KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

16.0.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 1362

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 2

Datierung:

Um 1350–1360.

Lokalisierung:

Mitteldeutschland, vielleicht Erfurt.

Besitzgeschichte:

1921 aus Weimarer Privatbesitz erworben (Acquisitionsvermerk 1r oben: Acc. ms. 1921. 111.).

Inhalt:
1v–9v Biblia pauperum, lateinisch und deutsch

Weimarer Handschriftenfamilie, jüngere Gruppe

I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, neun Blätter, 488 × 332 mm, Textualis mit brauner Feder, eine Hand, auch für die Inschriften in den Illustrationen, ein- bis zweizeilige rote Lombarden.

Schreibsprache:

hessisch (Mainzer Gegend).

II. Bildausstattung:

Unkolorierte Federvorzeichnung von zwei Bildgruppen (1r), kolorierte Federzeichnungen in 34 Bildgruppen, je zwei pro Seite übereinander (1v–9v), ein Zeichner.

Format und Anordnung:

1r unbeschriftet, lediglich Federvorzeichnung des Seitenschemas der 1v ausgeführten Darstellungen; oben: die fünf Rundbilder mit linearen Umrißzeichnungen gefüllt, links Vorzeichnung Gottvaters (in gleicher Körperhaltung, doch ohne die Schlange und mit reicherem Faltenwurf als in der ausgeführten Zeichnung 1v); unten: nur in den beiden oberen Medaillons (nicht-vollendete) Umrißzeichnungen, dabei Jesaja und David gegenüber 1v vertauscht. Ausgeführte Zeichnungen 1v–9v: je zwei querrechteckige ungerahmte Zeichnungen von ca. ⅓ Blatthöhe und ½ Blattbreite (ca. 140–162 × 173–192 mm). Im Zentrum ein von doppelter Federlinie gerahmtes Kreisbild mit neutestamentlichem Antitypus (ca. 70 mm Dm), das die kleineren Prophetenmedaillons (ca. 45 mm Dm), je zwei oben und unten nebeneinanderstehend, überschneidet. Fünfringschema von freistehenden Standfiguren, Figurengruppen oder Szenen (alttestamentliche Präfigurationen) rechts und links eingefaßt. Namensbeischriften, Inschriften in Spruchbändern und Medaillonrahmen. Über bzw. unter den je zwei kleineren Kreisbildern die Prophetensprüche in deutsch; seitlich links und rechts die Lektionen, oben lateinisch, unten deutsch; über den Illustrationen in dreispaltiger Anordnung die Tituli, oben lateinisch, darunter deutsch. (Anordnung wie Nr. 16.0.9. und Nr. 16.0.22.)

Bildaufbau und -ausführung:

Kreisrahmen in gleicher brauner Tinte wie die Schrift, Zeichnung in schwarzer Tinte. Umrißlinien mit dünner, durchgezogener Feder, keine Strichelung. Lange, schlanke Figuren mit dicht auf den Schultern sitzenden, großen runden Köpfen, großen Augen und runden Nasen, orangefarbenes Inkarnat aus Pinselschraffen. Bart mit wenigen Kringeln angedeutet, lockiges oder welliges Haar aus wenigen Federlinien. Propheten in den Medaillons als z. T. stark bewegte, von der Hüfte an sichtbare Halbfiguren. Spruchbänder der Figuren in den alttestamentarischen Außenszenen häufig als Raumfüller genutzt. Viel leerer Pergamentgrund in den Gewändern, speziell an den hellen Stellen der Faltengrate; geschickte Modellierung durch verlaufende Farbflächen, parallele, selten sich kreuzende Pinselschraffen und durchsichtige, vor allem graue Übermalungen entlang der Innenseiten der Umrißlinien. Runder Faltenwurf und Hakenfalten. Maßstäblich zu kleine, aber detailreiche Architekturen; kein Innenraum, doch perspektive Ausweitung der Bildbühnen. Meist lavierender Farbauftrag, lediglich Zinnober (Flammen) und Schwarz (Schuhe, Wappen) deckend. Die Medaillonhintergründe (Antitypus hellblau, z. T. mit in die noch nasse Farbe eingeritztem Fleuronnée; Propheten abwechselnd in bläulichem Grün und Rot) wurden nach der Kolorierung der Figuren ebenfalls mit Deckfarben ausgemalt. Selten vegetationslose Bodenstücke aus wenigen Federlinien, über die eine grüne, nach unten in breiten Parallelschraffen auslaufende Pinselfläche gelegt ist.

