37.1.9. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 314
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 4/1
Um 1443–1447 (Text 1 möglicherweise vor 1443).
Augsburg.
Bis mindestens 1449 (Eintrag 200v) in der Bibliothek des Sigismund Gossembrot (1417–1493; zu ihm
4*r | Nachtrag Gossembrots: Verzeichnis der Bücher, die bei Diepold Lauber in Hagenau erhältlich sind | |
16*r | Nachtrag Gossembrots: deutsche Rätsel, lateinische Zoten | |
1. | 1ra–50rb |
Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹
Hs. H2 |
2. | 50va–103r |
Kleinepiksammlung
darin: 66rb–70ra ›Disticha Catonis‹, deutsch; 55va–62va, 70rb–71va, 74va–76vb, 82ra–94rb Sprüche aus Freidanks ›Bescheidenheit‹ ( Bestand und Reihenfolge in Teilen übereinstimmend mit Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 104 und Heidelberg, Cod. Pal. germ. 341; vgl. im einzelnen |
3. | 105ra–161vb |
›Dietrichs Flucht‹
Kurzfassung *PA |
4. | 162ra–197vb |
›Die Rabenschlacht‹
Hs. P |
200*v | Nachtrag Gossembrots: Notizen über gegenseitige Buchausleihen zwischen Sigismund Gossembrot und Friedrich Rabsakstainer, Gerichtsschreiber in Rain bei Augsburg, 1449 |
Papier, 249 Blätter (dazu vorn und hinten je ein neues Vorsatzblatt), als verbindlich gilt die Foliierung des Buchblocks aus dem 17. Jahrhunderts 1–197 (65 doppelt vergeben: 65 und 65a; ausgelassen sind die beschriebenen Blätter 4* und 16* sowie die modern gezählten, unbeschriebenen Blätter 1*, 1**, 2*–3*, 5*–15*, 56a*, 94a*, 103a*–103y*, 198*–204*), 285–288 × 206–210 mm, zweispaltig, mehrere (
schwäbisch.
Zu Text 1 90 kolorierte Federzeichnungen (Blattangaben siehe S. 200–205). Freiräume innerhalb der von verschiedenen Schreibern angelegten Kleinepiksammlung (z. B. 50vb, 51rb, 52ra, 52va–b, 53va, 54rb etc., v. a. 81v) dürften kaum zur Aufnahme von Zeichnungen gedacht gewesen sein. 104v Federzeichnung eines Taubenschlags (wie 12vb), 200*v Federzeichnung eines Daches mit zwei Fahnen.
spaltenbreite Bildräume unterschiedlicher Höhe; anfangs Unsicherheiten in der Text-Bild-Zuordnung, die Bilder zunächst am Ende der Fabel, ab 6r jedoch zu Beginn jeder Fabel, stellenweise im Text der Fabel (31va: das Bildmotiv, das sonst als zweite Illustration zur Fabel von Frau und Dieb eingesetzt wird, ist auch hier nicht am Fabelbeginn, sondern in den Text plaziert). Der nachfolgende Text gelegentlich mit deutlich erkennbar abgegrenztem Freiraum für einzusetzende Überschrift.
Die Bildanlage hält sich an den vorgezeichneten Schriftspiegel, die untere Bildbegrenzung wird ggf. durch eine flüchtig gezogene horizontale Linie angegeben. Protagonisten agieren auf einem meist seitlich ansteigenden, mit schlichten Gräsern, drei- oder vierblättrigen Blumen oder Laubbäumen mit horizontal gekritzelten Kronen bestückten, flächig olivbraun lavierten Bodenstück, ohne perspektivische Ansprüche einfach neben- oder übereinander angeordnet. Keine Innenraumdarstellungen, weitgehender Verzicht auf Assistenzfiguren und narrative Requisiten. Ohne Hintergrund oder auch nur Himmelsstreifen.
Entstanden vermutlich in den dreißiger Jahren, weist der Zyklus typische Merkmale des Augsburger Stils im frühen 15. Jahrhundert auf: lebendiger, fahriger Zeichenstil, der, so
Tiere gelegentlich durch Attribute vermenschlicht: 16vb (Nr. 35 [Wolf, Schaf und Hirsch]) Wolf mit Lilienzepter, 22rb (Nr. 44 [Streit der Tiere und Vögel]) Affe aufrecht, setzt Fanfare mit Banner an (Fahnenbild brauner Schrägbalken auf Weiß); Löwe manchmal heraldisch, ebenso Adler (v. a. 22rb). Der Richter 2vb (Nr. 7 [Hund und Schaf]) als aufrecht sitzendes, königlich gekleidetes Tier unklarer Gattung.
Zu Beginn ist der Zyklus verwirrt (siehe oben Format und Anordnung), das Bild zur Eingangsfabel (Nr. 2 [Affe und Nuß]) fehlt zum entsprechenden Text und wird erst 2rb (zwischen Fabel Nr. 6 und 7) nachgeholt. – Mit Ausnahme der Sequenz zu Nr. 52 (Mann, Sohn und Esel) ist nahezu durchgängig eine 1:1–Illustration angestrebt. Dieses Prinzip wird nur zweimal gebrochen: Daß 5vb die Fabel Nr. 11 (Wolf und Kranich) mit zwei Bildern bedacht wird, ist auf den Versuch zurückzuführen, die »richtige« Plazierung der Bilder (zu Fabelbeginn) wiederherzustellen. Nur Fabel Nr. 37 (Fuchs und Storch) wird wie nahezu generell mit zwei Bildern illustriert (17vb/18ra). Kontinuierende oder Simultandarstellungen allenfalls 25ra zu Nr. 48 (Fieber und Floh): Kirchlein im Hintergrund, seitlich davon Fieber in Affengestalt zu einem Baum gewandt, unter dem der übergroße Floh hockt, im Vordergrund im Fluß waschende Frau; einziges Bild mit integriertem Spruchband, das aber unbeschriftet bleibt.
Kaum über den Text hinausweisende Akzentuierungen; zur Fabel Nr. 60 (Magen und Glieder) 33ra etwa die sehr wenig pointierte Darstellung eines auf einem Stuhl sitzenden Mannes, bei dem die durch die Sitzhaltung als reglos gekennzeichneten Arme und Beine sowie die Leibesfülle allenfalls schwach auf das im Text besprochene Verhältnis von Magen und Gliedern hinweisen (vgl. dagegen die erweiterte Fassung in Augsburg, I.3.2o3 [siehe Nr. 37.1.1.]). Aus unklarem Grund 45ra zu Fabel Nr. 86 (Tanne und Dornbusch) abweichend vom Text anstelle eines Nadelbaumes eine Palme (wie auch in Wolfenbüttel 69.12. Aug. 2o [siehe Nr. 37.1.22.] und im Bamberger Druck [siehe Nr. 37.1.a.]), hier sogar mit Früchten (Kokosnüssen).
Olivgrün und -braun, Graublau, Rotbraun, Grau, mattes Rosa.
Abb. 91: 22rb. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: Affe mit Fanfare und heraldischer Adler, dazu weitere Tiere (Fabel 44. Streit der Tiere und Vögel).