80.3. Lunares Losbuch
Bearbeitet von Franziska Stephan
KdiH-Band 8
Das Lunare Losbuch stellt 28 Fragen bereit, auf die 28 Losrichter mit je 28 Lossprüchen Antwort geben. Das Verweissystem besteht aus drei Reihen von Weisen, die in Kombination mit einem der 28 Mondtage, d. h. der Zeit, die der Mond für einen Umlauf um die Erde benötigt, zu einem Losrichter führen. Bei dem Lunaren Losbuch handelt es sich um einen der wenigen aus dem 14. Jahrhundert überlieferten deutschen Losbuchtexte. Es ist in fünf Handschriften überliefert, wovon nur zwei mit textbegleitenden Illustrationen ausgestattet sind: Heidelberg, Cod. Pal. germ. 3 (Nr. 80.3.1., frühester Beleg des Textes, um 1400); London, Add. 25435 (Nr. 80.3.2.).
Bei den drei verbleibenden Handschriften handelt es sich um Textzeugen, die nur durch lateinische Zahlen systematisiert sind, sowie um Fragmente: Berlin, Ms. germ. fol. 563, 1r–2v und S. 1–28 (2. Hälfte 15. Jahrhundert); Gießen, Universitätsbibliothek, Hs. 100a (sogenanntes ›Ockstädter Fragment‹, Mitte 14. Jahrhundert, 22 Zeilen, dieses steht dem Heidelberger Textzeugen sprachlich nahe, Edition bei
Als Vorlage diente dem Losbuch eine dem ›Liber Fatorum‹ (Wien, Cod. 3276, 261r–269v) nahestehende Bearbeitung der ›Sortes Regis Amalrici‹, die lange unter dem Titel ›Liber experimentarius‹ bekannt war und fälschlich dem Bernardus Silvestris zugeschrieben wurde. Beide Texte basieren auf einer 28-teiligen Struktur, die auch dem System des Lunaren Losbuchs zugrunde liegt. Das Lunare Losbuch ersetzt bzw. ergänzt die Planetenorte und Mondstationen der beiden anderen Texte um Autoritäten. Aus dem ›Liber Fatorum‹ übernommen sind die Fragenanordnung, die Zählung der Mondstationen und die Reihenfolge der Lossprüche. Abweichend hierzu sind diese nicht mit den Namen der Losrichter betitelt, sondern nur nummeriert. Laut
Die Reihe der Weisen im Lunaren Losbuch wird im Allgemeinen durch verschiedene antike, neu- und alttestamentliche sowie kirchliche Autoritäten und mythologische Figuren gestellt. Die Reihe der Losrichter besteht hingegen aus den 28 Mansionen, d. h. den Sternbildern, die der Mond in einem 28-Tage-Rhythmus durchläuft. Ihre Bezeichnungen gehen auf die arabischen Sternnamen innerhalb des Tierkreises zurück. Diese müssen jedoch nicht immer in derselben Reihenfolge oder im gleichen Wortlaut aufgeführt sein. Offensichtlich gab es kein starr fixiertes Stationsschema (für eine tabellarische Aufführung und Beschreibung der Mansionennamen siehe
Die Losermittlung basiert auf einem rechnerischen Schema mit der Zahl des jeweiligen Mondtages: Die Zahl des Mondtages + die Nummer der Frage - die Zahl der Tage bis zum Neumond = die Zeilennummer der Antwort. Hieraus folgt, dass man eigentlich nur den entsprechenden Mondtag aus einem Kalender ablesen musste, um den Losspruch auf eine ausgewählte Frage direkt und ohne Durchquerung des komplizierten Verweissystems zu ermitteln. Ob der mittelalterliche Benutzer die Losfindung tatsächlich vom Zeitpunkt der Befragung abhängig gemacht hat und diese, wie in der dritten Verweisetappe gefordert, um eine bestimmte Anzahl an Tagen unterbrochen hat, ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Alternativ konnte eine Zahl zwischen eins und 28 auch durch ein Losmittel wie das in der Londoner Handschrift (Nr. 80.3.2.) erhaltene Drehrad per Zufall generiert werden. Dabei ist das Zufallsmoment am Anfang bei der erstmaligen Zuordnung eines Weisen zu einem Mondalter eingeschaltet. Dies, wie auch die Nennung spezifischer Autoritäten wie Pythagoras und Cicero als naturwissenschaftliche Referenzen, wird hauptsächlich dazu gedient haben, den Mechanismus der Losermittlung zu verunklaren, um den Ratsuchenden Respekt einzuflößen und den Glauben an den wissenschaftlichen Anspruch und damit den Wahrheitsgehalt der Prophezeiungen zu erhöhen (
Die bekannten Textzeugen des Losbuchs nennen für dieses keinen Titel. Bei