KdiH

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74.7.7. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 6

Bearbeitet von Kristina Freienhagen-Baumgardt

KdiH-Band 8

Datierung:

1362 (210va).

Lokalisierung:

Vermutlich Elsass.

Besitzgeschichte:

Provenienz unbekannt. Möglicherweise ist der Codex in Straßburg entstanden. Nachdem die frühe Forschung den Codex, sowohl was den Text als auch was die Illustrationen betrifft, nach Bayern verortet hatte, besteht inzwischen kein Zweifel mehr daran, dass die Handschrift im Elsass entstanden ist (zur Forschungsgeschichte vgl. Aus der Werkstatt Diebold Laubers [2012] S. 3; kunsthistorische Zuordnung zuletzt Hamburger/Palmer [2015] S. 30; germanistische Einordnung zuletzt Rappl [2015] S. 101–103). 1822 wurde der Codex bei einem Buchbinder in Weißenhorn bei Ulm für die Königlich-Bayerische Hofbibliothek erworben.

Inhalt:
1ra–2ra Register
1. 2rb–210va ›Elsässische Legenda aurea‹
2. 211rb–251ra ›Elsässische Predigten‹
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 251 Blätter, ca. 376 × 266 mm, Textura, zwei Hände (I: 1ra–27rb, II: 27va–251ra, Miniator [?] Heinricus [198ra]), Haupthände auch als Korrekturhände tätig, Hand II wohl auch Rubrikator, 50 Zeilen, zweispaltig, rote Überschriften mit abwechselnd roten und blauen Initialen, die teilweise kunstvoll verziert sind (z. B. 2rb, 2va).

Schreibsprache:

unterelsässisch.

II. Bildausstattung:

178 mit Deckfarben kolorierte Miniaturen zu Text 1.

Format und Anordnung:

Die Miniaturen sind 17–18 Zeilen hoch, meist in der Breite eine dreiviertel Spalte umfassend, die ganze Spaltenbreite wird beansprucht bei Nr. 3, 10, 13, 81, 84, 85, 91, 101, 102, 104, 109, 116, 117, 119, fünf Freiräume (Nr. 32–36: 49va, 50ra, 50va, 51ra, 51va), jeweils vor oder nach den rubrizierten Tituli zu den Legenden, meist gerahmt. Keine Illustrationen sind vorgesehen für Nr. 1 (Advent), 106 (Abdon und Sennes), 177 (Kirchweih), 185 (Afra).

Bildaufbau und -ausführung:

