KdiH

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74.7.3. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 144

Bearbeitet von Kristina Freienhagen-Baumgardt

KdiH-Band 8

Datierung:

1419 (412v).

Lokalisierung:

Straßburg.

Besitzgeschichte:

Aus der Elsässischen Werkstatt von 1418. Die Handschrift ist vermutlich in Straßburg entstanden, worauf das Straßburger Stadtwappen auf 349r und 401v hinweist. Wie auch bei den anderen Handschriften aus der ›Elsässischen Werkstatt von 1418‹ ist nicht klar, wie sie nach Heidelberg gekommen ist. Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz (reg. 1410–1436) könnte sie erworben haben, der seit 1408 auch Unterlandvogt im Elsass war, aber auch adelige Familien, deren Wappen in anderen Codices der Werkstatt zu finden sind, könnten den Weg in die Bibliotheca Palatina bereitet haben.

Inhalt: 191 teilweise nur fragmentarisch erhaltene Texte aus der ›Elsässischen Legenda aurea‹. Neben dem Cgm 6 (Nr. 74.7.7.) die einzige illustrierte Handschrift, die den Winter- und Sommerteil in einem Band überliefert. Aufgrund von Textverlust am Anfang der Handschrift ist der Sommerteil unvollständig. Im Winterteil ist der Text stark gekürzt (Williams/Williams-Krapp [1980] S. LV).
1ra–412vb ›Elsässische Legenda aurea‹
H1 (Williams/Williams-Krapp [1980] S. XX); 1ra–2ra Inhaltsverzeichnis; Sommerteil Nr. 86, 89, 90, 101, 181, 182, 92–100, 102, 103, 105, 108, Sondergut Nr. 6 (Felicitas und ihre sieben Söhne), 109–187, 190; Winterteil, Register und Prolog (248ra–248vb), Legenden Nr. 1–85, Sondergut Nr. 3–5, 1, 183
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 426 Blätter (erste Lage fehlt, Textverlust), 390 × 272 mm (Bl. 1 und 3 abweichend), Bastarda, zwei Hände (I: 1ra–2ra; 248ra–248vb, II: 3ra–247va, 250ra–412vb: Johannes Ziegler [Dis geschach zuͦ Nicomedia etc. Anno domini millesimo quadragentisimo [!] xix etc. Johannes Ziegler 412vb]), zweispaltig, 27–28 Zeilen, rote Überschriften und Paragrafzeichen, rote Lombarden über eine bis drei Zeilen, wenige Cadellen, eine bewohnte Initiale (250ra, David mit der Harfe).

Schreibsprache:

unterelsässisch.

II. Bildausstattung:

172 kolorierte Federzeichnungen, nach Kautzsch (1896b, S. 290) von Zeichner A, nach Wegener (1927, S. 11) von Zeichner B, Saurma-Jeltsch (2001, Bd. 1, S. 26–29) weist die Illustrationen einer dritten Malergruppe zu, dabei ist die größere Anzahl der Stilvariante III B, die kleinere der Stilvariante III A zuzuordnen.

Format und Anordnung:

Ungerahmte Federzeichnungen (Blattangaben bei Zimmermann [2003] S. 317–319) aus der ›Elsässischen Werkstatt um 1418‹, halb- bis zweidrittelseitig, 249v ganzseitig, meist über beide Spalten. Die Illustrationen befinden sich jeweils unter der Überschrift zur Legende.

Bildaufbau und -ausführung:

