KdiH

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80.3.2. London, The British Library, Add. 25435

Bearbeitet von Franziska Stephan

KdiH-Band 8

Datierung:

14.–15. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Herkunft unbekannt.

Besitzgeschichte:

Auf dem modernen Vorsatzblatt von einer Hand des 19. Jahrhunderts: »Purchased of M. H. Tross of Paris 14th Nov. 1863« (Priebsch 2 [1901] S. 229).

Inhalt:
1r–16v Lunares Losbuch
Losrad mit Zahlen I bis XVIII auf der Innenseite des Vorderdeckels; 1r–2v systematische Tabellen mit 28 Fragen und drei Verweisreihen unter Einbezug der Namen von antik-heidnischen, christlichen und biblischen Autoritäten unter Anrufung Ciceros sowie den 28 Mondaltern; 2r Verweise mit dem auf 1v ermittelten Mondalter und Hinweis auf die Verzögerung der Losbefragung um ein weiteres Mondalter und Weisen; 2v Mondalter und Weise mit Verweis auf einen Losrichter; 3r–16v 28 Losrichter mit je 28 Lossprüchen in zwei Reimversen
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 16 Blätter (3r–16v mit originaler Seitenzählung .j.–.xxviij. in Rot, diese auf 7v, 8v und 16v als an die Seite gepinntes Hängeschild gestaltet), 259 × 202 mm, ein Schreiber, dreispaltig (1r–2v), einspaltig (3r–16v), 28 Zeilen, Lombarden, Rubrizierung, Strichelung.

Einband: modern gebunden, dunkelbraunes Kunstleder. Auf der Innenseite des Buchdeckels ist der ehemalige Losmechanismus erhalten.

Schreibsprache:

ostfränkisch (böhmisch?) (Palmer/Speckenbach [1990] S. 173).

II. Bildausstattung:

Ein aus Holz geschnitztes, bemaltes und vergoldetes Losrad auf der Innenseite des Vorderdeckels, 28 Miniaturen in kräftigen Deckfarben, z. T. mit Gold, sowie 28 einfache Federzeichnungen in Schwarz und Rot, ein Illustrator.

Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung:

Losrad: (schlecht) funktionierendes Losrad, aus Holz geschnitzt und bemalt in Rot, Grün, Blau, zusätzlich in Gold gefasst. In der Mitte sitzt eine Figur mit Spruchband in der linken Hand (Text nicht mehr leserlich), mit der rechten Hand zeigt diese nach außen und fungiert als Zeiger zur Ermittlung einer Zahl von eins bis 28, die umlaufend um das Rad geschrieben sind (diese beziehen sich wohl auf die 28 Mondtage). In den vier Ecken um das Rad sitzen die Evangelistensymbole mit bezeichnendem Spruchband. Zur Figur im Rad: Es handelt sich um einen Mann mit langem Bart, sein Haupthaar fällt ihm auf die Schultern. Er hat eine gelbe (einst goldene?) Kopfbedeckung, vermutlich eine Krone. Bolte bezeichnet ihn aus nicht nachvollziehbaren Gründen als Engel (Bolte [1903] S. 318). Die Figur zeichnet sich durch eine verdrehte Körperhaltung aus: auf einem Stuhl sitzend ist das rechte Bein über das linke geschlagen und die Hüfte frontal dem Betrachter zugewandt; der rechte Arm weist nach links (von der Figur aus gesehen), das Gesicht ist abgewendet und blickt nach rechts; der linke Unterarm schaut auf Hüfthöhe hinter dem Körper hervor und hält das Spruchband. Hierdurch ist das Gesicht von der Zeigehand weggewendet, womöglich handelt es sich um eine Anspielung darauf, dass das Rad blind gedreht werden sollte. Da das Buch modern gebunden ist und damit etwaige Hinweise auf einen von außen zu bedienenden Drehmechanismus nicht mehr vorhanden sind, ist dies nicht mit Sicherheit nachzuvollziehen. Unklar ist auch die Bedeutung eines kleinen Loches (ca. 2 mm Durchmesser) an der rechten unteren Ecke des Stuhls der Figur, ca. 15 mm vom Rand der Drehscheibe entfernt. Möglicherweise war hier ein Teil des ehemaligen Drehmechanismus befestigt.

1r–2v Verweistabellen: Der Text ist akkurat in ein mit Tinte vorgezeichnetes Zeilengerüst mit drei Spalten eingebracht und abwechslungsreich mit einzeiligen Lombarden, Rubrizierung und Strichelung gestaltet, in der mittleren Spalte ist die Schriftgröße halbiert und der Text auf zwei Schriftzeilen verteilt (1v–2r).