Bildthemen:

(Antitypus im Medaillon; Typus a links, Typus b rechts):

1v oben Verkündigung; Verfluchung der Schlange (Gn 3), Gideons Vlies (Idc 6). 1v unten Geburt Christi; Brennender Dornbusch (Ex 3), Aarons grünender Stab (Nm 17)
2r oben Anbetung der Könige; Abner vor David (II Sm 3), Die Königin von Saba vor Salomo (III Rg 10). 2r unten Darbringung Christi im Tempel; Reinigungsopfer nach dem Gesetz (Lv 12), Hanna bringt Samuel zu Eli (I Sm 1)
2v oben Flucht nach Ägypten; Jakobs Flucht vor Esau (Gn 27), Davids Flucht vor Saul (I Sm 19). 2v unten Sturz der Götzenbilder; Moses wirft die Gesetzestafeln zur Erde (Ex 32), Zerstörung des Götzen Dagon (I Sm 5)
3r oben Bethlehemitischer Kindermord; Saul läßt die Priester töten (I Sm 22), Atalja läßt die Kinder des Königs töten (IV Rg 11). 3r unten Rückkehr Christi aus Ägypten; Davids Rückkehr (II Sm 2), Jakobs Rückkehr (Gn 32)
3v oben Taufe Christi; Durchzug durchs Rote Meer (Ex 14), Kundschafter mit der Traube (Nm 13). 3v unten Versuchung Christi; Esau verkauft sein Erstgeburtsrecht (Gn 25), Sündenfall (Gn 3)
4r oben Erweckung des Lazarus; Elija erweckt den Sohn der Witwe (III Rg 17), Elischa erweckt den Sohn der Schunemiterin (IV Rg 4). 4r unten Einzug in Jerusalem; Davids Einzug mit dem Haupt des Goliath (I Sm 18), Prophetensöhne begrüßen Elischa (IV Rg 2)
4v oben Austreibung der Wechsler; Darius läßt den Tempel wiederherstellen (I Esr 6), Judas Makabäus reinigt den Tempel (II Mcc 10). 4v unten Abendmahl; Abraham und Melchisedek (Gn 14), Mannalese (Ex 16)
5r oben Verklärung Christi; Abraham und die drei Engel (Gn 18), Drei Jünglinge im Feuerofen (Dn 3). 5r unten Magdalenas Reue; Davids Reue vor Nathan (II Sm 12), Mirjams Reue und Heilung (Nm 12)
5v oben Verschwörung der Juden; Josephs Bote bei Jakob (Gn 37), Abschalom verschwört sich gegen David (II Sm 15). 5v unten Judas erhält den Verräterlohn; Verkauf Josephs an die Ismaeliter (Gn 37), Joseph wird an Potiphar verkauft (Gn 39)
6r oben Judaskuß; Joab tötet Abner (II Sm 3), Tryphon überlistet Jonathan (I Mcc 12). 6r unten Christus vor Pilatus; Isebel will Elija töten (III Rg 19), Daniel wird bei Nebukadnezar angeklagt (Dn 6)
6v oben Dornenkrönung; Ham verspottet Noah (Gn 9), Verspottung Elischas (IV Rg 2). 6v unten Kreuztragung; Isaak trägt das Opferholz (Gn 22), Die Witwe von Zarpath mit zwei Hölzern (III Rg 17)
7r oben Kreuzigung; Opferung Isaaks (Gn 22), Erhöhung der Ehernen Schlange (Nm 21). 7r unten Seitenwunde Christi; Erschaffung Evas (Gn 2), Moses schlägt Wasser aus dem Felsen (Ex 17)
7v oben Grablegung; Joseph wird in den Brunnen geworfen (Gn 37), Jona wird ins Meer geworfen (Ion 2). 7v unten Christi Descensus; David tötet Goliath (I Sm 17), Simson tötet den Löwen (Idc 14)
8r oben Auferstehung; Simson mit den Stadttoren von Gaza (Idc 16), Jona wird vom Fisch ausgespien (Ion 2). 8r unten Die Frauen am Grab; Ruben sucht Joseph (Gn 37), Braut des Hohenlieds sucht den Bräutigam (Ct 3)
8v oben Erscheinung Christi vor Magdalena; Daniel in der Löwengrube (Dn 14), Braut des Hohenliedes findet den Bräutigam (Ct 3). 8v unten Erscheinung Christi vor den Jüngern; Joseph gibt sich seinen Brüdern zu erkennen (Gn 45), Heimkehr des verlorenen Sohns (Lc 15 [!])
9r oben Ungläubiger Thomas; Gideon will vom Engel ein Zeichen (Idc 6), Jakob ringt mit dem Engel (Gn 32). 9r unten Himmelfahrt Christi; Entrückung Enochs (Gn 5), Elijas Himmelfahrt (IV Rg 2)
9v oben Pfingsten; Moses empfängt die Gesetzestafeln (Ex 23), Brandopfer Elijas (III Rg 18). 9v unten Krönung Mariae; Salomo setzt Batseba auf den Thron (III Rg 2), Artaxerxes setzt Ester auf seinen Thron (Est 2).

