KdiH

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16.0.22. Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Fol max 4

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 2

Datierung:

Um 1350–1360.

Lokalisierung:

Mitteldeutschland, vielleicht Erfurt.

Besitzgeschichte:

Alter, jetzt ausradierter Besitzvermerk weist auf das Benediktinerkloster St. Peter und Paul in Erfurt als Vorbesitzer. Vielleicht im dortigen Scriptorium entstanden. 1r oben lateinische Inschriften über die biblischen Bücher in Rot und Sepia, darunter von einer Hand des 18. Jahrhunderts: Prophetiae ac figurae de Christo Messia in sacris Biblijs / contentae per imagines repraesentatae. 1959 restauriert.

Inhalt:
1. 1v–10r Biblia pauperum, lateinisch und deutsch

Weimarer Handschriftenfamilie, jüngere Gruppe

2. 11r–22r Apokalypse, lateinisch
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 22 Blätter, 478 × 328 mm, Textualis, eine Hand. Rote Strichelung der Versalien (auch im Text der Spruchbänder und Kreisbildinschriften), ein- bis zweizeilige rote Lombarden. Rote Zählung (von 1–61) sämtlicher Bilder (mit Einschluß des Apokalypse-Teils) von einer Hand des 15. Jahrhunderts, Höllenrachen-Darstellung der Zusatzbildgruppe 35 gesondert mit 36 gezählt.

Schreibsprache:

mitteldeutsch (Rothe: thüringisch, Von Der Gabelentz: hessisch).

II. Bildausstattung:

1r Vorzeichnung des Seitenschemas, 10v zwei Doppelkreise übereinander, im oberen Inschrift von einer Hand des frühen 15.Jahrhunderts: hic non defiat / illũ. Kolorierte Federzeichnungen in 35 Bildgruppen, je zwei pro Seite übereinander, zu Text 1 (1v–10r); 23 ganzseitige kolorierte Federzeichnungen mit lateinischen Beischriften zu Text 2 (11r–22r), ein Zeichner.

Format und Anordnung:

Je zwei querrechteckige, ungerahmte, von dünner Bleistiftlinie eingefaßte Zeichnungen von ca. ⅓ Blatthöhe und ½ Blattbreite (145–150 × 175 mm). Im Zentrum ein von doppelter Federlinie gerahmtes Kreisbild mit neutestamentlichem Antitypus (Dm mit Rahmen 71 mm, innen 59 mm), das die kleineren Prophetenmedaillons (Dm mit Rahmen 45 mm, innen 34 mm), je zwei oben und unten nebeneinander, überschneidet. Fünfringschema von freistehenden, z. T. seitlich angeschnittenen Standfiguren, Personengruppen oder Szenen (alttestamentarische Präfigurationen) links und rechts eingefaßt. Namensbeischriften und Inschriften in den Medaillonrahmen, Beschriftung der Spruchbänder nur 1v und 2r. Über bzw. unter den je zwei kleineren Kreisbildern die Prophetensprüche in deutsch; seitlich links und rechts die Lektionen, oben lateinisch, unten deutsch; über den Illustrationen in dreispaltiger Anordnung die Tituli, oben lateinisch, darunter deutsch (Anordnung wie Nr. 16.0.1. und Nr. 16.0.9.), Zusatzbildgruppe 10r oben (Jüngstes Gericht) ohne Text, auch Spruchbänder nicht beschriftet; 10r unten Rahmenvorzeichnung des Mittelmedaillons.

Bildaufbau und -ausführung:

Umrisse in einfacher durchgezogener, ziemlich dünner Federlinie; keine Strichelung, nur bei Schuhen zuweilen Kreuzschraffen. Grünes, gewölbtes Bodenstück aus kurzen, kräftigen, breiten, senkrecht verlaufenden Pinselstrichen und nur sparsamen Federschraffen. Sehr lange, überschlanke Figuren in S-Haltung mit vorgeschobenem Becken, große Füße, Köpfe leicht geneigt. Ausgeprägte Handhaltung: angewinkelte Unterarme, seitlich ausgestreckte Hände. Propheten z. T. mit manierierten Zeigegesten, häufig mit hochgezogenen Schultern. Parallelfalten, meist eckiger Faltenbruch bei Sitzfiguren, knöchellange, nur bei Engeln aufstoßende Gewänder. Gerade Nasen, Pupillen in den Augenwinkeln, kurzer Federstrich und roter Farbtupfer für den Mund. Haare aus nur wenigen, oft nur angedeuteten Wellenlinien in Feder und Lavierung in Hellgelb oder bläulichem Grau. Inkarnat: orangerote Farbtupfer an Wangen und Stirn. Tendenz zu sehr abwechslungsreicher Gestaltung der Figuren. Modellierung durch lange Farbstreifen in verlaufenden Schattierungen und leeren Pergamentgrund. Mauerwerk zuweilen durch graue, rotbraune oder grüne Streifen entlang der Federlinien getönt, häufig aber auch unkoloriert; Wasser durch grüne und blaue, wellenförmige Pinsellinien angedeutet. Helle und zarte, lavierte Farben, vorwiegend Gelb, Schiefergrau, rötliches Braun und bläuliches Grün; Hintergründe des Mittelkreises in stumpfem, hellem, deckendem Blau, die der Prophetenmedaillons abwechselnd in deckendem Rot und Olivgrün; Zwickel zwischen den oberen und unteren Prophetenbildern in laviertem Violettbraun (bei rotem Medaillon) oder Deckrot (bei grünem Medaillon), darin ausgespartes, z. T. grün laviertes Dreiblatt. – Zusatzbildgruppe 10r oben (Jüngstes Gericht): Im Mittelmedaillon thronender Christus, die Wundmale vorweisend, flankiert von Maria und Johannes, beide kniend; in den vier kleineren Medaillons (nichtidentifizierte) Propheten. Links und rechts der Medaillons je sechs der Zentralkomposition zugewandte Jünger; in den oberen Bildecken je eine abwärts gerichtete, von einem Wolkensaum halb verdeckte Halbfigur eines Engels, die Arma Christi vorweisend. Unten außerhalb des Bildschemas fünf den Gräbern entsteigende Selige, rechts, ebenfalls im Schriftraum, Höllenrachen, in den Satan die Sünder am Strick zieht.