3r–16v Losrichter: Der Haupttext ist in Langzeilen geschrieben, jede Zeile beginnt mit einem einzeiligen Großbuchstaben in variierender Ausführung. Neben dem Text befindet sich auf jeder Seite, unten links im Rand, eine Zeigehand mit Spruchband (darauf Mit willen), die immer auf den 22. Losspruch mit variierenden Themen deutet. Über den Lossprüchen befinden sich die Darstellungen der Losrichter in 28 längsrechteckigen Kopfleistenbildern, diese sind ca. ein Fünftel der Seite hoch und schriftspiegelbreit sowie durch einen einfachen schwarzen Federstrich und zwei verschiedenfarbige, breite Leisten gerahmt (Ausnahme 8v einfarbige Leiste mit Blümchenmuster). Darin sitzt links in der unteren Ecke eine männliche Figur mit zwei Spruchbändern, rechts ist der Nachthimmel mit Gestirnen dargestellt. Spruchbänder: rechts im Bildfeld ein kürzeres Spruchband mit dem Namen der Figur. Links außerhalb des Bildfelds befindet sich ein weiteres, langes Spruchband, das sich im linken Randbereich entrollt. Darauf sind verschiedene Sprüche zur Quelle (v. a. Gott und die Planeten) und den Zielen (v. a. Minne) der prophetischen Weissagekraft der Figuren zu lesen (z. B. 8r Nav propheta. Ich sitz hye in gotez kreiz. Da von ich mensch dein gelůk weiz, 12r Got hat mir sinne geben. Daz ich weiz der minne leben). Figuren: Propheten in typisierter Darstellung als Sitzfiguren auf einer kleinen Rasenbank mit Blümchen; verschiedene Sitzmotive, z. T. mit untergeschlagenen Beinen, halb liegend oder mit den Füßen auf der Rahmenleiste bzw. über diese hinausragend dargestellt; mit mittellangem bis langem Haupthaar, bärtig und bartlos, bekleidet mit Tuniken und Mänteln, vereinzelt mit Kopfbedeckungen (6v Capite velato, 10v turbanartiges Tuch). Insgesamt leicht überlängte Körper mit verkürzten Armen, großen Köpfen und Händen, die Körperkonturen sind durch die weiten Gewänder mit groben, kommaförmigen Faltentälern ohne Hell-Dunkel-Modellierung verdeckt; typisierte Gesichtszüge ohne expressive Mimik, die Figuren blicken auf den Sternenhimmel und weisen meist mit einer erhobenen Hand darauf. Nachthimmel. Passend zum Mondwahrsagebuch sind darin auf blauem Grund verteilt je zwei Monde in verschiedenen Zeitphasen und mit menschlichen Gesichtszügen in variierenden Blickrichtungen zu sehen, dazu kleinere Sterne in variierender Zahl. Der Mittelgrund zwischen Figur und Nachthimmel ist auf den verso-Seiten einfarbig, auf den recto-Seiten in Gold gehalten. Durch die unterschiedlich plastische Gestaltung und Abgrenzung des Bildbereichs sowie die stellenweise Überschneidung der Rahmung durch die Figuren (z. B. 5r–6r) ergibt sich eine tiefenräumliche Staffelung innerhalb der Bildfelder, die diese als Durchblick bzw. Fenster in den Nachthimmel erscheinen lassen. In den Details von diesem Schema abweichend: Der 14. Losrichter Aggeus (9v) ist als Sitzfigur mit knielangem Rock mit wenigen und geraden Falten, engen Beinlingen und lockerem Hüftgürtel dargestellt, die dünnen Beine sind gekreuzt, die Hände und Zeigefinger extrem überlängt, der Nachthimmelausschnitt ist eher blumenartig als gewellt konturiert, der sonst einfarbige Mittelgrund ist zusätzlich mit Arabesken versehen. Möglicherweise stammt die Figur von einem zweiten Zeichner. Die Bilder sind z. T. sehr schlecht erhalten, in den Details stark berieben sowie die obere Rahmenleiste beschnitten.

Bildthemen:

Reihe der Losrichter: 3r Isayas, 3v Jeremias, 4r Dauid, 4v Baruch, 5r Ozeas, 5v Johel, 6r Amos, 6v Abdyas, 7r Jonas, 7v Micheas, 8r Nav propheta, 8v Abacuc, 9r Sophonias, 9v Aggeus, 10r Zacharias, 10v Malachias, 11r Nathan, 11v Jacob propheta, 12r Galaad, 12v Sananias, 13r Abiathas, 13v Jonathas, 14r Abysaac, 14v Misahel, 15r Achaz, 15v Ananias, 16r Joachim, 16v Zoroabel.

Farben:

reiche Vergoldung und kräftige Deckfarben beim Losrad sowie den Miniaturen: Zinnober, Dunkelrot, Hell- und Dunkelrosa, Mittelblau, Hellblau, Tannengrün, Lindgrün, Orange, Ockergelb, Braun, Schwarz, Weiß. Text: Schwarz, Rot, Blau.

Literatur:

Priebsch 2 (1901) S. 228f. (Nr. 268). – Bolte (1903) S. 317f. (F); Palmer/Speckenbach (1990) S. 173f. (D II 2b), S. 197; Jurchen (2014) Sp. 241 (C.b.2b); Heiles (2018) Nr. 5.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 145: Einband. Losrad.

Abb. 146: 3rEsaias (Losrichter).

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Abb. 145.
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Abb. 146.