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74.7. ›Elsässische Legenda aurea‹

Bearbeitet von Kristina Freienhagen-Baumgardt

KdiH-Band 8

Die ›Elsässische Legenda aurea‹ ist nicht nur die erste ›Legenda aurea‹-Übersetzung in Prosa, »sondern das älteste breit überlieferte Prosalegendar überhaupt« (Williams-Krapp [1986] S. 35). Sie war bei monastischer und laikaler Leserschaft beliebt und kann als »das bedeutendste Legendar des deutschen Südwestens« (Williams-Krapp [1986] S. 35) betrachtet werden. Entstanden ist die Übersetzung eines unbekannten Geistlichen – die hervorragenden Lateinkenntnisse und die an zwei Stellen klare Vertrautheit mit dem Stundengebet lassen auf den geistlichen Stand schließen (S. 35) – in Straßburg. Sie ist in 36 Handschriften überliefert, von denen neun illustriert sind. Der Überlieferungsschwerpunkt liegt im Elsass, also in dem Raum, in dem die Übersetzung entstanden ist.

Die nach Straßburg lokalisierbare Handschrift München, Cgm 6 (Nr. 74.7.7.) ist die älteste in der Überlieferung und enthält neben der nicht illustrierten Handschrift Wolfenbüttel, Cod. 79. 1. Aug. 2° den vollständigsten Text, ergänzt durch 178 Miniaturen. Die Entstehungshintergründe und Besitzumstände sind ungeklärt. Der Text schließt mit den Worten: Dis buͦch hat ein ende […] Follebroht wart dis buͦch Anno domini MCCCLXII vigilia Mathie Apostoli (23.2.1362). Die angegebene Datierung wird seit Wilhelm (1907, S. 145) auf den Abschluss der Miniaturen bezogen (zuletzt Rappl [2015] S. 103), was jedoch zweifelhaft ist, weil fünf Bildlücken (Legenden Nr. 32–36, Septuagesima bis Quatember) vorhanden sind und damit gerade die Illustrierung nicht abgeschlossen ist. Möglicherweise fehlten dem Miniator die Vorlagen für diese seltener illustrierten Textteile (nicht illustriert in Nr. 74.7.1., Nr. 74.7.2., Nr. 74.7.3., nur eine Bildlücke für Legende Nr. 36 in Nr. 74.7.4., in Nr. 74.7.5. ist der Text nicht überliefert). In der Miniatur zu Legende Nr. 179 (Über das Evangelium zu Fronleichnam, 198r) findet sich der Name Heinricus, der gemeinhin als Name des Illustrators aufgefasst wird (zuletzt Williams-Krapp [2015] S. 97, Rappl [2015] S. 102). Hamburger vermutet in ihm jedoch eher »the name of the patron or recipient« (Hamburger/Palmer [2015] S. 30).

Neben Cgm 6 stammen zwei weitere illustrierte Handschriften, die nur fragmentarisch erhalten sind, aus dem 14. Jahrhundert: Wolfenbüttel, Cod. 404.10 (12) Novi (Nr. 74.7.9.) und Wiesbaden, Hauptstaatsarchiv, Abt. 3004 Nr. A 152 (Nr. 74.7.8.). Sie stehen dem Cgm 6 sowohl bezüglich der Bildprogramme als auch der Ausführung nahe, die wenigen erhalten Illustrationen weisen jedoch gegenüber dem Cgm 6 weniger Qualität auf.

»Die restliche Überlieferung setzt erst mit dem 1419 in Straßburg entstandenen illustrierten Heidelberger Codex cpg 144 (H1) ein und erreicht im Zusammenhang mit der Reform der oberrheinischen Dominikanerinnenklöster und mit der Aufnahme in Diebold Laubers Verlagsprogramm ihren Höhepunkt in den dreißiger bis sechziger Jahren des 15. Jh.s« (Williams/Williams-Krapp [1980] S. XIV). Die Überlieferung der ›Elsässischen Legenda aurea‹ bricht in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts ab, was nicht zuletzt daran gelegen haben dürfte, dass zu diesem Zeitpunkt massiv die Drucküberlieferung des zweiten großen Prosalegendars ›Der Heiligen Leben‹ (Nr. 74.9.) auch in den Straßburger Offizinen Einzug hielt.