Bildthemen:

(Antitypus im Medaillon; Typus a links, Typus b rechts):

1v oben Verkündigung; Verfluchung der Schlange (Gn 3), Gideons Vlies (Idc 6). 1v unten Geburt Christi; Brennender Dornbusch (Ex 3), Aarons grünender Stab (Nm 17)
2r oben Anbetung der Könige; Abner vor David (II Sm 3), Die Königin von Saba vor Salomo (III Rg 10). 2r unten Darbringung Christi im Tempel; Reinigungsopfer nach dem Gesetz (Lv 12), Hanna bringt Samuel zu Eli (I Sm 1)
2v oben Flucht nach Ägypten; Jakobs Flucht vor Esau (Gn 27), Davids Flucht vor Saul (I Sm 19). 2v unten Sturz der Götzenbilder; Moses wirft die Gesetzestafeln zur Erde (Ex 32), Zerstörung des Götzen Dagon (I Sm 5)
3r oben Bethlehemitischer Kindermord; Saul läßt die Priester töten (I Sm 22), Atalja läßt die Kinder des Königs töten (IV Rg 11). 3r unten Rückkehr Christi aus Ägypten; Davids Rückkehr (II Sm 2), Jakobs Rückkehr (Gn 32)
3v oben Taufe Christi; Durchzug durchs Rote Meer (Ex 14), Kundschafter mit der Traube (Nm 13). 3v unten Versuchung Christi; Esau verkauft sein Erstgeburtsrecht (Gn 25), Sündenfall (Gn 3)
4r oben Erweckung des Lazarus; Elija erweckt den Sohn der Witwe (III Rg 17), Elischa erweckt den Sohn der Schunemiterin (IV Rg 4). 4r unten Einzug in Jerusalem; Davids Einzug mit dem Haupt des Goliath (I Sm 18), Prophetensöhne begrüßen Elischa (IV Rg 2)
4v oben Austreibung der Wechsler; Darius läßt den Tempel wieder herstellen (I Esr 6), Judas Makkabäus reinigt den Tempel (II Mcc 10). 4v unten Abendmahl; Abraham und Melchisedek (Gn 14), Mannalese (Ex 16)
5r oben Verklärung Christi; Abraham und die drei Engel (Gn 18), Drei Jünglinge im Feuerofen (Dn 3). 5r unten Magdalenas Reue; Davids Reue vor Nathan (II Sm 12), Mirjams Reue und Heilung (Nm 12)
5v oben Verschwörung der Juden; Josephs Bote bei Jakob (Gn 37), Abschalom verschwört sich gegen David (II Sm 15). 5v unten Judas erhält den Verräterlohn; Verkauf Josephs an die Ismaeliter (Gn 37), Josef wird an Potiphar verkauft (Gn 39)
6r oben Judaskuß; Joab tötet Abner (II Sm 3), Tryphon überlistet Jonathan (I Mcc 12). 6r unten Christus vor Pilatus; Isebel will Elija töten (III Rg 19), Daniel wird bei Nebukadnezar angeklagt (Dn 6)
6v oben Dornenkrönung; Ham verspottet Noah (Gn 9), Verspottung Elischas (IV Rg 2). 6v unten Kreuztragung; Isaak trägt das Opferholz (Gn 22), Die Witwe von Zarpath mit zwei Hölzern (III Rg 17)
7r oben Kreuzigung; Opferung Isaaks (Gn 22), Erhöhung der Ehernen Schlange (Nm 21). 7r unten Seitenwunde Christi; Erschaffung Evas (Gn 2), Moses schlägt Wasser aus dem Felsen (Ex 17)
7v oben Grablegung; Joseph wird in den Brunnen geworfen (Gn 37), Jona wird ins Meer geworfen (Ion 2). 7v unten Christi Descensus; David tötet Goliath (I Sm 17), Simson tötet den Löwen (Idc 14)
8r oben Auferstehung; Simson mit den Stadttoren von Gaza (Idc 16), Jona wird vom Fisch ausgespien (Ion 2). 8r unten die Frauen am Grab; Ruben sucht Joseph (Gn 37), Braut des Hohenliedes sucht den Bräutigam (Ct 3)
8v oben Erscheinung Christi vor Magdalena; Daniel in der Löwengrube (Dn 14), Braut des Hohenliedes findet den Bräutigam (Ct 3). 8v unten Erscheinung Christi vor den Jüngern; Joseph gibt sich seinen Brüdern zu erkennen (Gn 45), Heimkehr des verlorenen Sohnes (Lc 15[!])
9r oben Ungläubiger Thomas; Gideon will vom Engel ein Zeichen (Idc 6), Jakob ringt mit dem Engel (Gn 32). 9r unten Himmelfahrt Christi; Entrückung Enochs (Gn 5), Elijas Himmelfahrt (IV Rg 2)
9v oben Pfingsten; Moses empfängt die Gesetzestafeln (Ex 23), Brandopfer Elijas (III Rg 18). 9v unten Krönung Mariae; Salomo setzt Batseba auf den Thron (III Rg 2), Artaxerxes setzt Ester auf seinen Thron (Est 2)
10r oben Jüngstes Gericht.

