KdiH

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73.8.2. Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, B 2979

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Datierung:

2. Hälfte 14. Jahrhundert (Schrift), 3. Viertel 15. Jahrhundert (Illustrationen).

Lokalisierung:

Westmitteldeutsches Sprachgebiet.

Besitzgeschichte:

Als Geschenk Adolfs von Virmynne, Bruder des Deutschen Ordens, als Vogt zu Dirschau zwischen 1381–1384 nachweisbar (Voigt [1843] S. 64), an die Klause der Schwestern zu Kampe (Kamp-Bornhofen) gegenüber Boppard, Besitzeintrag im Vorderspiegel und auf 1r, Schenkungsvermerk auf 1v, Eintrag im Vorderspiegel Ex Musaeo Hiegliano M. 1724, darunter Exlibris Johann Michael von Loen (zu Johann Crato/Crafto Hiegel, nachweisbar 1697–1714, und J. M. von Loen [1694–1776] vgl. die Angaben bei Wunderle [2009] zu München, Cgm 7960, mit derselben Provenienz), später in der Bibliothek Achim von Arnims, mit ihr 1954 nach Weimar.

Inhalt:
1. 1rv Gebet zur Nonezeit
Transkript bei Pensel, Weimar
2. 1v Reimgebet zu Maria
Transkript bei Pensel, Weimar
3. 2r–4v Dekalog-Auslegung
Unvollständig, Anfang fehlt
4. 5r–102v Heinrich Seuse, ›Büchlein der ewigen Weisheit‹
5. 102v–126r ›Christi Leiden in einer Vision geschaut‹
6. 126v–158v Heinrich Seuse, ›Das große Briefbuch‹
Unvollständig, Ende fehlt
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 158 Blätter (Verlust mindestens einer Lage [Sexternio] am Ende, moderne Foliierung mit Bleistift oben rechts), 205 × 145 mm, Textura, nur Besitzeintrag 1v in Kursive, mindestens drei Hände, I 1r–4v, II 1v, III 5r–158v, von Nachtragshand in Bastarda eingeklebter Zettel im hinteren Spiegel mit Notiz über Seelenmessen (Transkript bei Pensel, Weimar), einspaltig, 32–38 Zeilen, rote mehrzeilige Initialen (5v, 8r neunzeilig), 5r Inhaltsübersicht zu Text 4 in Rot, für Text 7: 102v, 104v je eine fünfzeilige E-Initiale mit Fleuronné, zweizeilige Initialen in Rot und Blau, rote Überschriften, Rubrizierung.

Schreibsprache:

westmitteldeutsch (ripuarisch).

II. Bildausstattung:

25 kolorierte Deckfarbenminiaturen. Wohl ein Maler.

Format und Anordnung:

Der Text ist durch Überschriften, Angabe der Tagzeiten und zweizeilige Lombarden, alles in roter Tinte, untergliedert. Die Platzierung der Bildfelder scheint allerdings unabhängig von dieser Gliederungsstruktur, denn die Illustrationen von unterschiedlicher Größe ohne Überschriften sind in den Textspiegel integriert, mit Ausnahme weniger Illustrationen, die unterhalb des Schriftspiegels angebracht sind (105r, 110v, 121v). Nur die letzten drei Illustrationen (124v, 125r, 125v) vollständig auf den Blatträndern, weil kein Platz im Textspiegel gelassen wurde. Die Bildfelder, jeweils mit einer einfachen Linie in Rot oder Schwarz gerahmt, meist von annähernd quadratischem Format, in den Ausmaßen stark schwankend, zwischen vier und 14 Zeilen in der Höhe, nach nicht nachvollziehbarem System. Ungewöhnlich erscheint das unregelmäßige Format der Kreuzannagelung (119r) und die Integration der Schrift in die Darstellung von Essigschwamm und Eimer (121r). Die Platzierung der Bildfelder erfolgt jeweils in unmittelbarer Nähe zur entsprechenden Textstelle, zuweilen auch mitten in den Schriftspiegel, so dass der Text die bildliche Darstellung umschließt (105r, 107v, 108v, 109v, 110r, 110v, 113r, 115r). Ungleichmäßige Verteilung der Illustrationen über den Text, zu Beginn einige Seiten ohne Illustration, im Verlauf dichtere Bebilderung mit bis zu drei Darstellungen auf einer aufgeschlagenen Doppelseite (109v–110r, 114v–115r). Die Bildausstattung in jeder Hinsicht von bemerkenswerter Unregelmäßigkeit: Größe der Bildfelder, Formate, Integration in das Layout, Verteilung über den Text. Gleichwohl handelt es sich hierbei nur scheinbar um eine zufällige Anordnung. Denn durch den Herstellungsprozess, bei dem die Beschriftung des Pergaments vor der bildlichen Ausstattung erfolgt, ist auch für die Aussparung von Freiräumen unterschiedlicher Größe eine Planung vorauszusetzen. Die Handschrift bietet keinen Hinweis darauf, dass die Beschaffenheit des Beschreibstoffes ein Grund dafür gewesen sein könnte. Eine Abweichung vom ursprünglichen Konzept ist lediglich für die letzten drei Illustrationen anzunehmen, da diese auf den Seitenrändern angebracht wurden.

