom Vater empfangen‹
72 ›Festmahl zu Ehren des Sohnes‹
73 ›Die fünf törichten Jungfrauen‹
74 ›Maria beginnt mit der Fertigung des nahtlosen Rockes‹ (?)
75 ›Hl. Dorothea mit Jesuskind‹
76 ›Jesus macht aus Lehm Vögel für seine Spielkameraden‹
76a ›Hl. Sebastian an der Martersäule‹
77 ›Zwei Eremiten: Hl. Antonius, Hl. Wendelin‹
78 ›Steinigung des Hl. Stephanus‹
79 ›Hl. Johannes der Täufer, Hl. Johannes der Evangelist‹
80 ›Hl. Katharina, Hl. Agnes‹
81 ›Gott mit Engeln über entweichenden Teufeln thronend‹

Ikonographisch auffallend ist die Dreifaltigkeitsdarstellung Taf. 4: Gottvater und Gottsohn sitzen einander zugewandt auf einer Bank, ihre Mäntel sind aus einem Tuch gebildet, das im Bogen von der äußeren Schulter des einen zur äußeren Schulter des anderen hängt; zwischen beiden senkrecht in der Luft der Heilige Geist als Taube. Eng verwandt ist die Dreifaltigkeitsdarstellung in der elsässischen Handschrift vom Anfang des 15.Jahrhunderts Ms. germ. fol. 1030 der Staatsbibliothek Berlin (mystische Traktate zu Bibel und Katechese, Eingangsbild 3r). Im neutestamentlichen Teil folgen die Darstellungen zum Leben Marias (Taf. 14 bis 20 oder 29) wohl Bruder Philipps ›Marienleben‹, nach anderer Quelle Taf. 28 (vgl. z. B. ›Neue Ee‹). Das öffentliche Wirken Jesu, die Passion, Tod, Auferstehung und Erscheinungen auf dem Bericht der Bibel fußend, ergänzt ist der ›Descensus‹ Taf. 54. Der Zyklus wird beschlossen durch vier Bilder zum Tod Marias nach dem ›Marienleben‹ (Taf. 61 bis 64) und das Schlußbild (Taf. 81). Wohl entgegen ursprünglicher Konzeption sind vor Taf. 81 Szenen aus dem Leben Jesu und zu Gleichnissen Jesu eingefügt, die vielleicht wegen nichtverstandener Bildinhalte bei der Einordnung zunächst keinen Platz fanden. Nicht eindeutig ist etwa das Thema der Taf. 74: Maria ist als Himmelskönigin dargestellt, sie spinnt, das Jesuskind hält den Spinnrocken, daneben hockt ein alter Mann (wohl Joseph). Insbesondere die Bilder zum Gleichnis vom verlorenen Sohn sind ikonographisch eigenartig, vielleicht von der Protagonistenausstattung geistlicher Spiele beeinflußt und unter Umständen absichtsvoll als separate Sequenz ausgegliedert: Auf Taf. 66 füllt ein Mann – mit nicht vollendetem Heiligenschein (!) – einem anderen Münzen in einen Sack; Taf. 67 bis 69 haben ausgesprochen höfische Anklänge: Der Sohn bricht als modisch ausstaffierter, falkenführender Ritter auf (67), wird von einer höfischen Dame empfangen (68) und dann mit einer Rute von der Pforte verjagt (69).

Farben:

Mattes bräunliches Rot, Blaßgrün, Kupfergrün, Blau, Graublau, Rotbraun, Graubraun, dunkles, öliges Oliv, Blaßgelb, Pinselsilber, Blatt- und Pinselgold, Schwarz, gelegentlich Deckweißhöhungen; Inkarnat durchscheinendes Orangezinnober.

Literatur:

Catalogue illustré des livres précieux manuscrits et imprimés faisant partie de la bibliothèque de M. Ambroise Firmin-Didot. Juin 1884. [Paris 1884], S. 48f. Nr. 48; Joseph Brassinne: Catalogue des manuscrits légués à la Bibliothèque de l’Université de Liège par le Baron Adrien Wittert. Liège 1910, S. 3–8; Trésors d’art de la Collection Wittert (XVe–XIXe Siècle). Université de Liège. [Catalogue par Jacques Stiennon, avec la collaboration de Lydia Brennet-Deckers, Marie-Georges Nicolas et Joseph Deckers.] Liège 1984, S. 68, Nr. 3 mit Abb. (Taf. 76); Carmelia Opsomer-Halleux (avec la collaboration de Frederic Bauden pour les manuscrits orientaux): Trésors Manuscrits de l’Université de Liège. [Ausstellungskatalog] Liège 1989, S. 17, Nr. 3 mit Abb. (Taf. 68).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 113: Taf. 4. Dreifaltigkeit.

Abb. 114: Taf. 28. Kind des guten Schächers wird in Jesu Badewasser gebadet.

15.4.2._Abb._113.jpg
Abb. 113.
15.4.2._Abb._114.jpg
Abb. 114.