39.16. Samuel Zimmermann
Bearbeitet von Rainer Leng
KdiH-Band 4/2
Neben Franz Helms ›Buch von den probierten Künsten‹ und Andre Popffingers ›Kunstbuch von Artillerie‹ kommt allein der ›Dialogus‹ des Augsburger Büchsenmeisters Samuel Zimmermann auf eine umfangreichere handschriftliche Überlieferung. Inhaltlich unterscheidet sich der ›Dialogus‹ durch seinen literarischen Anspruch von den ansonsten rein auf Wissensvermittlung artilleristischer Stoffe beschränkten Handschriften. Es enthält eine ausführliche Vorrede mit einer historischen und theologischen Legitimation der Artillerie. Eine weitere Vorrede in Reimpaarversen führt in reicher allegorischer Verbrämung die beiden Hauptpersonen ein: einen Feuerwerker und einen Büchsenmeister, die sich im Hauptteil in einem Lehrgespräch zunächst unter der Führung des Büchsenmeisters, sodann unter Führung des Feuerwerkers über die jeweiligen Gegenstände ihres Berufes unterrichten, insbesondere den Umgang mit den Geschützen, Raketen, Böllern, allerlei Feuerwerken, Sprengmitteln und Gaswaffen darlegen. Mythisches, historische Figuren und antikisierende Allegorien durchziehen den anspielungsreichen Text.
Das Bildprogramm ist schmal und dem Text nachgeordnet. Lediglich eine bis höchstens acht kolorierte Federzeichnungen zeigen in der Regel ein Eröffnungsbild der beiden Protagonisten, dann wenige Abbildungen von Sprengbomben, Quadranten und Feuerwerkskörpern in prachtvoller Ausmalung. Gelegentlich sind die Zeichnungen durch Landschaftshintergrund, etwa eine brennende Festung, Panoramadarstellungen eines Feldlagers mit Artillerie, oder sorgfältig gezeichnete Feuerwerkschlößchen mit antiken Figuren aufgewertet. Daß die meisten Handschriften des ›Dialogus‹ ohne Illustrationen auskommen, belegt den Vorrang der schriftlichen Wissensvermittlung.
Samuel Zimmermann fertigte in den Jahren 1572–1576 eine ganze Serie seines ›Dialogus‹ in rationeller Produktionsweise. Die meisten Abschriften, die alle von einer Hand (wohl Autograph) stammen, weitgehend identische Einbände und Seitengestaltung aufweisen, entstanden wohl parallel. In zwei Fällen wurden die mit präzisen Abschlußdaten versehenen Handschriften am gleichen Tag beendet. In einigen Fällen sind hochrangige Adressaten nachzuweisen, so daß Samuel Zimmermann mit seiner Serie wohl geziehlt die Fürstenbibliotheken des 16. Jahrhunderts bediente. Zu dieser Serie zählen folgende Handschriften:
Colmar, Bibliothèque Municipale, Ms. 69 (1574, aus dem Besitz Lazarus Schwendis, nicht illustriert)
Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs 485 (1573, nicht illustriert, vermutlich für Landgraf Georg I. von Hessen)
Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 258 (1573, nicht illustriert)
Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Durlach 14 (1573, vielleicht für den jungen Markgrafen Ernst Friedrich zu Baden und Hachberg [1584–1603], nicht illustriert)
München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 4165 (1472, aus dem Besitz des Augsburger Ratsherrn Sebastian Christoph Rehlinger, nicht illustriert)
München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 957 (1572, illustriert, siehe Nr. 39.16.3.)
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 10726 (1573, wohl für die Wiener Hofbibliothek, illustriert, siehe Nr. 39.16.4.)
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 10975 (1575, wohl für einen habsburgischen Empfänger, nicht illustriert)
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 10977 (1576, nicht illustriert)
Zweibrücken, Bibliotheca Bipontina, Hs. 27 B (1574, für den Pfalzgrafen Karl in Birkenfeld, nicht illustriert)
Ob die seit 1945 verschollene Handschrift aus Berlin, Deutsches Historisches Museum, Ms. 16 (datiert 1577) zu dieser Serie gehörte und ob sie illustriert war, muß offen bleiben. Dies gilt ebenso für die nur in der älteren Literatur erwähnte Handschrift Wien, Sammlung der Fürsten von Liechtenstein (olim Bibliothek Hauslab, nach
Außerhalb der von Zimmermann selbst besorgten Serie sind nur wenige Abschriften zu verzeichnen. In Gotha, Chart. A 560 und Chart. A 561 steht der Inhalt des ›Dialogus‹ samt Illustrationen unter der falschen Verfasserangabe Friedrich Hutzelmann (siehe Nr. 39.15.1.– Nr. 39.15.2.). Eine weitere Abschrift folgt auf das sog. Stuttgarter Harnischmusterbuch (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. milit. 2o 24), ist jedoch nicht illustriert und stammt wohl aus dem beginnenden 17. Jahrhundert. Nicht von der Hand Zimmermanns ist auch die nicht illustrierte Handschrift Gotha, Chart. A 568 (um 1580).
Von Samuel Zimmermann ist noch ein weiteres Werk unter dem Titel ›Pyromachia‹ bekannt, das in zwei Exemplaren überliefert ist. Es enthält ein Feuergedicht und 10 Kapitel über natürliche und kriegerische Feuer, die Abwehr von Feuerzaubern, Rauch- oder Feuerzeichen zur Nachrichtenübermittlung, Abschnitte über die Probation, Purgation und Jurisdiktion des Feuers sowie über Remedia gegen Verbrennungen. Die beiden Handschriften Gotha, Chart. A 566 (nach 1590) und Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Nr. 25090 (Anfang 17. Jahrhundert), sind zwar in geringem Umfang illustriert, waren hier jedoch nicht aufzunehmen, da sie nicht unmittelbar auf mittelalterliche Stoffe und Bildprogramme zurückgehen.