249v eine ganzseitige Darstellung von Christus in der Mandorla mit ihn umgebenden Heiligen (ohne Attribute), was als bildliches Motto für den Winterteil verstanden werden kann. Rappl (2015, S. 144f.) interpretiert die Darstellung als »Incipit des Winterteils«. Die den Legenden zugeordneten Bildszenen bauen sich auf einem grünen, flächig gemalten Bodenstück auf, das als rahmendes Strukturelement verwendet wird (23r, 148v), je nach Bildmotiv entweder als gerader Untergrund, in Gefälle (97v), als kompakter Hintergrund (118r, 125v, 154v) oder auch rechts und links sich in Berge aufbauend. Das grüne Bodenstück wird als so konstitutiv aufgefasst, dass selbst bei Fluss- und Seeszenen unter dem Wasser grüner Bodengrund gesetzt ist (13r, 166v, 170r). Im Winterteil wird ab 390v dieses grüne Bodenstück teilweise von anderer Hand in langen Grasbüscheln gezeichnet (390v, 391v, 394r, 395v, 397r). Im Sommerteil wird in leicht wässrigen Farben gemalt, so dass die erste Schicht durchsichtig wirkt und dem Betrachter den Blick auf darunter liegende Schichten ermöglicht (105v, 200r). Es sind immer wieder Unterzeichnungen erkennbar, die auf den Entstehungsprozess hinweisen (41r, 43r, 46v, 70v, 92v, 93r, 95v, 125v, 127r, 135r, 142v, 157r, 161r, 265r, 320v, 330r, 343v, 354v, 374v, 379r, 387r, 391v, 395v, 397r). Die plastischen Modellierungen erfolgen durch verschieden starke Verdünnung der Farbe. Dies wird auch im Winterteil fortgeführt, hier wird jedoch die Farbe deckender aufgetragen. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der heiligen Person oder dem Hauptaspekt des dargestellten Feiertags, wobei auch in der Einbindung von Burgen, Schlössern, Gärten etc. Bildformeln entwickelt werden, deren Verwendung nicht auf Legendare beschränkt bleibt. Roland (2012, S. 459) bemerkt am Beispiel der Illustration der ersten Ulrich-Legende (13r), dass die in der Handschrift verwendeten Bildformeln eine Verbindung zwischen Zeitgeschichte, Ritterroman und Heiligenlegende herstellen (so auch Saurma-Jeltsch [2001] Bd. 1, S. 215; zu den Translationen von Ikonografie vgl. zuletzt Saurma-Jeltsch [2010]), die eine Unterscheidung der Genres teilweise kaum möglich macht. Es sind »Bildformeln, die selbst bei Heiligenviten […] ganz ähnlich aussehen. Nur mit detektivischem Blick kann der Betrachter den Nimbus des Heiligen erspähen […]« (Roland [2012] S. 459). Innenräume werden nicht dargestellt, selbst Betten stehen im Freien (105v, 157r, 297v, 299v) bzw. in nach außen verlegtem Raum (100v). Einmal wird der Raum nach außen geöffnet (380r) und gewährt dem Betrachter den Blick in die Kirche. Die Figurenzeichnung wirkt teilweise skizzenhaft. Die Köpfe sind klein, die Augen manchmal wie Höhlen (174r) oder auch schwarz aufgetupft (128r), modische Gewänder und Kopfbedeckungen mit üppigen Zaddeln und voluminösen Ärmeln werden gewählt, oft sehr phantasievoll gestaltet (Michael mit Pfauenfedern 135r, Engel mit Pfauenfedern 157r, immer wiederkehrend Scherge mit Zaddelhaube, die als Feder- oder Blätterkopfschmuck gestaltet ist 29r, 60r, 61v, 89v, 92v, 93r, 125v). Die Figuren in der Größe teilweise nach Bedeutung (übergroß 35r Christophorus, 22v Alexius, 61v Laurentius, daneben geradezu zwergenhaft der Helfer mit dem Blasebalg). Marterszenen teilweise sehr detailliert (82v Häutung des Bartholomäus, hier auch aufgetupfte Blutflecken), Blut in dicken Tropfen vor allem bei Enthauptungen, Blut spritzt bei Koloman (246r).

Bildthemen:

Bildthemenlisten bei Wegener (1927, S. 113–117), Saurma-Jeltsch (2001, Bd. 2, S. 55–58), Rappl (2015, S. 390–398; hier fehlerhaft Alexius 22v [richtig 20r], es fehlt Praxedis [22v]) sowie zu den einzelnen Illustrationen unter http://heidicon.ub.uni-heidelberg.de/pool/palatina/sig/germ.%20144. Bildthemen sind etwa in gleicher Aufteilung die Martyrien sowie die Szenen aus dem Leben der jeweiligen Heiligen oder zum Feiertag. Dabei auch häufig die Todesszene ohne Martyrium sowie die Aufnahme in den Himmel (z. B. 80v, 98v, 155v, 157r, 200v). Legenden zum Lokalheiligen Ulrich (Nr. 181), zu Kilian (Nr. 180) und Pantaleon (Nr. 183) erscheinen zweimal, jeweils illustriert, bei Ulrich unterschiedliche Szenen (13r Ulrich mit Rittern auf einer Brücke vor der Stadt, keine textliche Entsprechung in der ›Elsässischen Legenda aurea‹, aber mit den im Wasser schwimmenden Fischen und den Rittern motivische Anspielung auf wesentliche Teile der Legende [vgl. auch München, Cgm 751, 12r, Nr. 51.32.3.], 222v Ulrichs Seele wird von einem Engel in den Himmel aufgenommen), bei Kilian und Pantaleon in unterschiedlicher Darstellung die Todesszenen. Zur Doppelung der Legenden zuletzt Merten (2012b, S. 22f.).