Enge Verwandtschaft mit der Weimarer Handschrift (Nr. 16.0.22.) und dem Leipziger Fragmentblatt (Nr. 16.0.9.). Die Szenen der neutestamentlichen Mittelmedaillons und der beiden alttestamentlichen Darstellungen außen stimmen zwischen Berlin und Weimar im Bildaufbau bis in Details überein, lediglich in den Prophetenmedaillons weichen Körperhaltung, Gestik und Form der Spruchbänder zwischen beiden Handschriften stärker voneinander ab. Die weitgehende Übereinstimmung der Handschriftenformate, des Seitenschemas, des Farbgrunds der Medaillons und ikonographischer Details aller drei Codices spricht, trotz stilistischer Abweichungen (und der Dialektunterschiede), für die Herkunft aus gleicher Werkstatt, doch von anderer Hand (Schmidt [1959] S. 38f.). Wegener (1928) S. 12 hält die Berliner für die Vorlage der Weimarer Handschrift. Siehe auch Nr. 16.0.9. und Nr. 16.0.22.

Farben:

Zarte, kreidige Palette. Schwarz, Zinnober, Hellblau und Blaugrün deckend; Stahlblau laviert, z. T. deckend; Kadmiumgelb, Grau, Braun, Hellrosa, Grauviolett und (seltener) Purpurrosa, Karmin und gelbliches Olivgrün laviert; Orange für Inkarnat.

Literatur:

Degering 1 (1925) S. 182. – Kurzwelly (1909) passim; Breitenbach (1927) S. 70; Wegener (1928) S. 10–12, Abb. 8 (8r), Farbtaf. I (5r); Rost (1939) S. 225; Schmidt (1959) S. 37f., Abb. 27b (2v). 30b (6v). 31a (1v). 31b (8r); Die Wiener Biblia pauperum Cod. 1198. [Faksimile.] Hrsg., transkribiert und übersetzt von Franz Unterkircher, eingel. von Gerhard Schmidt. Teil 1: Kunstgeschichtliche Einführung von Gerhard Schmidt. Graz/Wien/Köln 1962, S. 36. 102; Zimelien (1975) Nr. 109, Abb. S. 176 (9r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 122: 3r. Bethlehemitischer Kindermord; Saul lässt die Priester töten (I Sm 22), Atalja lässt die Kinder des Königs töten (IV Rg 11) – Rückkehr Christi aus Ägypten; Davids Rückkehr (II Sm 2), Jakobs Rückkehr (Gn 32).

Abb. 123: 7v. Grablegung; Joseph wird in den Brunnen geworfen (Gn 37), Jona wird ins Meer geworfen (Ion 2) – Descensus Christi; David tötet Goliath (I Sm 17), Simson tötet den Löwen (Idc 14).

16.0.1._Abb._122.jpg
Abb. 122.
16.0.1._Abb._123.jpg
Abb. 123.