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39.18. Friedrich Meyer von Straßburg

Bearbeitet von Rainer Leng

KdiH-Band 4/2

Über Friedrich Meyer ist nur bekannt, daß er sich in einer seiner Handschriften als Straßburger Büchsenmeister und Zeugwart bezeichnet (München, Cgm 8143, 1r, siehe Nr. 39.18.3.). Seine ›Bichssenmeistery, Aüch von allerley schimpflichen vnd ernstlichen Feürwerckhen‹ ist in zwei umfangreicheren Handschriften sowie einigen daraus abgeleiteten Auszügen überliefert.

In der anonymen Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 8112 (siehe Nr. 39.18.2.) aus dem Jahr 1589 liegt ein erheblicher Teil der Texte und Illustrationen Meyers einige Jahre vor dem namentlich gezeichneten Cgm 8143 vor. Man kann den Codex im kleinen Querformat als Quelle bzw. Vorstufe oder persönliches Manual für die späteren repräsentativen Ausarbeitungen betrachten. Die 127 aquarellierten Federzeichnungen von Geschützen, Lust- und Kriegsfeuerwerken, zur Pulverbereitung und Belagerungstechnik sind trotz des kleinen Formats technisch und künstlerisch auf hohem Niveau. Einiges scheint – insbesondere aus dem Lustfeuerwerkteil – aus einer 1582 enstandenen großformatigen Handschrift seinem Berufskollegen Walter Litzelmann von Basel entlehnt zu sein (siehe Nr. 39.19.9.).

Von diesem Grundbestand ausgehend erarbeitete Friedrich Meyer in der Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 8143 (siehe Nr. 39.18.3.) im Jahr 1594 einen großformatigen Prachtcodex, der den Text- und Bildbestand des älteren Manuals aufgriff und erweiterte. Insgesamt 314 Illustrationen zeigen Werkstattszenen zur Salpeter- und Pulverbereitung, Lustfeuerwerk, Kriegsfeuerwerk und Bastionenbau in präziser, teils perspektivischer Zeichnung mit sorgfältiger Kolorierung und genauer Lichtsetzung. Wie der kleinere Cgm 8112 folgt der Aufbau dem Schema 1) grundlegende Bemerkungen zur Salpeter- und 2) zur Pulverbereitung, 3) Lustfeuerwerk und 4) Kriegsfeuerwerk, hier noch ergänzt um Einzelkapitel zum Bastionenbau, zu Befestigungen und zur Feldschlacht. Die Handschrift war mit Sicherheit zum fürstlichen Gebrauch bestimmt. Eine Widmung von der Hand Meyers liegt allerdings nicht vor bzw. wurde beseitigt, nachdem die Handschrift von Werner Graf von Tilly von Jaroslaus Smirzizki erbeutet und 1630 dem bayerischen Kurfürsten Maximilian I. (1623–1651) geschenkt wurde.

Während die zwei Münchener Handschriften, die beide gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstanden, den kompletten beruflichen Wissensschatz Meyers in jeweils einem Codex vereinigen, scheint er um bzw. nach der Wende zum 17. Jahrhundert den Plan gefaßt zu haben, einzelne Aspekte monographisch in wiederum großformatigen Prachtcodices aufzuarbeiten.

In der aus zwei einzelnen großformatigen Bänden bestehenden Handschrift Kassel, 2o Ms. math. 4 (siehe Nr. 39.18.1.) werden ohne Datierung und Verfassernennung einzig die mit 10 bzw. 13 Illustrationen versehenen Kapitel zur Salpeter- und die Pulverzubereitung präsentiert. Die aquarellierte Federzeichnungen zu einzelnen Geräten zeigen kunstvoll gestaltete Werkstattinterieurs mit Probentischen, Läuterbottichen, Destillieröfen, Laden, Mischtische oder Schüttelsiebe.

