73.8. ›Christi Leiden in einer Vision geschaut‹
Bearbeitet von Kristina Domanski
KdiH-Band 8
Der Passionstraktat ›Christi Leiden in einer Vision geschaut‹ liegt bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts außer in einer rheinisch-moselfränkischen Fassung, die vermutlich auf eine niederländische Vorlage zurückgeht, auch in einer alemannischen Bearbeitung vor (
Bereits
Allein die noch im 14. Jahrhundert angefertigte Weimarer Abschrift (Nr. 73.8.2.), die ›Christi Leiden‹ in der ripuarisch-moselfränkischen Fassung enthält, wurde mit einer Illustrationsfolge ausgestattet. Wie in anderen Überlieferungszeugen wurde der Passionstraktat gemeinsam mit zwei Werken Heinrich Seuses, dem ›Büchlein der ewigen Weisheit‹ und dem ›Großen Briefbuch‹, kopiert.
In der wohl zwischen 1400 und 1410 angelegten Berliner Handschrift (Nr. 73.8.1.), die den Passionstraktat als Teil eines individuell kompilierten Erbauungsbuches enthält, wurden durchgehend Freiräume gelassen, von denen der Platzierung nach drei für Passionsdarstellungen vorgesehen waren. Aufgrund der ausführlichen Beschreibung unter Nr. 44.14.4. wurde auf eine Wiederholung an dieser Stelle verzichtet.
In einer Nürnberger Sammelhandschrift, die vor dem Passionstraktat die Dekalog-Auslegung Marquards von Lindau sowie diverse Gebete enthält, wurde als Buchschmuck ein kolorierter Holzschnitt mit der Verkündigung an Maria in den Vorderdeckel eingeklebt (Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. IV, 31, Passionstraktat 147ra–161vb). Die Handschrift, die um 1421 fertiggestellt wurde, kam mit Katharina Tucher in das Dominikanerinnen-Kloster in Nürnberg, wie ein unter dem Holzschnitt um 1455 von Kunigund Niklasin eingeklebter Besitzeintrag zeigt. Da der Holzschnitt zwar als Buchschmuck, aber mangels inhaltlichen Bezugs nicht als Illustration zum Passionstraktat angesehen werden kann, wurde von einer Aufnahme in den Katalog abgesehen (
Die 25 Illustrationen umfassende Bildfolge der Weimarer Handschrift hebt sich nicht nur von der übrigen Überlieferung des Passionstraktates, sondern auch von den zeitgenössischen Passionszyklen in mehrfacher Hinsicht ab. Zunächst fällt die Uneinheitlichkeit der Bildfelder auf, deren Größe beträchtlich variiert. Zudem wurden sie scheinbar ohne System und unabhängig von der Gliederung des Textes durch Rubriken in den Schriftspiegel eingefügt. Ausgeführt wurden die Bilder, wie ihre stilistische Ausführung erkennen lässt, schließlich erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Auswahl der Bildthemen folgt dabei der Ausrichtung des Textes auf die vielfältigen körperlichen Qualen Christi, die in außergewöhnlich hoher Zahl und Frequenz verbildlicht werden.