3. Alexander der Große
Bearbeitet von Norbert H. Ott
KdiH-Band 1
Die Stoffgruppe Alexander mit insgesamt dreizehn Handschriften und acht Drucken umfaßt in drei Textgruppen die Fassungen Rudolfs von Ems (Nr. 3.1.), Ulrichs von Etzenbach (Nr. 3.2.) und Johannes Hartliebs (Nr. 3.3.). Rudolfs ›Alexander‹ ist in zwei illustrierten Handschriften aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts überliefert, beide aus der Werkstatt des Diebold Lauber in Hagenau. Die 45 Federzeichnungen des Brüsseler ms. 18 232 (Nr. 3.1.1.) werden dem Zeichner A der Werkstatt zugeschrieben, worunter sich wohl eine Malergruppe verbirgt; die Deckfarbeninitiale und die beiden Titelminiaturen des Cgm 203 könnten der »Werkstatt von 1418« angehören. Nach der Art ihrer Ausstattung repräsentieren diese Manuskripte zwei grundsätzliche Möglichkeiten spätmittelalterlicher Werkstattproduktion: auf der einen Seite den reichillustrierten Codex, dessen zahlreiche Kampf- und Dialogszenen wegen des nur wenig spezifischen Textbezugs der Bildtypen auch – wie im Werkstattzusammenhang geschehen – verfügbar für die Bebilderung vieler anderer Texte waren, auf der anderen Seite die noch stärker in ältere Ausstattungstraditionen eingebundene Handschrift mit Einleitungsinitiale und Titelminiatur, jedoch gänzlich ohne illustrativen Bezug auf den Text: die Darstellung der Belagerung und Verteidigung einer Burg 1v könnte einer Fülle von Texten voranstehen, ebenso wie das aus antiken Vorbildern abgeleitete Autorenbild 2r.
Wie die Codices der Rudolfschen Version des Stoffs stammen auch die fünf illustrierten Handschriften der Prosabearbeitung Johannes Hartliebs aus dem 15. Jahrhundert, kurz nach der Jahrhundertmitte (datiert zwischen 1454 und 1461). Dem Original am nächsten steht die einzige Pergamenthandschrift, der St. Galler Cod. 625 von 1454, ohne Bilder, aber mit prächtigen Initialen und Randleisten ausgestattet, von Hartliebs Gönner selbst, Herzog Albrecht III., für den Münchner Herzogshof in Auftrag gegeben. Die anderen vier sind schwäbischen, wohl Augsburgischen, Ursprungs. Ein Manuskript (Cgm 338: Nr. 3.3.2.) enthält 27 ausgesparte Bildräume; Zahl und Orte der Bildlücken lassen darauf schließen, daß auch der für diese Handschrift vorgesehene Zyklus den Illustrationen der drei übrigen Bilderhandschriften recht nahe gekommen wäre.
Einen Sonderfall in der Alexander-Ikonographie bildet die Fassung des Ulrich von Etzenbach. Nur zwei der sechs in den Katalog aufgenommenen Handschriften enthalten einen Bilderzyklus, und zwar sind dies keine genuinen ›Alexander‹-Codices, sondern solche der Weltchronik des Heinrich von München, in die umfangreiche Passagen aus Ulrichs Text inseriert worden sind, (Cgm 7377: Nr. 3.2.3.; Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 1.5.2 Aug. 2o: Nr. 3.2.5.). Handschriften, die nur Ulrichs Text – in zehn oder elf Büchern – überliefern (Basel, Universitätsbibliothek, E II 2: Nr. 3.2.1.; Frankfurt a. M., Stadt- und Universitätsbibliothek, Ms. germ. qu. 4: Nr. 3.2.2.; Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. poet. et phil. 2o 34: Nr. 3.2.4.; Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 2.1 Aug. 2o: Nr. 3.2.6.), sind hingegen nur mit Initialornamenten geschmückt. Somit liegt ein deutscher Illustrationszyklus des Alexanderstoffs zuerst in den Weltchronik-Handschriften vor. Zu fragen wäre, ob diese erste eine bestimmte deutsche Textfassung illustrierende Bilderfolge eigens für diesen Zusammenhang entwickelt wurde – möglicherweise angeregt von den Illustrationen der Alexander-Passagen in früheren Chroniken, etwa der des Jansen Enikel oder der ›Sächsischen Weltchronik‹ –, während die übrigen deutschen Handschriften dieses Stoffs noch mit Initialornamentik ausgestattet waren. Die Bebilderung reiner Alexander-Handschriften in Deutschland (Rudolf und Hartlieb) immerhin setzt erst im 15. Jahrhundert ein, obschon eine außerhandschriftliche Alexander-Ikonographie – auch in Deutschland (z. B. Remagen, romanisches Portal) – schon seit dem 12. Jahrhundert existiert. Doch auch im 15. Jahrhundert ist neben den neu entwickelten Bilderfolgen des Stoffs die ›Alexander‹-Handschrift mit Initialornamentik möglich: Der St. Galler Codex von Hartliebs ›Alexander‹ (Stiftsbibliothek, Cod. 625: Nr. 3.3.5.) und die Rudolf-Handschrift Cgm 203 (Nr. 3.1.2.) mit der Eingangsinitiale jedenfalls scheinen den Typ der initialornamentierten Ulrich-Handschriften des 14. Jahrhunderts weiterzuführen – auch die Frankfurter ›Alexandreis‹-Handschrift schließt sich diesem Vorbild an –, während alle andern dem Typ mit zyklischen Illustrationen folgen, die für diesen Stoff zunächst im Rahmen der Weltchronik-Ikonographie vorbereitet wurden.
D. J. A.
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