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44.14.4. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 1030

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 6

Datierung:

Um 1400–1410.

Lokalisierung:

Elsass (Straßburger Raum).

Besitzgeschichte:

Die Handschrift entstammt der Bibliothek des badischen Zisterzienserinnenklosters Lichtenthal, in dem sie aber nicht entstand. Mit der restlichen Lichtenthaler Bibliothek gelangte sie an Fridegar Mone, der sie 1885/86 veräußerte. Über das Straßburger Antiquariat Trübner kam sie 1887 an die Berliner Königliche Bibliothek (vgl. Innendeckel: Akzessionsnr. acc. 1887.27; im vorderen Spiegel alte Bleistiftsignatur I 494, Rest eines älteren Blattes mit der Nr. 10 [= Mones Signatur]).

Die kurze Gründungslegende des Kartäuserordens (69ra) ist ein mögliches Indiz für die Entstehung der Kompilation bzw. der Handschrift in diesem Orden.

Inhalt: Kompilation geistlich-lehrhafter und mystischer Erbauungstexte in deutscher Prosa (vgl. die detaillierte Aufstellung [54 Textabschnitte] bei Bacher [2006] S. 74 f.)

Bis 66ra der Chronologie der Bibel folgend (Schöpfung bis Jüngstes Gericht), daher früher (seit Vollmer [1938]) in den Umkreis der Historienbibeln (vgl. Stoffgruppe Nr. 59.) gerückt, Bacher (2006) bezeichnet diesen Kompilationsteil als »Vorläufer der Gattung Historienbibel«. Schlussteil ohne deutliche Ordnung. Erzählende Passagen aus der Bibel mit Betonung der zentralen Ereignisse der Heilsgeschichte werden durch Exempel und lehrhafte Traktate ergänzt. Im Vordergrund steht Passionsfrömmigkeit, während Maria und Heilige weniger im Blickfeld sind.

Darin u. a.:
1ra–4va Über die Dreifaltigkeit, mystischer Traktat aus dem Kreis Meister Eckharts
4va–26ra Alttestamentliche Texte

Sturz Luzifers 4ra; Schöpfung (Gn 1, 2) 4va; Sündenfall (Gn 3) 5ra; Kain und Abel (Gn 4) 7ra; Arche Noah (Gn 6–9) 8ra; Turmbau zu Babel (Gn 11) 9ra; Abraham und Isaak (Gn 17–19, 21–23, 25) 9rb; Moses’ Berufung und Zehn Plagen (Ex 1–3, 7–12) 13ra; Auszug aus Ägypten (Ex 13–16, 19, 24, 32, 34) 16rb; Moses’ Tod (Dt 34) 19rb; David (II Sm 12, I Sm 15–17, 6) 20va; Salomon (I Rg 2–3, 6, 8–9); ›Speculum humanae salvationis‹, deutsch (Kap. XXVIII) 21va; Daniel (Dn 3, 6) 23rb; Jonas (Ion 1–4) 24vb

26ra Allegorese der Bundeslade
27ra Hochmutstraktat I
27rb–34vb Von den zehn Geboten, mit Exempeln

Vgl. 2VL 10 (1999) Sp. 1496 (dort fälschlich Mgf 1023)

34vb–49vb Passionstraktat ›Christi Leiden in einer Vision geschaut‹, Fassung III, nach den Tagzeiten gegliedert

Vgl. 2VL 1 (1978) Sp. 1218–122 (ohne diese Handschrift); Tobias A. Kemper: Die Kreuzigung Christi. Motivgeschichtliche Studien zu lateinischen und deutschen Passionstraktaten des Spätmittelalters. Tübingen 2006 (MTU 131), S. 148 Anm. 462

49vb Christi Höllenfahrt (›Speculum humanae salvationis‹, deutsch, Kap. XXVIII)
50vb–56ra Evangelientexte

Die vier Osterevangelien (Mt 28; Mc 16; Io 20; Lc 24) 50vb–52rb; Evangelien der Osterwoche: Erscheinungen Jesu (Io 20; Mt 28; Lc 24; Io 21) 52rb–55va; Evangelium vom Himmelfahrtstag (Mc 16) 55va–56ra

56ra Vom Pfingstfest (Act 1–2)
59rb–66ra Über die letzten Dinge: Jüngstes Gericht (›Fünfzehn-Zeichen Traktat‹, Ps.-Beda-Typ; Mt 25, 24) 59rb–63va, Hölle 63va, Himmelreich 65ra
66ra–76vb Lehrhafte, mahnende und erbauliche Kurztexte und Gebete, darunter Gründungslegende des Kartäuserordens und das Passionserlebnis eines Bruders 69ra, eine Fabel, Exempel, eine Allegorese der Blume aus der Wurzel Jesse (›Speculum humanae salvationis‹ deutsch, Kap. IV) 72va–75vb, u. a.
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 76 erhaltene Blätter (28 wohl leere Blätter wurden nachträglich herausgeschnitten), 295 × 217 mm, zweispaltig, 36–37 Zeilen, Textualis, ein Schreiber, Rubrizierungen (einfache rote Initialen) brechen 74vb ab. Der Schluss der Handschrift fehlt (Textabbruch mitten im Satz), aber der laufende Textbestand ist unversehrt und wird durch die 33 Leerseiten (3v, 5v, 6r, 9v, 10r, 19v, 20r, 28rv, 30r, 30v, 41v, 42r, 43v, 44r, 45v, 46r, 52v, 53r, 54v, 55r, 59v, 60r, 64rv, 66v, 67r, 69v, 70r, 71v, 72r, 73v, 74r) nicht unterbrochen.

