16.0.16. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 5250/60
Bearbeitet von Norbert H. Ott
KdiH-Band 2
Um 1325–1330.
Bayern.
Aus dem Münchener Antiquariat Karl & Faber 1962 über den Schweizer Kunsthandel von der Bayerischen Staatsbibliothek erworben.
Ir–IIv |
Biblia pauperum, lateinisch und deutsch
Deutscher erzählender Typ, Textfassung A |
Pergament, Reste von zwei Blättern, Blatt I linke Hälfte 212 × 88 mm, rechte Hälfte 292 × 90 mm, zusammengefügt 992 × 182 mm; Blatt II linke Hälfte 206 × 83 mm, rechte Hälfte 300 × 98 mm, zusammengefügt 300 × 176 mm; Textualis, zweispaltig, eine Hand, rote Strichelung.
bairisch.
Unkolorierte Federzeichnungen von vier Bildgruppen, je eine pro Seite, ein Zeichner.
An vier Seiten vom Text der Lektionen umrahmtes, hochrechteckiges Bildschema (214–218 × 150 mm) auf der Seitenmitte, von dünner roter Federlinie (neben Sepia) wie die Einzelbildfelder eingefaßt. Oben, getrennt durch den mit Marmormuster gefüllten Spaltenzwischenraum, die beiden alttestamentlichen Typusbilder (ca. 100 × 70 mm), darunter, durch ein schmales Schriftfeld mit dem Titulus getrennt, der neutestamentliche Antitypus in der Mitte (100–106 × 90 mm), zu beiden Seiten flankiert von je zwei Prophetenbildern übereinander (48–50 × 29–32 mm), die sich mit der neutestamentlichen Szene zur Bildbreite der beiden oberen Typus-Darstellungen ergänzen. Außen Text der Lektionen, oben lateinisch, unten deutsch; in den schmalen Rahmenfeldern oben und in der Mitte die Tituli (lateinisch), die Prophetensprüche (deutsch) in Spruchbändern. Namensbeischriften in den Illustrationen. (Anordnung wie Nr. 16.0.11.)
Lineare Umrißzeichnung in Sepia, ohne jede Strichelung, vereinzelt schmückende rote Pünktchen und rot ausgemalte Schuhe (Ir). Kein Hintergrund, keine Bodenstücke, die Figuren »schweben« über dem Boden und berühren die Rahmenlinie des Bildfeldes nur mit den Fußspitzen. Sehr plastisch wirkender vielformiger und sich stauender Faltenwurf; die meist schlanken Figuren mit ihren ausdrucksvollen Gesichtern und den souverän gezeichneten Bewegungen staffeln sich zu plastisch-räumlichen Gruppen. Gewandbildungen und Details sehr nuancenreich. Beredte, anatomisch sehr genau gezeichnete Handgebärden der von ihren Spruchbändern gleichsam eingerahmten Propheten. Tendenz zu präzisem Detailrealismus, vor allem auch rechtlicher Einzelheiten: so sitzt z. B. Pilatus IIv in der rechtsformalistisch geforderten Haltung mit gekreuzten Beinen auf der Thronbank.
(Antitypus unten; Typus a oben links, Typus b oben rechts): Ir Judas erhält den Verräterlohn; Joseph an die Ismaeliter verkauft (Gn 37), Joseph an Potiphar verkauft (Gn 39). Iv Christus in Gethsemane; Gebet des Hiskija (Is 37), Gebet der Susanna (Dn 13). IIr Judaskuß; Joab tötet Abner (II Sm 3), Tryphon überlistet Jonathan (I Mcc 12). IIv Christus vor Pilatus; Isebel will Elija töten (III Rg 19), Daniel wird bei Nebukadnezar angeklagt (Dn 6).
Sepia, Zinnober.
Karl & Faber München. Kunst 15.–20. Jahrhundert. Auktion Nr. 80, 14.–16. Mai 1962 [Auktionskatalog], S. 22, Nr. 77, Abb. S. 19;
Abb. 142: IIv. Isebel will Elija töten (III Rg 19), Daniel wird bei Nebukadnezar angeklagt (Dn 6); Chritus vor Pilatus.