Auch anderswo werden, wie bei Ulrich, die Motive für die Illustration nicht der Legende entnommen. Abweichend vom Legendentext zeigt die Illustration zu Papst Dionysius (157r) dessen friedlichen Tod im Bett, nicht seine Enthauptung. Christus neigt sich vom Kreuz herab zu Bernhard von Clairvaux und umfängt diesen mit seinen Armen (76r). Eine derartige Szene ist im Text nicht vorhanden. Ebenso fehlt im Text zu Matthias das Feuer, das unter dem Andreaskreuz brennt (327v). Das dargestellte Martyrium der Petronella – die Brüste werden abgeschnitten, als sie am Galgen hängt (385r) – wird sonst Christina von Bolsena zugeordnet und entsprechend in anderen Handschriften illustriert (vgl. Nr. 74.9.2. 202v, Nr. 74.7.7. 120v). Möglicherweise hat sich hier motivisch ein Teil der Illustration erhalten, die in der lateinischen ›Legenda-aurea‹-Handschrift die Legende von Petronella und Felicula illustriert (San Marino, The Huntington Library, HM 3027, 64v). Hier ist auf der linken Bildhälfte Petronella liegend im Bett gezeigt, das Martyrium von Felicula – ihr werden die Brüste abgeschnitten – füllt die rechte Bildhälfte aus. Bei Martha (41r) ist die Szene dargestellt, in der sie das Bild Christi (als Kreuz) in den Garten stellt, im Text fehlt dieses Element bis auf den aus dem Kontext gelösten Schlusssatz (Williams/Williams-Krapp [1980] S. 476, Z. 1–3). Damit weist die Illustration auch hier keinen Bezug zum Text auf. Manchmal bezieht sich das Bild auch auf einen anderen Heiligen als der Text: Statt Papst Stephan wird die Steinigung des Märtyrers Stephan (50v) gezeigt; Markus wird mit dem Ochsen das Symbol für Lukas zugeordnet (361v); statt Petrus Märtyrer wird der Apostel Petrus mit Schlüssel und Tiara (364v) dargestellt. Bei Felix II., Gegenpapst (40r), wird der Blick des Betrachters auf den Gehenkten am Galgen gelenkt, die Enthauptung von Felix – so im Text – ist an den linken Blattrand gerückt und wirkt sekundär. Bei Katharina von Alexandrien (208r) werden simultan verschiedene Stadien des Martyriums sowie die göttliche Zerstörung von zwei Rädern (nicht vier Räder wie im Text) gezeigt. Weitere Simultandarstellungen finden sich in den Legenden zu Jacobus intercisus (211v), Elisabeth von Thüringen (242v) und Philippus (366r). Die wörtliche Umsetzung des Textes zeigt hingegen die Illustration zu Timotheus (80v): Über dem Schloss schwebt wie eine Wolke die Krone (vgl. Williams/Williams-Krapp [1980] S. 543, Z. 4–6: Christus übergibt ihm die Krone).

Im Vergleich zu anderen Legendarhandschriften fällt auf, dass bei der Umsetzung der Bildthemen wiederkehrende Motive gewählt werden, die das Legendar leitmotivisch durchziehen: der Scherge mit der stark gezaddelten Kopfbedeckung (29r, 60r, 61v, 89v, 92v, 93r, 125v), die kleine Figur mit Blasebalg beim Martyrium durch Verbrennen (46v, 61v, 82v, 196r), immer wieder fliegt die Seele aus dem Mund (98v, 128r, 157r, 205v, 222v). »Völlig uninspiriert« (Williams-Krapp [2015] S. 103) wirken die immer wiederkehrenden Darstellungen von Bekennern wie Lupus, Kaiser Heinrich, Hilarius oder Basilius, die liegend im Bett (sterbend oder bereits gestorben) gezeigt werden. Um der Austauschbarkeit der Martyriendarstellungen entgegenzuwirken, werden die Attribute der Heiligen beigestellt (z. B. Pilgerrucksack des Jakob 31r, Weintrauben bei Sixtus 57r, Steine bei Stephan 50v). Bemerkenswert ist die ungewöhnliche Illustration zu Christophorus, der als Riese, kniend vor seinem Attribut, dem Baum, dargestellt wird. Er umklammert mit beiden Händen den Stamm, während ihn zwei Schergen mit einem Holzbrett enthaupten. Möglicherweise deutet diese recht ungewöhnliche Form der Enthauptung mit einem Holzbrett auf Christophorus als Schutzpatron der Zimmerleute hin (http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg144/0085/text_heidicon).

Farben:

Grün, Blau, Graublau, Rosé, Rot, Gelb, Braun.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 74: 13r. Ulrich reitet über die Wertach.

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Abb. 74.