Die Illustrationskonzepte der beiden Handschriftengruppen um den Cgm 6 (Nr. 74.7.7.) und den Cod. Pal. germ. 144 (Nr. 74.7.3.) unterscheiden sich elementar. Während im Münchner Codex (so auch Nr. 74.7.8. und Nr. 74.7.9.) in der gerahmten Form und der aufwendigen Technik einer detailgenauen Deckfarbenmalerei die Nähe zu den illustrierten lateinischen ›Legenda aurea‹-Handschriften unübersehbar ist – Williams/Williams-Krapp (1980, S. XV) gehen bei der Anlage des Werks davon aus, dass »sich der Straßburger Übersetzer wahrscheinlich streng an seine lateinische Vorlage« hielt – , vermitteln die Federzeichnungen in den drei Handschriften aus der Lauber-Werkstatt (Nr. 74.7.1., Nr. 74.7.2., Nr. 74.7.3.) den versierten Umgang des auf Effizienz ausgelegten Illustrationsvorgangs eines Werkstattbetriebs. Aus dieser Gruppe enthält Cod. Pal. germ. 144 den Gesamttext, ausgestattet mit 144 Federzeichnungen. Die beiden weiteren Handschriften aus verschiedenen Phasen der Lauber-Werkstatt überliefern nur Teile des Textes und damit weniger Illustrationen: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2° Cod 158 (Winterteil, 78 Illustrationen), zusammengehörig mit Augsburg, 2° Cod 159 (Sommerteil, ohne Illustrationen); Berlin, Ms. germ. fol. 495 (Legenden aus dem Winterteil und Sondergut-Legenden, 40 Illustrationen). Die Illustrationsprogramme und Ausführungen dieser Handschriften ähneln sich, sie weisen aber auch eine Reihe Unterschiede auf, die verschiedene Schwerpunkte erkennen lassen. Der auffälligste Unterschied liegt darin, dass teilweise für identische Legenden unterschiedliche Bildmotive ausgewählt wurden. Auch in der Ausführung lassen sich unterschiedliche Tendenzen erkennen. Während beispielsweise in der Augsburger Handschrift 2° Cod 158 (Nr. 74.7.1.) die Martyrien abgemildert gezeigt werden, werden im Cod. Pal. germ. 144 sowie im Berliner Codex Ms. germ. fol. 495 entsprechende Situationen drastisch dargestellt.

Die weiteren drei illustrierten Handschriften der ›Elsässischen Legenda aurea‹ bieten Verschiedenes: Für die Handschrift Linz, Oberösterreichisches Landesarchiv, Herrschaftsarchiv Steyr, Hs. 1559 (Nr. 74.7.5.) war ein umfangreiches Bildprogramm geplant, ablesbar an 67 Bildlücken unterschiedlicher Größe. Die Schreibschrift verweist auf die Herkunft aus dem bairisch-österreichischen Raum, was die Handschrift zu einem Ausnahmefall macht, liegt doch der Schwerpunkt der Überlieferung sonst im Südwesten. Der bei Williams/Williams-Krapp (1980, S. XVIII–XXIII) aufgeführte Handschriftenbestand führt keine Handschrift aus diesem Raum auf. Williams-Krapp (1986, S. 48) bezeichnet diese für Laien geschriebene Handschrift – Erstbesitzer war Petrus Schinner, ein ciues aus Hallstatt – als ›Überlieferungszufall‹. Im Karlsruher Codex St. Peter pap. 27 (Nr. 74.7.4.) sind nacheinander Teile aus ›Der Heiligen Leben‹ und der ›Elsässischen Legenda aurea‹ überliefert, beide ähnlich illustriert, wenn auch nicht von einem Maler. Ganz offensichtlich wurde hier bei der Illustrierung kein Unterschied zwischen den beiden Legendaren gemacht. Die Handschrift Luzern, Zentral- und Hochschulbibliothek, KB Msc 31 fol. (Nr. 74.7.6.) überliefert als einzige Initialschmuck zu den Legenden von Erzengel Michael und Katharina von Siena. Diese Handschrift war vermutlich für das Zisterzienserkloster Herrenalb bestimmt und wurde im Auftrag von Bernhard I. von Eberstein (1381–1440) und seiner Gemahlin Agnes von Vinstingen angefertigt, geschrieben von einem Schreiber, der bereits am Widmungsexemplar der ›Alexandreis‹ des Ulrich von Etzenbach für Bernhard I. von Eberstein zur Vermählung mit Agnes von Vinstingen beteiligt war (Nr. 3.2.2.).

Allen illustrierten Handschriften gemeinsam ist die Platzierung der Illustrationen am Beginn der Legende. Mit Hilfe des Registers, das häufig den teilweise sehr umfangreichen Texten vorangestellt ist, und der klaren Struktur durch die Eingangsposition der Illustrationen konnte sich der Leser hervorragend orientieren, unabhängig davon, ob er aus klösterlichem oder weltlichem Umfeld stammte. Untersuchungen zur Textgeschichte zeigen, dass die ›Elsässische Legenda aurea‹ ihre Leser vorwiegend bei adligen oder bürgerlichen Laien fand, aber auch in klösterlichem Gebrauch war. Die enorme Wirkkraft des Legendars zeigt sich wohl mit am eindrücklichsten am 10000-Ritter-Fenster im Berner Münster, an dem, wenn auch nur teilweise erhalten, sich die Einflüsse der ›Elsässischen Legenda aurea‹ im Medium der Glasmalerei zeigen (dazu ausführlich Kurmann-Schwarz [1992]).

Literatur zu den Illustrationen:

Rappl (2015); Williams-Krapp (2015) S. 97–107.