KdiH

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37.1.1. Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.3.2º 3

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

1449 (275r).

Lokalisierung:

Augsburg oder Umgebung.

Besitzgeschichte:

Seit spätestens 1462 im Besitz des Grafen Wilhelm von Öttingen († 1467), der u. U. der Auftraggeber war (vgl. den Besitzeintrag Iv: Grauff wilhalm von oͤttingen sowie das Bücherverzeichnis von Graf Wilhelm von 1462 in MBK III, S. 157. 161). Die in älterer Literatur vermutete Anfertigung im Zisterzienserinnenkloster Kirchheim oder im Zisterzienserkloster Kaisheim (zusammenfassend Schweitzer [1993] S. 257) läßt sich nicht belegen. 1980 mit dem Ankauf der Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek durch den Freistaat Bayern in die Universitätsbibliothek Augsburg gelangt.

Inhalt:
1. 1r–98v Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹

Hs. A (Bestandsklasse III)

2. 100r–263v ›Des Teufels Netz‹

Hs. C (Friebertshäuser [siehe unten: Literatur])

3. 264r–275r ›Sibyllen Buch‹ (›Sibyllenweissagung‹)

Hs. Wa (Neske [siehe unten: Literatur])

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, III + 274 + II Blätter (moderne Foliierung, springt von 165 auf 167; mehrfach verbunden zwischen 1 und 12 [richtige Blattfolge: 1, 4–11, 2–3, 12], zwischen 52 und 57 [richtige Blattfolge: 52, 56, 54–55, 53, 57], zwischen 65 und 67 [richtige Blattfolge: 65, 67, 66]; Vorsatzblätter aus dem 18. Jahrhundert; unbeschrieben: 99r–v, 275v), 280 × 205 mm, einspaltig, abgesetzte Verse, 28–34 Zeilen, eine Haupthand, Bastarda (275r: vnd ist ausz geschriben worden an dem nechsten Sampstag nach der beschneidung vnsers herren Anno etc xxxxviiij), von einer Nachtragshand nur 192r–v, rote Überschriften, Initialen über zwei Zeilen, Strichelung der Versanfänge.

Schreibsprache:

schwäbisch (Schneider: ostschwäbisch).

II. Bildausstattung:

100 kolorierte Federzeichnungen zu Text 1 (Blattangaben siehe Einleitung zur Untergruppe 37.1.); eine Hand.

Format und Anordnung:

in der Regel vor dem Textbeginn der zugehörigen Fabel; Ausnahmen aus Raumzwängen oder bei mehreren Bildern zu einem Text. Die Höhe nimmt ca. 1/4 bis 1/3 der Seitenhöhe ein, linksseitig ist der Bildraum meist bündig mit dem Schriftspiegel (Ausnahme z. B. 89r), vor allem rechtsseitig und wenn die Seite mit einem Bild endet, greift er oft bis auf die Randstege aus. Dreiseitig in einfache Linie eingefaßt, die aber offensichtlich erst im Laufe des Arbeitsprozesses einer zunächst rahmenlos gedachten Komposition beigefügt wurde (ungerahmt blieb 16v, Fabel Nr. 19 [Alt gewordener Löwe]). Besonders markant der obere Bildabschluß als Bogen oder Doppelbogen, der sich der Bildkomposition anpaßt. Nach unten ist das Bildfeld meist offen und stößt unmittelbar auf den Textanfang. Überschriften oder Bildtitel nicht vorgesehen. Gelegentlich weitet der Zeichner auch die Bildhöhe über das vorgegebene Format hinaus aus, so daß Text und Bild geringfügig ineinander greifen (8v, 11v, 21v, 87r, 90v) und den Eindruck einer gewissen Raumnot aufkommen lassen.

Bildaufbau und -ausführung:

klare, geschlossene Bildkompositionen auf ein Bildzentrum hin, in das die Fabelprotagonisten plaziert sind. Landschafts- und Architekturkulissen (letztere meist in bilddiagonaler Schrägstellung) sind nur angedeutet und werden zudem, wie auch Assistenzfiguren, oft von den Rahmenlinien überschnitten. Protagonisten nehmen meist die volle Bildhöhe ein, agieren auf vorderer Bildebene, stehen auf einem ockergrün bis dunkelgrün lavierten, gelegentlich mit Kräutern besetzten Bodenstück, das im unteren Drittel der Bildhöhe in sich verdichtender Farbgebung den Horizont erreicht. Der obere Rahmenbogen gefüllt mit nach oben intensiver werdendem Himmelsblau. Keine Innenraumdarstellungen. 22v und 66v zeigen die Handlungsorte in Draufsicht: (Nr. 25 [Königswahl der Frösche] Wassertümpel mit Baumstamm und Fröschen, am Ufer den Storch; Nr. 65 [Krebs und sein Sohn] Wassertümpel, an dessen Ufer die beiden Krebse).

