KdiH

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37.2.10. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 254

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

1430 (datiert 78r).

Lokalisierung:

Wien.

Besitzgeschichte:

Ein Wappen, vielleicht dasjenige des Auftraggebers oder Besitzers, wurde mit deckender Farbe (dunkles Rotviolett) nahezu unkenntlich gemacht (unter der Übermalung vielleicht senkrecht gewellter oder gezackter Stab, schwarz?), es scheint jedenfalls nicht identisch zu sein mit dem des Zisterzienserklosters Aldersbach bei Passau (vgl. Ziegler [1983] S. 188), wo sich die Handschrift später befand (radierter Bibliotheksvermerk aus dem 17. Jahrhundert 78v) und dessen mittelalterliche Handschriften nach der Aufhebung des Klosters 1803 in die Münchener Hofbibliothek kamen.

Inhalt:
1r–78r Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch

Hs. M2; Prolog, Buch I–IV

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + 78 Blätter (Blatt 4 untere Ecke mit Text- und Bildverlust abgerissen, ein Blatt fehlt nach 68), 305 × 215 mm, Bastarda, einspaltig, 42–43 Zeilen, ein Schreiber (datiert 78r Finitus etc Tricesimo in die Octaua Epyphanie domini), rote Überschriften, Strichel und Kapitellombarden über zwei bis drei Zeilen, 1r, 22v, 48v, 70r Deckfarbeninitialen über sechs bis acht Zeilen.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

94 von ehemals 96 kolorierten Federzeichnungen, zwei fehlen wegen Blattverlusts (Blattangaben siehe Bildthemen und Bildstellenübersicht).

Format und Anordnung:

in farbig gefülltem Kastenrahmen, bei unterschiedlicher Höhe (meist über zwölf bis vierzehn Zeilen) jeweils recht genau die Hälfte der Schriftspiegelbreite einnehmend und linksbündig mitten in den neben dem Bild fortlaufenden Text jeder Fabel eingefügt.

Bildaufbau und -ausführung:

1r D-Initiale: blauer Buchstabenkörper auf quadratischem, mit dunkelgrün-gelbem Blümchenmuster besetztem grünen Grund mit abgesetztem grünen Rahmen, im Binnenraum nicht identifizierter übermalter Wappenschild, davon ausgehend dreiseitige Akanthusranke in Deckfarbenmalerei (Violettrot, Blau, Hell- und Dunkelgrün), mit flachen Blüten und wenigen Spiralausläufern in Pinselzeichnung. Akanthusranken mit Blüten auch 2v und 3r (von dem Bildrahmen ausgehend). Die übrigen Deckfarbeninitialen insgesamt mit kurzen, einfarbig grünen Akanthusranken ohne Blütendekor deutlich schlichter als die Eingangsornamentik: 22v wie 1r auf Streublümchengrund, 48v und 70r auf Blumenrispengrund in Deckweißdekor.

Die Fabelillustrationen mit der Feder vorgezeichnet, danach mit teils deckend, meist aber laviert und sehr fein abstufend aufgetragenen Farben ausgemalt, dabei ist der Papiergrund zur fließenden Aufhellung der Farben sorgfältig mit einbezogen, Lichtakzente werden zudem mit Deckweiß gesetzt. Zum Schluß mit Schwarz nachgearbeitet. Die Figuren sind in eine oft nahezu symmetrisch aufgebaute Szenerie eingebettet: grünes oder braunes Terrain, gelegentlich mit wenigen olivgrünen Pinselstricheln für Grasbewuchs (vor allem 16v, hier auch ausnahmsweise Blumenbewuchs), konvex gewölbt oder in spiralig sich erhebende Hügel- und Felsformationen aufwachsend, mit schlanken Einzelbäumen oder schematisch angeordneten Baumreihen als strukturierenden Elementen (vor allem in den Laubkronen starke Hell-Dunkel-Kontraste). Gebäude nur, wenn sie als Ortsangabe erforderlich sind, sehr selten als Kulisse (7v); nur 37v im Hintergrund eine geschlossene Stadtansicht. Der Hintergrund in von Weiß bis dunkel nach oben sich verdichtendem Himmelsblau oder in deckend violettroter Farbfüllung, selten auch deckend blau (34v, 60v) oder grün (39r) gefüllt. Die Hintergrundfarben wurden vorab mit Buchstaben angegeben: p für Violettrot (z. B. 29v, 48r), s (stets spiegelbildlich) für Himmelsblau (z. B. 39v, 45r; 67v sw und pw).

Die Figurenzeichnung nutzt den Bildraum geschickt aus, Tiere werden in variantenreichen Haltungen positioniert (Profil, frontal, Rückansicht, sitzend, zusammengekauert, sich windend u.s.w.), sehr häufig mit entgegen der eigenen Bewegungsrichtung zu ihren Antagonisten zurückgewandtem Kopf. Dabei kehren bestimmte Formen schablonenhaft wieder, insbesondere der meist schräg ins Bild fliegende Rabe (2r, 2v, 3r, 5r, 19v, 27r, 41v, 44r, 45r und öfter, anderswo auch leicht variiert); Nadelstiche entlang der Figurenumrisse allerdings, die Suckale ab 44r zu erkennen meint und als Anzeichen für die Anwendung eines Durchpausverfahrens deutet, sind für diese Schablone nicht auszumachen, ohnehin allenfalls 44v, doch auch hier dürfte es sich eher um punktuell abblätternde Deckfarbe der schwarzen Konturierung handeln. Die Charakterisierung der Tiere gelingt durch exakte Zeichnung und feinfühlige Farbgestaltung anatomischer Details (z. B. die Füße des Hahns 46r), kantiger Ausdruck wird dabei jedoch vermieden zugunsten einer weich harmonisierenden Körperbildung. Menschliche Figuren ebenfalls in fließenden Konturen und bewegter Körpersprache, gelegentlich (z. B. die Körperdrehung 2v oder der weite Ausfallschritt 69v) manieriert wirkend. Meist überlange Gewänder schmiegen sich den Körpern in weichen Faltenbewegungen an, die Gesichter sind in sehr blassen grauweißen Schattierungen rund und puppenhaft modelliert, Haartrachten stehen in duftigen Locken ab.