Bildaufbau und -ausführung:

In der Ausführung eher schlichte Illustrationen: einfache Umrisszeichnung, kaum Binnenzeichnung, Kolorierung ohne Schattierung, an den Rändern unsauber. Zumeist reflektieren die Gestaltung der Szenen und der Bildaufbau konventionelle Passionszyklen, die auch als Druckgrafiken seit der Mitte des 15. Jahrhunderts weit verbreitet waren. Die Bildfelder werden nahezu vollständig von den Figuren ausgefüllt. Bei Innenräumen wird versucht, durch architektonische Elemente wie Fliesenböden, schräggestellte Sitzmöbel sowie Fenster- und Türöffnungen Dreidimensionalität zu erzeugen.

Bildthemen:

Aufgrund der Variationen in der Größe der Bildfelder wird jeweils deren Höhe in Zeilen angegeben. 105r Gebet am Ölberg (6 Z.), 107v Judaskuss (10 Z.), 108v Verspottung (4 Z.), 109v Christus an der Geißelsäule (9 Z.), 110r Verspottung, Christus mit verbundenen Augen (5 Z.), 110r Christus vor Kaiphas (9 Z.), 110v Christus vor Pilatus (7 Z. plus Seitenrand), 113r Christus vor Herodes (5 Z.), 114v Christus vor Pilatus (9 Z.), 115r Geißelung (10 Z.), 115r Dornenkrönung (4 Z.), 115v Verspottung, die Peiniger knien vor Christus (5 Z.), 116r Verspottung, Christus erhält einen Stecken (4 Z.), 116v Pilatus wäscht seine Hände (9 Z.), 117r Kreuztragung, Symon von Cyrene hilft (7 Z.), 118r Entkleidung (14 Z.), 119r Kreuzannagelung (8 Z., unregelmäßige Bildform), 120r Kreuzigungsbild (10 Z.), 121r Schwamm und Eimer für den bitteren Trank (4 Z.), 121v links Christus am Kreuz, rechts neben ihm Gebäude für den Tempel, in dem der Vorhang zerreißt (5 Z. plus Seitenrand), 122r Finsternis über dem Land (5 Z.), 123v Kreuzabnahme (7 Z.), 124v Beweinung (unterer Seitenrand, ohne Rahmen), 125r Grablegung (unterer Seitenrand, ohne Rahmen), 125v Auferstehung (10 Z., linker Seitenrand, hochrechteckig, einfach gerahmt).

Auffällig in der Bildfolge ist die vielfache Darstellung der unterschiedlichen Folterungen und Schmähungen zusätzlich zu den geläufigen Darstellungen der Geißelung, Dornenkrönung, Entkleidung und Kreuzannagelung. Bei den wiederholten Verspottungen Christi werden die Szenen auch ikonografisch klar unterschieden (108v, 109v, 110r, 115v, 116r). Der Text berichtet z. B., dass Christus, während er die Nacht nach seiner Gefangennahme an eine Säule gebunden verbrachte, mit brennenden Eierschalen gefoltert wurde (109v, Pickering [1952] S. 67, Z. 6–12), durch deren Hitze sich die Haut in großen Blasen aufwarf, so dass er mit lauter Stimme rufen musste, während die Peiniger fortfuhren, ihn zu bespucken und zu schlagen. In den beiden dazugehörigen Bildern ist zunächst der an eine Säule gebundene Christus zu sehen, den zwei Folterknechte anspeien, während ein dritter im Hintergrund über einem Feuer mit einer Zange offenbar die Eierschalen erhitzt (109v). Die folgende Illustration zeigt Christus mit verbundenen Augen auf einer Bank sitzend sowie zwei Peiniger, die auf ihn einschlagen. Gleichfalls ungewöhnlich erscheinen die zwischen Kreuzigung und Grablegung eingeschobenen Darstellungen, Essigschwamm und Eimer (121r), das Zerreißen des Tempelvorhangs (121v) und die Finsternis (122v), bei denen nicht auf geläufige Vorlagen zurückgegriffen werden konnte.

Farben:

Rot, Grün, Blau, Rosa, Gelb, Ocker.

Literatur:

Pensel, Weimar S. 2.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 10: 109v–110r. Christus wird (mit brennenden Eierschalen) gemartert.

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Abb. 10.