An der Ausführung des Binnengrundes der Miniaturen lässt sich erkennen, dass der Cgm 6 an die Tradition der illustrierten lateinischen ›Legenda aurea‹-Handschriften anschließt. Die Binnenfläche ist in der Regel durch florale oder auch geometrische Ornamentik (Quadrat- und Rautenmuster, auch Doppelaxtmuster) in deckendem Farbauftrag unterlegt. Ähnlich auch in der wohl ältesten illustrierten lateinischen Handschrift der ›Legenda aurea‹ San Marino, The Huntington Library, HM 3027 aus dem 13. Jahrhundert (http://dpg.lib.berkeley.edu/webdb/dsheh/heh_brf?Description=&CallNumber=HM+3027) sowie im Clm 10177 (1320–1340), in dessen Tradition bezüglich Typus und der Anzahl der Illustrationen (179) der Cgm 6 gesehen werden kann. Das Schema der Darstellung einer Legendenszene vor der ornamental gestalteten Binnenfläche wird in der deutschsprachigen Handschrift nur selten variiert, so beispielsweise bei Kilian (200r), wo auf einfarbig grünem Hintergrund die Futterkrippe im Pferdestall die gesamte Abbildung horizontal zweiteilt, beim Martyrium der Agnes (39r), das auf einfarbig rotem Hintergrund gezeigt wird, oder in der Simultandarstellung bei Barnabas (101ra): In der unteren Bildhälfte ist dargestellt, wie der Heilige von einem Pferd geschleift wird, in der oberen, wie er verbrannt wird. Beide Elemente des Martyriums werden im Text genannt. Die Szenen spielen sich meist auf Felsplattformen ab, deren vordere Kante abgebrochen ist. Der Hintergrund ist wie eine Folie dahinter gehängt, auch die Rahmung ist nur für den hinteren Teil gesetzt (so beispielsweise 28v, 35va, 46r) oder wird ganz aufgegeben (97v). Besonders deutlich ist diese Auffassung des Rahmens auf Blatt 140v, wo der Vorhang des Binnenhintergrunds wie ein Paravant wirkt. Eine Rahmung, wie sie im Clm 10177 durchgängig angelegt ist, wird damit aufgelöst, ein vollständiger Rahmen ist nur bei sieben Illustrationen vorhanden (100v, 101r, 101v, 103v, 108r, 133r, 203r). Kompositorisch wird der Heilige häufig in die Mitte gesetzt, rechts und links gerahmt von den Schergen (10v, 17r, 37v, 39r, 55v, 56v, 69r), bei Predigtszenen befindet sich der Heilige auf der linken Seite (63r, 70r, 79v). Bis auf die Illustration zu Pfingsten (91v) und zur Lupus-Legende (97v) werden nur wenige Personen dargestellt (z. B. Mariä Himmelfahrt 140v vgl. Heidelberg, Cod. Pal. germ. 144, 70v; 162r Mauricius als einzelner Ritter zu Pferd in voller Rüstung mit Heiligenschein vgl. Cod. Pal. germ. 144, 123v hier Mauricius zusammen mit den Gesellen in Phantasierüstung). In der Darstellung der Rüstungen und der Heiligen zu Pferd (81v, 97v, 162r) lassen sich auch hier höfische Elemente erkennen, aufgrund deren Verwendung die Konturen der Gattungen verschwimmen (vgl. Roland [2012] zu Nr. 74.6.1.). Auch wenn, wie bereits Jerchel (1932, S. 44) festgestellt hat, häufig ein etwas unsauber gemalter Rand um den Bildgrund vorhanden ist, so sind die Illustrationen im Gesamten mit klarer Linienführung sorgfältig ausgeführt. Die Gesichter sind detailgenau individualisierend mit feinem Pinselstrich gezeichnet, ebenso Außenräume (keine Innenräume), Rüstungen (97v, 162r), Gebrauchsgegenstände wie die Blasebälge (136v, dieses Element auch in der lateinischen Überlieferung vgl. München, Clm 10177 31v, 36v) und Sitzmöbel (Gregor sitzend als Lehrer vor dem Schüler, hier unter der Sitzfläche ein kleines Bücherregal 63r) sowie die Folterwerkzeuge (z. B. die Dicke von Pech, Harz und Öl mit dickerem Strich genau erfasst 10v, Winde aus Holz 99r). Die zur Lupus-Legende (97v) weit über die Spaltenbegrenzung hinausgehende Darstellung der Stadt mit den perspektivisch erfassten, hintereinander geschobenen Häusern und Treppengiebeln ist in der Zeit innovativ und assoziiert eher die Stadtillustrationen in späten Historienbibeln (vgl. Hamburger/Palmer [2015] S. 33). Als innovativ betrachtet werden kann neben der Plastizität der zerklüfteten Felsen bei der Landschaftsdarstellung (vgl. von Heusinger [1954] S. 386) auch die akkurate Wiedergabe zeitgemäßer Kleidung wie Beckenhauben, kurze Schecken und Schnabelschuhe. Die aufgeblähten Oberkörper mit den kurzen Schecken sind zu der Zeit auch in französischen Handschriften anzutreffen (so z. B. Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. lat. 511, Abbildungen auch bei Hamburger [2015] S. 30, Hamburger/Palmer [2015] S. 251, Abb. 341), die von den Schergen getragenen Schnabelschuhe dienen als äußeres Zeichen einer verderbten Person. Zeitgenössische Stimmen wie Peter Suchenwirt (1320–1395) bezeichnen sie als »Nase des Bösen« (hierzu auch Schmidtke [1995] S. 332f.). In der drastischen Darstellung des gekreuzigten Christus mit den aufgetupften, fallenden Blutstropfen (72v) erkennt Hamburger (2015, S. 30f.) den Einfluss auf die Illustrierung des Gebetbuchs der Begerin (Bern, Burgerbibliothek, Cod. 801, Nr. 43.1.30.). Die Farben sind unvermischt aufgetragen, Hell-Dunkel-Effekte werden durch Einsatz von Deckweiß und Einbeziehung des Pergament-Untergrundes erzielt. Dabei sind die Violett-Passagen stärker laviert, flächig aufgetragen ist in kräftigem Ton Grün, aber auch Blau und Rot.

