KdiH

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37.1.19. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2933

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

Um 1470–1480.

Lokalisierung:

Pfalz/Mittelrhein?

Besitzgeschichte:

Auf einen frühen Vorbesitzer könnte der mehrfach auftretende Namenseintrag Otto Kolb deuten (24r, 26r, 34v u. ö.; 52v wird in einer Zeichnung ein Mann mit kolb bezeichnet). – Menhardt 1 (1960) vermutet die Herkunft der Handschrift aus der Bibliothek des aus dem Elsaß stammenden, für Maximilian II. tätigen Diplomaten Kaspar von Niedbruck (1525–1557) und ihre Identität mit der im Blothius-Katalog von 1597 unter der Nummer P 4477 genannten, ursprünglich mit mehreren Drucken zusammengebundenen Handschrift. 1r Exlibris-Eintrag durch Peter Lambeck Ex Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensis CCLII; neuer Pergamenteinband der Hofbibliothek von 1753 mit Signet Gerards van Swieten 17. G.L.B.V.S.B.53 (Gerardus Liber Baro Van Swieten Bibliothecarius).

Inhalt:
1. 1r–101v Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹

Hs. Wi [Pfeiffer: H] (Bestandsklasse IIa)

102ra–va Register

2. 103r–104r Johannes Hartlieb, Onomatomantie, Auszug

Erläuterung zu dem Zirkel 103v, der aber nicht ausgeführt ist: Wiltu wissen wan czwene kemphen sollen wilcher da gewunnen sal Adder wiltu wissen czuschen czweien ee luden wilch daz ander vber lewen sal so nym der lude name …

3. 104r–106r Vier Liebesbriefe

Brandis (1968) Nr. 181–184; sonst nicht überliefert

dazwischen Notizen: 104r 1 Johannes 2 Catharina; 104v Berechnungen Sebenczenn brode ist eyn meste (?) Eeiner der veruel verdynet dusent …, darunter Zeichenübungen, 105v Liste männlicher Namen (Teilnehmer- oder Mitgliederliste)

4. 106v Schreib- und Zeichenübungen
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 106 frühneuzeitlich gezählte von ursprünglich 122 Blättern (fehlende Blätter vor Blatt 1, 3, 4, 5, 8, 10, 16, 20, 24, 30, 50, 58, 59, 50, 63, zu Beginn einige der erhaltenen Blätter verbunden), dazu zwei Vorsatzblätter, Text 1 einspaltig (Register 102r–v zweispaltig), 21–29 Zeilen, nachlässige Bastarda, ein Schreiber, rote Lombarden über zwei bis vier Zeilen, rot gestrichelte Versanfänge, Überschriften, anfangs auch die ersten zwei Verse jeder Fabel mit fahrig gezogenen Federstrichen eingefaßt, zahlreiche Korrekturen und nachgetragene Verse; Text 2 wohl von demselben Schreiber, Text 3 von einem oder zwei weiteren Schreibern. Die ganze Handschrift ist schmuddelig bis schmutzig, Defekte alt repariert.

Schreibsprache:

rheinfränkisch.

II. Bildausstattung:

86 von ursprünglich ca. 104 kolorierten Federzeichnungen erhalten (Blattangaben siehe S. 200–205), Blattverluste siehe unter I. Wohl ein Zeichner (identisch mit dem Schreiber?).

Format und Anordnung:

In Text 1 Zeichnungen mit Bildüberschriften, die zugleich als Fabelüberschriften fungieren, in der Regel zu Beginn jedes Textes, gelegentlich (z. T. mitsamt der Überschrift) zwischen dem Text (4r, 15v, 34v, 37v, 42r, 58r, 60v), ausnahmsweise auf den unteren Randsteg ausgreifend (v. a. 23r, 50v); manchmal sind zusätzliche Motive (von Zeichner- und Benutzerhänden) aber auch einfach in den Text hinein gezeichnet worden (21v, 27r, 64r). Der Schriftspiegel ist oft durch Zwischenlinien in Text- und Bildfelder unterteilt, die Zeichnungen halten sich nur annähernd an diese Begrenzung.

Zu Text 2 nicht ausgeführter Zirkel 103v. 104v autonome (nicht gänzlich ausgeführte) Zeichnung ohne Textbezug: die Heiligen Drei Könige huldigen Maria und dem Kind.

Bildaufbau und -ausführung:

sehr dilettantische Zeichnungen, offenbar vom Schreiber/Rubrikator selbst angefertigt (Orangerot: dieselbe Tinte wie für Rubrum). Figuren verzerrt und unproportioniert, auf angedeutetem Bodenstück, das oft mit Streublumen und -gräsern bedeckt wurde. Trotz der Schlichtheit punktuell mit Detailfreude ausgeführt: unterschiedliche Blattformen, Architekturteile u. a. von (zeitgenössischen?) Benutzern noch dilettantischer und offenbar in mehreren Schichten nachgearbeitet (mit schwarzer Tinte und roter Farbe).