Wie in den Handschriften New York, Public Library (Nr. 16.0.19.) und Rom (Nr. 16.0.21.) ist im Typusbild Sturz des Götzen Dagon (2v unten) im Tempel Dagons statt der Bundeslade die Arche Noes dargestellt.

Trotz stilistischer Abweichungen enge Verwandtschaft mit der Berliner Handschrift (Nr. 16.0.1.) und dem Leipziger Fragment (Nr. 16.0.9.) v. a. im Seitenschema und im Aufbau der Kompositionen. Auch in Details (z. B. Wappenschild Gideons 1v, Wappenschild Abrahams 4v, Verzierung der Schwertscheide 5v) stimmen Mittelmedaillons und Typus-Darstellungen in Berlin und Weimar weitestgehend überein, lediglich Goliath ist in Weimar bartlos, in Berlin bärtig (7v unten), Josephs Brunnen in Berlin rund, in Weimar sechseckig (7v oben, 8r unten). Jedoch größere Variationsbreite zwischen den Prophetenmedaillons beider Handschriften. In Weimar sind die Zwickel zwischen den Prophetenmedaillons noch zusätzlich mit Dreiblättern auf farbigem Grund gefüllt. Wohl aus der gleichen Werkstatt, doch von anderer Hand (Schmidt [1959] S. 39). Wegener (1928) S. 12 sieht in Weimar eine Kopie der Berliner Handschrift. Siehe auch Nr. 16.0.1. und Nr. 16.0.9.

Farben:

Rot, stumpfes Hellblau, Oliv, wenig Schwarz deckend; Hellblau, bläuliches Grün, rötliches Braun, Blaugrau, stumpfes Grau, sehr helles Gelb, Olivgrün, Orange laviert; laviertes schwärzliches Sepia (nur 10r), im Apokalypse-Teil zusätzlich noch laviertes Violett und Pinselgold. Faksimile: Von Der Gabelentz (1912); Biblia pauperum. Apokalypsis. Die Weimarer Handschrift. Mit Beiträgen von R. Behrends, Konrad Kratzsch, Heinz Mettke. Leipzig 1977.

Literatur:

Joseph Theele: Die Handschriften des Benediktiner-Klosters S. Petri in Erfurt. Leipzig 1920 (Beiheft zum ZfB 48), S. 182; Cornell (1925) Nr. 24, S. 4. 8. 58–60. 89f. 149. 154–156. 188. 224, Taf. 27a (1v); Vollmer 3 (1927) S. XXXII–XXXVII; Wegener (1928) S. 11f.; Stange 1 (1934) S. 83. 85. 90; Hans Vollmer: Die Bibel im deutschen Kulturleben. Salzburg/Leipzig 1938, S. 77–79; Rost (1939) S. 224; Schmidt (1959) S. 34 Anm. 1. 38f., 58f. 70f. 102. 124. Abb. 30a (6v); Hans Joachim Gernentz: Religiöse deutsche Dichtungen des Mittelalters. Berlin 1964, S. 448, Taf. 10; Rothe (1965) S. 214. 252, Abb. 60 (7v); Lülfing/Teitge (1981) S. 170 mit Abb. (7v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 124: 5v. Verschwörung der Juden; Josephs Bote bei Jakob (Gn 37), Abschalom verschwört sich gegen David (II Sm 15) – Judas erhält den Verräterlohn; Verkauf Josephs an die Ismaelieter (Gn 37), Joseph wird an Potiphar verkauft (Gn 39).

Abb. 125: 10r. Jüngstes Gericht.

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Abb. 124.
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Abb. 125.