38.1. Johannes Liechtenauer, ›Kunst des langen Schwerts‹
Bearbeitet von Rainer Leng
KdiH-Band 4/2
Johannes Liechtenauer gilt als Urheber der ›Kunst des langen Schwerts‹. Er selbst hat allerdings keine einzige Zeile geschrieben. Erst der Kleriker Hanko Döbringer hat um 1396 Merkverse und Textstücke Liechtenauers verschriftlicht (Nr. 38.1.4.) und dabei bereits eine nicht mehr exakt von der ursprünglich mündlich überlieferten Lehre Liechtenauers zu scheidende Anzahl von Glossen und Kommentaren zugefügt. Obwohl die Handschrift auch andere Liechtenauer zugeschriebene Texte enthält, hat allein die ›Kunst des langen Schwerts‹ eine kaum überschaubare Wirkungsgeschichte entfaltet. Ob die erste schriftliche Fassung Döbringers bereits für eine Bebilderung vorgesehen war, ist nicht bekannt. Leerseiten lassen darauf schließen, könnten jedoch auch für eine sukzessive Ergänzung von Glossen und Kommentaren vorgesehen gewesen sein. Über die mit weiteren Glossierungen und Varianten versehenen Handschriften des Sigmund Ringeck (Dresden, Sächsische Landesbibliothek, C 487, Glasgow, Glasgow Museums, R. L. Scott Collection, E.1939.65.341; siehe Nr. 38.1.2.) und Peter von Danzig (Rom, Corsiniana, 44.A.8; siehe Nr. 38.9.9.) verbreitete sich der Text vielgestaltig weiter. Die meisten der späteren Fechtmeister nahmen Versatzstücke der Lehre Liechtenauers auf, schrieben ihm weitere Texte zu oder integrierten Abbreviaturen oder Liechtenauers Tugendlehre in ihre Handschriften. Beispielhaft können hier die Kurzreminiszenzen in den Handschriften von Hans Talhoffer (38.3.) oder Paulus Kal (38.5.) genannt werden. Die Bebilderung ist dann freilich diesen Meistern zuzuschreiben.
Somit stehen nahezu alle Fechtbücher in der Tradition Liechtenauers, der die bis über das 16. Jahrhundert hinaus gültigen und immer wieder angeführten Haltungen und Grundschläge festlegte, und in einem weiteren Sinne wären sämtliche Bildkataloge zum Fechten mit dem langen Schwert als Illustrationen zu Liechtenauers ›Kunst des langen Schwerts‹ aufzufassen. Hier finden allerdings nur Handschriften Aufnahme, in denen namentlich bezeichnete oder erkennbar auf Liechtenauer zurückführende Texte unmittelbar mit Illustrationen versehen wurden. Da eine ursprüngliche bebilderte Fassung fehlte, blieben die Illustrationen von der Auffassung der jeweiligen Bearbeiter abhängig und zeigen (abgesehen von Grundstellungen, Hieben und Bewaffnung) keine einheitliche Gestalt. Unter Berücksichtigung der strengeren Auswahlmaßstäbe setzt eine Bebilderung eines Liechtenauer-Textes erst relativ spät nach 1480 in der Bearbeitung durch Peter Falkner ein (Nr. 38.1.5.). Im 16. Jahrhundert sind mehrere illustrierte Liechtenauer-Texte zu beobachten.
Der Anteil der nicht illustrierten Überlieferung ist vergleichsweise hoch. Handschriften, die nicht bebilderte Textfassungen enthalten (auch wenn an anderen Stellen innerhalb der Handschrift noch Bilder vom Fechten mit dem langen Schwert auftreten können) liegen vor in:
Augsburg, Stadtarchiv, Reichsstadt, Schätze 82 (Nr. 38.8.1.)
Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.6.2º2 (Nr. 38.7.1.)
Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.6.4º3
Bologna, Universitätsbibliothek, Ms. 1825, 4 (Nr. 38.5.1.)
Dresden, Sächsische Landesbibliothek, C 93/94 (Nr. 38.8.3.)
Dresden, Sächsische Landesbibliothek, C 487
Glasgow, Kelvingrove Museum (olim Harburg, Sammlung Öttingen-Wallerstein, Cod. I.6.4º4), s. n. (Nr. 38.9.5.)
Gotha, Chart. A 558 (38.3.3.)
København, Kongelige Bibliotek, Thott 290 2º (Nr. 38.3.4.)
Königseggwald, Gräfl. Schloß, Hs. XIX, 17-3 (Nr. 38.3.5.)
München, Staatsbibliothek, Cgm 3711 (Nr. 38.7.4.)
München, Staatsbibliothek, Cgm 3712 (Nr. 38.7.5.)
Roma, Biblioteca Corsiniana, 44.A.8 (Cors. 1449), mehrfach (Nr. 38.9.9.)
Salzburg, Universitätsbibliothek, M I 29
Wien, Albertina, Inv. Nr. 26232 (Nr. 38.9.11.)
Wien, Kunsthistorisches Museum, KK 5126 (Nr. 38.5.4.)
Wien, Kunsthistorisches Museum, KK 5342 (Nr. 38.3.8.)
Wien, Nationalbibliothek, Cod. 10825/10826 (Nr. 38.8.4.)
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 78.2 Aug. 2º (Nr. 38.2.6.)