Markante Figurenbildung, Körperlichkeit wird durch feine Strichelung entlang der holzschnitthaft klaren Konturen und durch sorgfältig abgestufte Farbschattierungen auf durchscheinendem Papiergrund plastisch herausgearbeitet. Charakteristisch für die Figurenzeichnung sind raumgreifende Bewegungen und an Naturbeobachtung geschulte Authentizität der Körperphysiognomien, dabei eine besondere, manchmal überzogene Betonung gestischer Ausdruckskraft. Für menschliche Figuren kann der Zeichner offenbar aus einem Repertoire schulmäßig standardisierter, manchmal überzogen wirkender Haltungstypen schöpfen (Sitz-, Knie-, Stand- und Schreithaltungen, auch Kampfhaltungen: 67r u. ö.). Durch versatzstückhafte Beigabe charakteristischer Kleidungsdetails werden die Figuren scheinbar individualisiert. Zur Fabel Nr. 24 (Königswahl der Athener) etwa stellt der Zeichner dem König drei typisierte Vertreter des Volkes gegenüber: einen vollbärtigen Mann in langer Schaube, die Mütze in der Hand, ein Mann in knielangem gegürteten Rock mit Beinschlitzen und mit Krempenbarett, der durch seine stark gestikulierende Haltung als Sprecher der Gruppe gekennzeichnet wird, eine Frau in langem weiten Übergewand mit lockerem Gebende (21v). Auch in der Tierzeichnung sehr starke Betonung der Körpergebärden (am häufigsten Halswendungen des im Gehen zurückblickenden Tieres: 50v, 51v u. ö.). Tiere haben, wo es um höfische Gattungen geht, gelegentlich heraldische Züge (44r Löwe), anthropomorphe Züge fallen dagegen unbeholfen (1r Affe, 31r: Wolf als Richter, 81r prahlender Affe).

Bildthemen:

Jeder der 84 Fabeln ist mindestens ein Bild zugeordnet; ob das Erreichen der Idealzahl 100 bei einer Gesamtzahl der Bilder intendiert ist, bleibt unklar. Zu Fabel Nr. 58 (Drei Römische Witwen) bietet das dritte Bild nur eine gespiegelte Kopie des zweiten Bildes (61r, 61v). Charakteristisch ist die Zuspitzung jedes Einzelbildes auf ein Handlungs- oder Argumentationsmoment, daher wird auf kontinuierende Darstellung mehrerer Szenen innerhalb eines Bildes nahezu völlig verzichtet (Ausnahmen: 5v Frosch und Maus, 56r Mann, Sohn und Esel). Im subtilen Einsatz der Gebärdensprache werden insbesondere in Fabeln mit menschlichen Protagonisten deren im Fabeltext thematisierte Wesenseigenschaften herausgearbeitet (82r Gier des Mannes, 83r Eitelkeit des Pfaffen), dabei kommt es auch zu individuellen Auslegungen der Fabelstoffe im Bild. Zur Fabel vom Magen und den Gliedern (Nr. 60) zeigt das Bild nicht einen auf dem Krankenbett Liegenden (wie sonst üblich), sondern einen beleibten, untätig am Tisch sitzenden Mann, dem ein alter Mann gegenübertritt, der aus nach unten geöffneten Händen offenbar demonstrativ das nun am Boden verstreute Werkzeug (Hammer, Axt, zwei Meißel) fallen gelassen hat: »Der Knecht kündigt dem Herrn den Dienst auf« (Peil [1985] S. 157; ähnlich, jedoch ohne die Andeutung einer Auslegung auf das Herr-Knecht-Verhältnis, nur in Wien, Cod. 2933 [Nr. 37.1.19.], 58v). Zur Fabel Nr. 61 (Jude und Schenk) ist im zweiten Bild nicht (wie sonst üblich) die Tafelszene dargestellt, sondern die Vorbereitung des Schenken auf seinen Tod am Galgen (der Galgentod sonst allenfalls als drittes Bild zur Fabel: München, Cgm 3974 [Nr. 37.1.15.], 184r unten, sowie Heidelberg, Cod. Pal. germ. 794 [Nr. 37.1.10.], 47r), wobei ein durch seinen langen Kapuzenmantel als Mönch charakterisierter Mann auf den gefesselt am Boden sitzenden Schenken einredet, wohl um ihn zur Reue vor dem Tod zu bewegen (64r).

Farben:

vorwiegend Rost- und Braun- sowie Grün- und Olivtöne, dazu Blau, selten leuchtendes Rot.

Literatur:

Schneider (1988) S. 42 f., Abb. 3 (14r). – Gudrun Friebertshäuser: Untersuchungen zu ›Des Teufels Segi‹. Diss. Freiburg i. Br. 1966, S. 25–29 u. ö.; Fouquet (1972) S. 11, Abb. 8 (43r);. Ingeborg Neske: Die spätmittelalterliche deutsche Sibyllenweissagung. Untersuchung und Edition. Göppingen 1985 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 438), S. 113 f. 196 f.; Peil (1985) S. 157, Abb. 19 (62v); Wertvolle Handschriften und Einbände aus der ehemaligen Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek [Ausst.Kat. Augsburg 1987]. Hrsg. von Rudolf Frankenberger und Paul Berthold Rupp. Wiesbaden 1987, S. 87–89, Nr. 24, Abb. S. 88 (89r); Bodemann/Dicke (1988) S. 429 u. ö.); Peil (1990) pass., Abb. 57 (81r); Von der Augsburger Bibelhandschrift zu Bertolt Brecht (1991) S. 124 f., Nr. V,3 (Christoph Roth), Abb. S. 122–123 (32v–33r); Schweitzer (1993) S. 256 f.; Hans-Joachim Ziegeler: Kleinepik im spätmittelalterlichen Augsburg – Autoren und Sammlertätigkeit. In: Janota/Williams-Krapp (1995), S. 308–329, hier S. 315; Häussermann (2008) S. 34, Abb. 12 (79r); Ulrich Boner. Der Edelstein (Universitätsbibliothek Augsburg, Cod. I.3.2o 3). Farbmikrofiche-Edition. Mit einem Anhang: Des Teufels Netz – Sibyllenweissagung. Monochrome Mikrofiche-Edition. Kodikologische und kunsthistorische Beschreibung von Ulrike Bodemann. München 1987 (Codices illuminati medii aevi 7) (Mikroficheedition).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XVII: 21v. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: König mit drei Untergebenen (Fabel 24. Königswahl der Athener).

Abb. 92: 90v. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: Drei Jünglinge am Bett eines Sterbenden (Fabel 89. Esel und drei Brüder).

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Taf. XVII.
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Abb. 92.