Die Abschnitte zum Lustfeuerwerk erscheinen erneut in der um 1600 entstandenen Handschrift Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Durlach 100 (da an der Grenze bzw. bereits im 17. Jahrhundert entstanden, wurde der Codex hier nicht aufgenommen; vgl. Leng [2002] Bd. 2, S. 174 f.). Im großen Folioformat und kostbarer Ausstattung sind hier die Anleitungen und Rezepte zur Lustfeuerwerkerei präsentiert. Besonders auffällig sind hier einige Illustrationen, die durch Aufklappen über die Grundzeichnung geklebter Blätter mit Totalansichten von Feuerwerksaufbauten Einsichten in die darunterliegende verdeckte Konstruktion liefern sowie die Wiedergaben von realen Feuerwerken samt Angaben zu Datum und Anlaß. Die Feuerwerkerei kehrt wieder in der Handschrift Berlin, Ms. germ. fol. 4 (datiert 1610, daher nicht mehr aufgenommen).

Eine ehemals Liechtensteiner Handschrift aus dem Jahr 1609 (Vaduz, Sammlung der Fürsten zu Liechtenstein, N 1–15, nach Kristeller 4 [1989] S. 316 verschollen) mit einem namentlich gezeichneten Werk Friedrich Meyers ist 2009 auf dem Buchmarkt aufgetaucht (Dr. Jörn Günther, Hamburg, vgl. Passion of Collecting. A Selection of Illuminated Manuscripts, Miniatures, Early Printed Books. Brochure No. 11. Dr. Jörn Günther 2009, Nr. 13). Sie enthält wiederum mit Rückgriffen auf die beiden älteren Münchener Codices eine monographischen Aufarbeitung des Feuerwerks im Krieg mit besonderem Schwerpunkt auf Bastionenbau und Petarden. Die großformatigen und sorgfältigen Illustrationen stammen möglicherweise aus dem selben Atelier wie Kassel, 2o Ms. math. 4 (siehe Nr. 39.18.1.).

Insgesamt ist das Werk Friedrich Meyers gekennzeichnet durch umfassende und systematische Behandlung aller Themen, die mit Feuerwerk und Artillerie im Krieg in Verbindung stehen, wobei den Aspekten Lustfeuerwerk, veränderten Anforderungen im Befestigungswesen und Artilleriegebrauch in der Feldschlacht deutlich mehr Aufmerksamkeit als in älteren Werken gilt. Die monographische Aufarbeitung einzelner Aspekte deutet auf eine zunehmende Spezialisierung. Die künstlerisch hochwertigen Illustrationen und kostbar ausgestatteten Prachtcodices verweisen auf fürstliche Empfänger und ein Bewußtsein für eine gesteigerte Bedeutung der Feuerwerkerei sowohl im Kontext höfischer Feste als auch im Kriegswesen.

Literatur zu den Illustrationen:

Karl Schneider: Zusammenstellung und Inhaltsangabe der artilleristischen Schriften und Werke in der Bibliothek Seiner Exzellenz des Herrn Feldzeugmeisters Ritter v. Hauslab. In: Mittheilungen über Gegenstände der Artillerie- und Kriegs-Wissenschaften. Hrsg. vom K. K. Arttillerie-Comité Wien 1868, S. 125–211; John. E. Moore: Building Set Pieces in Eighteenth-Century Rome: The Case of the Chinea. Memoirs of the American Academy in Rome 43/44 (1989/99), S. 218f. 224 f. 249. 251; Rainer Leng: Katharsis und Gewissensnot. Lustfeuerwerk und Kriegstechnik in den Schriften der Büchsenmeister. In: Feuer. Bonn 2001 (Schriftenreihe Forum 10. Elemente des Naturhaushalts 2), S. 523 (zu 39.18.2. und 39.18.3.); Rainer Leng: Ars belli. Deutsche taktische und kriegstechnische Bilderhandschriften und Traktate im 15. und 16. Jahrhundert. Bd. 1: Entstehung und Entwicklung. Wiesbaden 2002 (Imagines medii aevi 12), S. 358 ff.; Rainer Leng: Feuerwerk zu Ernst und Schimpf – Die spielerische Anwendung der Pyrotechnik im Lustfeuerwerk. In: Homo faber ludens. Geschichten zu Wechselbeziehungen von Technik und Spiel. Hrsg. von Stefan Poser / Karin Zachmann. Frankfurt am Main 2003, S. 94 f. 108 (zu 39.18.2. und 39.18.3.); Passion of Collecting. A Selection of Illuminated Manuscripts, Miniatures, Early Printed Books. Brochure No. 11. Dr. Jörn Günther 2009, Nr. 13.