Schreibsprache:

elsässisch.

II. Bildausstattung:

Die Handschrift wurde in ihrer Gesamtheit als Text-Bild-Ensemble konzipiert, jedoch ist nur das erste Bild (3r Hl. Dreifaltigkeit) vorhanden; weitere Bilder sind nicht ausgeführt worden bzw. nicht erhalten. Blattrückseite 3v leer (Farben scheinen durch).

Die Verteilung der noch vorhandenen leer gebliebenen Seiten im Text lässt Schlüsse auf deren geplante Bildthemen, wie sie vergleichbar auch in anderen Erbauungsbüchern auftreten, zu. Vgl. auch die Titeleinträge 1ra: Von der heiligen drivaltikeit und wie got die engel beschuf, vnd wie sich Lucifer got glichen wolte. In geschrift vnd in gemeltze stat es nach enander; 4va: Wie got das paradis mahte vnd wie er Adam darin beschuf. Das vindet man hie in geschrift vnd in gemeltze nochenander; 59rb: Von dem jüngesten gerichte vnd von der hellen vnd von dem himelriche in schrift vnd in gemeltze nochenander. Vermutlich waren demnach folgende weitere Bildthemen vertreten: aus dem Alten Testament Sündenfall (5v/6r), Abraham (9v/10r), Moses (19v/20r), Zehn Gebote (28rv/30rv); aus dem Neuen Testament die Passionsgeschichte, als Abschnitte der Tagzeiten geordnet (41v/42r Terz: Dornenkrönung; 43v/44r Sext: Kreuzigung; 45v/46r Non: Jesus am Kreuz), Ostern (52v/53r), Apostelversammlung mit Thomas (54v/55r), Fünfzehn Zeichen des Jüngsten Gerichts (59v/60r), Hölle (64rv), Himmelreich (66v/67r); ein Exempel über die Seelen im Himmel (69v/70r); sieben Tugenden/sieben Hauptsünden (73v/74r).

Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung, Bildthemen:

3r ganzseitige Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit. Deckfarbenmalerei mit Blattgold (215 × 155 mm), ohne Rahmen. Gottvater und Christus sitzen einander zugewandt auf einem Thron, Gottvater mit erhobener Zeigehand, Christus mit gefalteten Händen. Eine Besonderheit ist die Verschmelzung beider Personen durch den umhüllenden Mantel, der von der Schulter des einen zu der des anderen führt und so ihre Einheit ausdrückt; von jeder der beiden Personen ist entsprechend auch nur ein Fuß zu sehen; ihre Gesichter gleichen sich, Bart und Haare sind jeweils gleich gestaltet, nur in anderen Farben. Der Heilige Geist schwebt als Taube senkrecht zwischen den beiden Köpfen. Eng verwandt sind die etwa zeitgleichen Trinitätsdarstellungen in der Bilderbibelhandschrift Liège, Universitätsbibliothek, ms. Wittert 3, Taf. 4 (siehe Nr. 15.4.2.; Seitenanordnung von Gottvater und -sohn umgekehrt) und in der Gebetbuchhandschrift Bern, Burgerbibliothek, Cod. 801, 16r (Nr. 43.1.30.), die beide aus demselben Raum stammen. Der Zeichner könnte mit dem der Lütticher Handschrift identisch sein. – Kräftig gezeichnete Konturen, kräftiger Farbauftrag. Die Gesichter sind fein und differenziert gezeichnet, Lippen und Wangen rot getupft, die Augen in Mandelform mit dunkler Pupille, Augenbrauen; die Haare gescheitelt, gewellt und lang, die Bärte zweigeteilt und lockig; die Nimben mit kräftigen Konturen und eingezeichnetem Kreuz; die Gewänder in weich fließenden Falten.

Farben:

Kräftige unvermischte Farben, Rot, Grün, Blau, Grau, Hellbraun, Rosa, Schwarz, Blattgold.

Literatur:

Degering 1 (1925) S. 144 f. – Wegener (1928) S. 22, Abb. 18; Jerchel (1932) S. 44; Vollmer (1938) S. 120–123; Achten, 1. Aufl. (1980) S. 75 f. Nr. 33, Taf. 9 (3r, schwarz-weiß); Achten, 2. Aufl. (1987) S. 66 f. Nr. 29, Taf. 11 (3r, farbig); Christoph Gerhardt / Nigel F. Palmer: XV. Signa [Katalog. Trier, Oxford 2000] online publiziert unter http://www.handschriftencensus.de/forschungsliteratur/pdf/4224.pdf, S. 5 f. (Sigle K4); Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 1, S. 207, Bd. 2, Abb. 308 (3r); Rachel Bacher: Mgf 1030 Berlin – eine frühe deutsche Historienbibel? Untersuchungen einer spätmittelalterlichen Kompilation. PBB 128 (2006), S. 70–92; Carsten Kottmann: das buch der ewangelii und epistel. Untersuchungen zur Überlieferung und Gebrauchsfunktion südwestdeutscher Perikopenhandschriften. Münster u. a. 2009 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 14), S. 328 f. (Sigle B4).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. 44.XV: 3r. ›Über die Dreifaltigkeit‹: Trinität.

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Taf. 44.XV.