87.1.16. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3085
Bearbeitet von Pia Rudolph
KdiH-Band 9
Um 1469 (Kalender) / 1475 (127r und 218r).
Diözese Salzburg (Kalender).
Herkunft unbekannt. Der älteren Signatur (Rec. 1104) zufolge gelangte die Handschrift im 18. Jahrhundert in die Wiener Hofbibliothek.
Ausführliche Beschreibung der Handschrift siehe Nr. 13.0.26.; siehe auch Nr. 16.0.23., Nr. 44.7.1., Nr. 105.0.6. sowie künftig 123.
1. | 1r–39v | ›Iatromathematisches Hausbuch‹ |
2.–8. | 39v–220r | Sammelhandschrift |
Papier, III + 221 Blätter (vorne fehlen mindestens zwei Blätter, Bild- und Textverlust: gesamter Januar und die Kalenderseite Februar), 260 × 195 mm, Bastarda, eine Hand, einspaltig, 41 Zeilen.
bairisch-österreichisch.
69 kolorierte Federzeichnungen zu Text 1 (zu Bildverlusten siehe I.). Eine Hand.
Im Kalenderteil (1r–11r) umfasst ein Monat jeweils eine Doppelseite. Der Kalender (verso) ist ohne Bild; Monatsverse und -regimen (recto) sind immer gleich in drei Teile aufgeteilt: Links oben ein nahezu quadratisches Bild mit einem Gelehrten mit erklärender Handgeste (ca. zehn Zeilen hoch), daneben die Monatsregeln; rechts oben die Tierkreiszeichen in Medaillons (ebenso ca. zehn Zeilen hoch; Ranken in den Eckfeldern), darunter die lateinischen Zodiakustexte; in der unteren Hälfte der Seite über den gesamten Schriftspiegel die Monatsarbeiten mit den Monatsversen. Der Teil zu den Planeten (19v–26r; auf 18r noch eine Tabelle zu den Planeten) ist ebenfalls doppelseitig angelegt: Verso beginnt der Text zum Planeten, recto befindet sich nur ein kleiner Textteil in der Mitte, darüber – über den gesamten Schriftspiegel – die Planetenfiguren (ca. 18 Zeilen hoch) mit den dazugehörenden Tierkreiszeichen (in Medaillons neben ihnen – nicht wie gewöhnlich die Planeten mit den Füßen auf den Medaillons), im unteren Teil der Seite die Planetenkinder (ebenso ca. 18 Zeilen hoch), die unter dem jeweiligen Stern geboren sind.
In Medaillons mit dekorativen Eckfeldern (ca. 17 Zeilen hoch; etwa die Hälfte des Schriftspiegels breit): zwölf Tierkreiszeichen (der Text wurde so angeordnet, dass mit jeder Seite ein neues Tierkreiszeichen beginnt, die Illustration daher immer links oben); vier Temperamente (etwas kleiner als die anderen); Aderlass. Ganzseitig: Zodiakusmann (ohne Beischrift); der Mensch umgeben vom Kosmos und den vier Winden. Etwa ein Seitendrittel hoch und schriftspiegelbreit, immer im oberen Teil der Seite: Baden, Harnschau, Darstellung zu den vier Sinnen.
Der Illustrator ist ein besonders qualitätvoller Zeichner, die Farbe wird sparsam und zurückhaltend angebracht, so dass die Zeichnung besonders hervorgehoben ist. Die Striche sind selbstbewusst ausgeführt, z. B. die zahlreichen Schraffuren und Schattierungen oder die Locken der Figuren, die aus freien Schwüngen geformt werden. Die Figuren sind modisch gekleidet und wirken höfisch, auch wenn sie beispielsweise landwirtschaftliche Arbeiten verrichten. Die Abbildungen sind für diese Untergruppe ungewöhnlich detailreich, z. B. mehr Figuren bei Monatsarbeiten oder weite Landschaftshintergründe mit kleinen Hügeln und Burgen. Manchmal wird neben einer Landschaft ein Einblick in einen Innenraum eröffnet (11r Schlachten; 20r Planetenkinder des Saturn; 34v Badeszene, in der ein Diener einem Badenden einen Trunk reicht). Das Wärmen am Feuer findet in einem nicht überdachten Raum einer Burg statt (1r), die Harnschau in einem Raum, der an eine Apotheke erinnert (39r).
siehe Bildthementabelle in der Untergruppeneinleitung 87.1. Es fehlen der Sternseher und der Aderlassmann, dafür waren eventuell Seiten freigelassen worden: Unten auf 27r bricht der Text mitten im Kapitel vom Lauf der Sonne durch die zwölf Zeichen ab (... ist sy in dem Stainpóck), 27v ist leer, danach folgen die vier Temperamente. Vermutlich sollte der Text auf 27v weitergehen und dort auch der Sternseher gezeigt werden. 36v ist leer geblieben, hier hätte der Aderlassmann Platz gefunden. Einige Abbildungen sind nur in dieser Handschrift in Untergruppe Nr. 87.1. vorhanden. Zum Kapitel von Luft, Wind, Zufällen des Sinns und Gemüts (›Regel der Gesundheit‹) sind zwei zusätzliche Illustrationen zum standardmäßigen Bildprogramm hinzugekommen: auf 38r die Darstellung eines Mannes in einem Medaillon, um dieses herum gruppiert sind die Sterne und als Beischriften die Planeten, in den Ecken der Buchseite in Medaillons die vier Winde, die von den verschiedenen Himmelsrichtungen auf den Mann pusten; auf 29r ein älterer Mann, der auf einer Bank sitzt und zwei jüngeren Männern zuhört, die Saiteninstrumente spielen. Außerdem werden nur hier zu den Planeten die Planetenkinder gezeigt (vgl. Nr. 49a.3.1.) oder Gelehrtenbilder im Kalenderteil. Ohne Parallele ist die Ikonografie für die vier Temperamente, deren Ursprung nicht ermittelt werden kann: Die Figuren sind bis auf einen kleinen Lendenschurz nackt: Melancholiker mit Schwert und Schild (28r); Phlegmatiker mit Hut, Kette (?) in der Hand und Gehstock (28v); Sanguiniker mit Jagdfalken (29r); Choleriker mit Gehstock, Umhängebeutel an der Armbeuge und Sack über der Schulter.
Die qualitätvollen Illustrationen, höfischen Akteure und Eigenarten bzw. Änderungen im Bildprogramm lassen sich vermutlich auf den Auftraggeber zurückführen, der allerdings unbekannt ist (vgl. auch Nr. 87.1.4.).
Gelb, Blau, Grau, verschiedene Rot-, Grün- und Brauntöne.
Abb. 59: 37r. Harnschau.