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38.9.11. Wien, Albertina, Graphische Sammlung, Inv. Nr. 26232 (olim Österreichische Nationalbibliothek, Codex XXIV. A Fideikomissbibliothek)

Bearbeitet von Rainer Leng

KdiH-Band 4/2

Datierung:

1512 (1r, vgl. Dörnhöffer [1907/09] S. IX).

Lokalisierung:

Nürnberg.

Besitzgeschichte:

Im 16. Jahrhundert vermutlich aus Dürers Nachlaß nach Belgien und Frankreich gekommen (so Rupprich [1969] S. 427), 1657 im Besitz eines Jakob Stahl (Besitzervermerk vorderer Innendeckel), vor 1823 bei einem Besuch in der Steiermark in den Besitz des Wiener Theologen Vinzenz Weintritt gelangt, 1833 von ihm Kaiser Franz II. (I., 1804–1835) zum Geschenk angeboten und zunächst in die Privatbibliothek, dann in die k. u. k. Familien-Fideikomissbibliothek verbracht (Stempel 1v), seit 1920 in der Graphischen Sammlung der Albertina.

Inhalt:

1r Titel ›ὉΠΛΟΔΙΔΑΣΚΑΛΊΑ SIVE ARMORUM TRACTANDORUM MEDITATIO ALBERTI DVRERI ANNO MDXII‹, dazwischen Brustbild Dürers

1. 2r Johannes Vivianus, lat. Lobgedicht auf Dürer (Dörnhöffer [1907/09] S. XXV)
2. 3r T. B. Du Claux-Gardy, frz. Lobgedicht auf Dürer (Dörnhöffer [1907/09] S. XXV f.)
3. 13r–91v Albrecht Dürer, ›ὉΠΛΟΔΙΔΑΣΚΑΛΊΑ

13r–52v Bildkatalog Ringen, mit Beischriften

›Item so du mit einem ringst zu land mit langen armen Do denck daz dein rechter arm auß wendig sey‹

60r–66r Bildkatalog zum Fechten mit dem langen Schwert, ohne Beischriften

66v–67v Bildkatalog Dolchfechten, ohne Beischriften

74r–91v Bildkatalog Messerfechten (85v Messer und Dolch), ohne Beischriften

4. 96r–101v Hans Lecküchner, ›Kunst des Messerfechtens‹, Textauszug, ohne Abbildungen

›So du wilt achten Messer vechten recht betrachten‹

5. 105r–124v Johannes Liechtenauer, ›Kunst des langen Schwertes‹, Bearbeitung (durch Martin Hundfeld?), mit anderen Texten vermengt, ohne Abbildungen

›Hie hebt Sich an Meister Johannes Liechtenawers vechtenn in harnachhs zw kamppf das er hatt lassen Schreybenn mitt verborgen worten Das stett Hie in disem puch glosirett‹

109v–110v Ringen ›Das ist der text mit den verpotten zw ringen. Verpotten Ringen weyslich zw lere bringen‹

111r–112v Fechten mit dem kurzen Schwert ›Hie merck die Erst hutt mit dem halben Schwertt. Item halt dein Schwert mit der Rechten hand‹

112v–116v Degenfechten ›Das ist das vechten mit Dem Degenn. Item merck das der vnter Stich Ist der Erst stich‹

117r–124v Johannes Liechtenauer, Roßfechten ›Dein Sper Bricht gegenn Rytten mach Zw nicht. Glosa. Dw solt wissen wen einer auff dich reitt‹

6. 125r Epitaph auf Albrecht Dürer mit Totenkopfzeichnung (Dörnhöffer [1907/09] S. XXIII)
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + 128 + I Blätter (stark beschnitten, von moderner Hand einschließlich der jeweils ein bis zwei Trennblätter zwischen allen Zeichnungen foliiert, Blattverluste siehe Dörnhöffer [1907/09] S. XXI–XXIV, einzelne Blätter möglicherweise im Berliner Kupferstichkabinett erhalten, vgl. Albrecht Dürer. Kritischer Katalog der Zeichnungen [Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz. Die Zeichnungen alter Meister im Berliner Kupferstichkabinett. Berlin 1984] S. 141), 310 × 210 mm, Kursive und Bastarda von mehreren Händen, Hand I: Humanistenantiqua 2r, Hand II: Humanistenantiqua 3r, Hand III: 13r–29v und 33r–42v (Nr. 1–52 und 61–90) Kursive von der Hand Albrecht Dürers (Flechsig [1931] S. 486 f. und Rupprich [1969] S. 427–432), Hand IV: 29v–31v (Nr. 53–60) Kursive von der Hand Willibald Pirkheimers, Hand V: Bastarda mit kursiven Elementen 44r–52v (Nr. 91–120), Hand VI: Bastarda und Kursive 96r–101v, Hand VII: Bastarda mit kursiven Einflüssen 105v–124r, Hand VIII: Textualis und Kursive 124rv, Hand IX: Humanistenantiqua 125r, Beischriften 13r–52v einspaltig neben den Abbildungen mit meist 4–10 Zeilen, 96r–101v zweispaltig mit 48–70 Zeilen, 105r–124v einspaltig mit 24–31 Zeilen, durchgehend nicht rubriziert, keine Initialen.