Bildthemen:

Bildthemenliste bei Barth (1934, S. 151–161) und Rappl (2015, S. 381–298). Fehler in den Überschriften: Athanasia/Theodora 84v (in der Überschrift: Antiochia, vermutlich ein Missverständnis aus dem Text: In dem lande zuͦ Anthiochia), Lambertus 160r (nicht Ambrosius, wie in der Überschrift), Illustration passend zum Martyrium des Lambertus. Williams-Krapp (2015, S. 97) hebt den außergewöhnlich engen Bezug zwischen dem Text und den Illustrationen hervor: »Heinricus oder der Hersteller seiner mittelbaren oder unmittelbaren Vorlage war entweder sehr kenntnisreich im Bereich hagiografischer Ikonografie oder machte sich stets die Mühe, die Texte, die er zu illustrieren hatte, genauer durchzulesen.« Bemerkenswert ist, dass in der Nikolaus-Legende Nikolaus das Gold aus dem Haus heraus den drei Jungfrauen reicht. Damit entspricht die Illustration nicht dem Text, nach dem Nikolaus heimlich das Gold in das Haus wirft (so auch in Nr. 74.7.1., 22r: hier der Turm zwischen Nikolaus und den Frauen). Es werden etwa zu gleichen Teilen die Martyrien sowie die Themen zu den Festtagen oder ikonografisch typische Szenen aus dem Leben der Heiligen abgebildet. Nur zur Lukas-Legende (163r) ist mit dem geflügelten Ochsen mit Spruchband Sanctus Lucas die symbolische Darstellung gewählt. Die Kirchenlehrer werden häufig in Frontalansicht mit entsprechenden Attributen gezeigt (z. B. Antonius als Mönch mit Buch und Schwein 36r; Petri Stuhlfeier, Petrus im Bischofsornat auf der Kathedra, mit Schlüssel, Segnungsgestus 60r; Benedikt als Ordensgründer bei Übergabe der Regel 67v; Ambrosius als Kirchenlehrer 79v). Einige Motive im Text werden bei der Illustrierung immer wieder aufgenommen: Die Seele als Kind (Basilius 41r, Rupertus 162v, Furseus 165v; vgl. zu dem Motiv Cod. Pal. germ. 144 [Nr. 74.7.3.]), Tiermotive (Löwen: Paulus von Theben 33r, Maria Aegyptiaca 78v, Ignatius 52r; Marcellus mit Hirtenhund und drei weidenden Schafen [Elemente nicht in der Legende] 35v, Remigius mit den Vögeln 33v).

Farben:

Schwarz, Weiß, Grau, Blau, Lila, Rosa, Orange, Rot, Gelb, Braun, Grün, Violett.

Literatur:

Petzet (1920) S. 11. – Barth (1934) S. 137–162; von Heusinger (1954) S. 385–389; Kunze (1970a) S. 268; Williams/Williams-Krapp (1980) S. LX–LXIV; Williams-Krapp (1986) S. 44; Schmidtke (1995) S. 331; Rappl (2015) S. 101–103; Williams-Krapp (2015) S. 97f., 106.

Abb. 78: 63ra. Gregor diktiert dem Schreiber.

Abb. 79: 81vb. Georg tötet den Drachen.

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Abb. 78.
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Abb. 79.