Wohl von Benutzerhänden stammen die folgenden Bildeinträge: manchmal lateinische Benennungen der Protagonisten in den Illustrationen, z. B. 28r lupus, 61v canis; in der Fabel von Vater, Sohn und Esel sind in den Illustrationen die Protagonisten beschriftet, der Sohn: veller, der Vater mercator mi:(nu:?), auch die Personen, die das Handeln von Vater und Sohn kritisieren (52v wird ein Mann mit kolb bezeichnet [siehe oben], alles übrige unleserlich). Unklar bleibt auch Blatt 4r ein Monogramm im Schriftband: Z.V.E.I.B.N.M., ferner 9v ein seltsames Zeichen im Bild (zwei sich gegenüberstehende Doppelangelhaken).

Bildthemen:

Bei allem Dilettantismus kennt der Zeichner sehr wohl das gängige Themenspektrum der Fabelillustration. Bei allen standardmäßig durch ein Bildpaar illustrierten Fabeln wählt auch er zwei Motive. Fehlerhafte oder ungenaue Zuordnungen werden in der zweiten Hälfte der Sammlung häufiger: Blatt 55r zu Fabel Nr. 53 (Geschundener Esel) zusätzlich zum Hauptmotiv 54r (die Frau, die ihren Knecht den geschundenen Esel in die Stadt treiben läßt) dessen nur geringfügig abgewandelte Wiederholung eingefügt (nur der Knecht, den Esel durch die Stadt treibend); Blatt 57r zu Fabel Nr. 57 (Frau und Dieb) fälschlich Wiederholung des Bildes Nr. 55 (Wolf und Fuchs), Blatt 76v–79v ist die Text-Bildzuordnung verrutscht (Bild Nr. 82 zu Fabel Nr. 84, Bild Nr. 84 zu Fabel Nr. 85, Bild Nr. 85 zu Fabel Nr. 86). – Hinzu kommen thematische Mißverständnisse: Zu Fabel Nr. 74 (Drei Kaufleute als Gesellen) werden drei Kaufleute schlafend dargestellt, während sich ein vierter (!) am Brot zu schaffen macht (64r); zu Fabel Nr. 87 (Edelstein des Kaisers) ist an Stelle einer Waage (üblicherweise als Pendelwaage dargestellt) ein vierrädriger Wagen gezeichnet (81r). Die Bilder zu Fabel Nr. 97 (Kind Papirius) und Nr. 98 (Bischof und Erzpriester) dürften vertauscht sein: Zur Fabel von der Weisheit eines Kindes, mit der dieses die Geheimnisse des römischen Senats vor der Neugier der Frauen bewahrt, wird an Stelle einer Senatsversammlung ein Papst gezeigt.

Die Wiener Handschrift gehört zu den wenigen Textzeugen des ›Edelstein‹, die den Epilog überliefern und mit einer Zeichnung versehen: Ein Mann mit einer Schriftrolle unter dem Arm geht auf ein Stadttor zu; über dem Tor Inschrift des Schreibers bedengh daz ende (100v).

Die Fabeln Nr. 18 (Fuchs und Rabe, mit Bild), Nr. 37 (Fuchs und Storch, ohne Bild) und Nr. 48 (Fieber und Floh, Textbeginn, ggf. mit Bild, fehlt) sind gegenüber der üblichen Textfolge anders, nämlich zusammen nach Fabel Nr. 10 (Hochzeit der Sonne) positioniert, ähnlich Fabel Nr. 8 (Löwenanteil, mit Bild) nach Fabel Nr. 11 (Wolf und Kranich).

Farben:

vor allem Rot und schmutziges Braun, daneben Violettrot, Grün, Ocker.

Literatur:

Menhardt 1 (1960) S. 637–639. – Pfeiffer (1844) S. 187; Blaser (1949) S. 11, Abb. 12 (34v); Brandis (1968) S. 71, Nr. 181–184. S. 269; Peil (1985) S. 156 f., Abb. 18 (58v); Bodemann/Dicke (1988) S. 434 u. ö.; Peil (1990) pass., Abb. 66 (5r); Häussermann (2008) S. 63, Abb. 66 (5r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 97: 34v. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: Eine Bremse fliegt einem von einem Mann angetriebenen pferdeartigen Zugtier entgegen (Fabell 40. Maulesel und Bremse).

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Abb. 97.