Schreibsprache:

nordbairisch-fränkisch.

II. Bildausstattung:

Insgesamt 202 aquarellierte und lavierte Federzeichnungen (Deckfarben nur 1r), 1r und 125r von unbekannter Hand nach Vorlagen Dürers, im Fecht- und Ringbuchteil von 200 Zeichnungen nach dem Urteil von Dörnhöffer (1907/09) S. VI die ersten 175 von der Hand Dürers, die folgenden vermutlich Werkstattarbeiten (leichte Vergröberung der Physiognomien ab 85r erkennbar); entstanden 1512 eventuell auf einen Auftrag Kaiser Maximilians hin (Dörnhöffer [1907/09] S. XVII–XIX); trotz überzeugender paläographischer Hinweise für eine Beteiligung Dürers hat sich eine Zuschreibung der Zeichnungen noch nicht endgültig durchgesetzt (Darstellung der Diskussion bei Rupprich [1969] S. 429 f.), in älteren Werkkatalogen häufig unter unecht oder Nachzeichnungen geführt, im aktuellen Verzeichnis von Strauss allerdings unter die echten Werke aufgenommen; Vergleichsstücke auf Einzelblättern Strauss (1974) 3, 1512/9 f. und Albrecht Dürer. Kritischer Katalog der Zeichnungen (Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz. Die Zeichnungen alter Meister im Berliner Kupferstichkabinett. Berlin 1984), S. 141.

Format und Anordnung:

80–150 mm hohe Fechterpaare, überwiegend pro Seite drei Kämpferpaare übereinander am linken Bildrand neben den Beischriften, gelegentlich nur zwei (60r–64v, 70rv), einmal nur ein Kämpferpaar (66r) pro Seite; durchgehend rahmenlos, Ringkämpfe jeweils durchnumeriert 1–120, die folgenden Langschwertkämpfe 1–13, Dolchfechten 14–22, Messerfechtkämpfe 1–58.

Bildaufbau und -ausführung:

Präzise dynamische Figuren in genauer Nachahmung der Stellungen aus der Vorlage Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.6.4º2 (Nr. 38.9.1.), 1r–75r (Konkordanztabelle Dörnhöffer [1907/1909] S. LXXX f.), jedoch in höherer zeichnerischer Qualität, überwiegend umrißhaft mit wenig Binnenzeichnung, gelegentlich angedeutete Schraffuren in den Schattenpartien von Körper und Gewand, Fechterpaare nur leicht schattierend mit Lichteffekten koloriert, Individualisierungsversuche durch Wiederholung der Kolorierung der Gewänder einzelner Kämpfer, durchgehend frei in den Raum gestellte Figuren, keine Horizontlinien oder Rasengrund.

Bildthemen:

Fechten mit unterschiedlichen Waffen, eventuell Bestandteil der Studien Dürers zu Harmonie, Proportion und Figurenlehre, dabei kein individuelles Werk, sondern in Bild und Text Übernahme aus der Augsburger Vorlage; für die Messerfechtpartien dürfte ebenfalls eine Vorlage anzunehmen sein, für den Lecküchner-Text wahrscheinlich München, Cgm 582 (Nr. 38.6.1.), nicht jedoch für die Abbildungen; eine Kopie der Handschrift vom Anfang des 17. Jahrhunderts in Breslau, M 1246 (Beschreibung bei Dörnhöffer [1907/09] S. XXIV–XXXIII) ist seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen.

Farben:

Gelb, Lila, Rosa, Gelbbraun, Blau, Malgold nur 1r und 125r in den Rahmen zu Brustbild und Totenschädel.

Siehe auch Nr. 38.9.1.

Faksimile:

Teilfaksimile: Dörnhöffer (1907/09) Teil II mit allen Zeichnungen, teilweise farbig.

Literatur:

Nachzeichnungen und Teilausgaben (in Auswahl): Wassmannsdorf (1870) S. 3–136 mit 119 Nachzeichnungen; Wassmannsdorf (1871) S. 44–79 mit Nachzeichnungen; Strauss (1974) 5, S. 2665–2701 mit allen Zeichnungen – Flechsig (1931) S. 486 f.; Rupprich (1969) S. 427–432; Mathias Mende: Dürer-Bibliographie. Wiesbaden 1971, Nr. 3592–3606 (Literatur); Hils (1985a) S. 116–119 (Nr. 45); Hils (1985d) Sp. 642; Albrecht Dürer. Katalog der Ausstellung in der Albertina vom 5. September – 30. November 2003. Hrsg. von Klaus Albrecht Schröder und Maria Luise Sternath. Wien 2003, Nr. 151, S. 443–445, Abb. S. 444 (42r). S. 445 (64r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XV: 29v. Abb. 64: 74r.

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Taf. XV.
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Abb. 64.