Als Entstehungsort war früher Regensburg angenommen worden (Kautzsch [1894] S. 52; Brandt [1912] S. 135, noch Suckale [1987]); bereits Ziegler (1983) verwarf aufgrund stilistischer Argumente diese Zuordnung und lokalisierte den Bilderzyklus nach Wien in den unmittelbaren Kontext der Werkstatt der zerstörten ›Historienbibel IIIa‹ (Wien, Albertina, Inv. Nr. 31036 [Cim. II, Nr. 1a], u. a., siehe KdiH Nr. 59.7.1.; vgl. auch Ziegler [1988] S. 28). Einhorn (1975, S. 422 f.) hält Cgm 254 für die unmittelbare Vorlage des Buchmalers des Melker Cod. 551 (Nr. 37.2.9.).

Bildthemen:

Über die dafür prädestinierten Fabeln II,6, II,11, II,15 hinaus nur selten mehrere Szenen in einem Bild (50v zu III,3). Zu den Darstellungen unbelebter Fabelprotagonisten zuweilen sehr individuelle Bildfindungen: zu I,17 (Sonne und Merkur) gegenüber sonst gängiger Motivwahl (Sonne gegen Stern über Landhorizont) hier ein hemisphärisch geteilter Himmelszirkel, ebenso zu II,24 (Himmel und Saturn), zu III,21 (Himmel und Erde) erweitert zu einem vollständigen Sphärenzirkel. 23r (zu II,1 Luft und Erde): In einem floralen Kreis stehen sich diagonal ein blasendes Luftgesicht und ein mit zwei Bäumen bewachsenes Erdgesicht gegenüber; ähnlich, doch ohne die florale Binnenrahmung 33r (zu II,12). 65v (zu III,19 trockene Erde und feuchte Luft) stellt geradezu einen Wasserkreislauf dar: Über einem überall aufplatzenden braunen Boden rechts ein blaues Wolkenband mit Binnengesicht, das die Feuchtigkeit, die wie eine sich nach oben windende Schlange aussieht, förmlich aus dem Boden zu saugen scheint, in der anderen Bildhälfte regnet es aus einer graublauen Wolke auf die Erde nieder. 67v (zu III,22 Tag und Nacht) unter der goldenen Sonnenscheibe mit menschlichem Gesicht und wattig getupftem, rotem Strahlenkranz (wie 68v zu III,24) ein Farbenspiel aus ineinander verlaufenden diagonal angeordneten Streifen von Weiß über Blau und Rotviolett zu Schwarz.

Abstrakta sind personifiziert: 23v (zu II,2) die Seele als nacktes, geflügeltes Kind, das von oben auf den tot am Boden liegenden, nur durch ein Lendentuch bedeckten Körper zufliegt; 28v (zu II,8) Wille als junger Mann in modischer Kleidung, der aus dem Bild strebt, doch von einer Frau, die mit der freien rechten Hand auf ein Kirchengebäude im Hintergrund weist, am Arm zurückgehalten wird (einzigartiger Versuch einer auf Glaubensfestigkeit abhebenden Deutung der Fabel im Bild, der von keiner anderen Handschrift wiederaufgenommen wird; vgl. Einhorn [1975] S. 421); 30v (zu II,10) Begierde und Verständigkeit als Paar: Einem sitzenden jungen Mann in geistlichem Ornat (Mitra und Stab, der aber nicht in einer Krumme, sondern kreuzförmig endet) wendet sich eine Frau in höfischer Kleidung (Pelzkappe) mit ausgestreckter Hand zu (ein besonders markantes Indiz für die punktuelle Nähe zu Melk, Cod. 551 [Nr. 37.2.9.]; vgl. ebenfalls Einhorn [1975] S. 421); 51v (III,4) Fortuna als Frau, ihre Standfläche ist kaum als Kugel zu erkennen, sie tritt gestikulierend auf den besitzgierigen Mann zu, der mit einem Geldbeutel in der Hand in einem Holzsessel sitzt. Ohr und Auge (21r, zu I,25) als separierte, wie auf die Kulissenfelsen rechts und links eines Baumes geheftet wirkende Körperteile.

49v (zu III,2 Maulwurf und Natur) fehlt (anders als in Melk, Cod. 551, vgl.auch München Cgm 340) eine Veranschaulichung der Natur als Protagonist; dargestellt ist lediglich der Maulwurf zwischen Erdhügeln.

Farben:

gedeckte Palette fein mit Weißausmischungen abgestufter Töne, deckend und lavierend aufgetragen; v. a. Blau, Grün-, Braun- und Grautöne, Violettrosa, Schwarz, Weiß; selten Rot und blasses Gelb.

Literatur:

Schneider (1970) S. 148 f.; Schneider (1994) S. 12, Abb. 94 (77v). 95 (78r). – Lelij (1930) S. XXCIII; Scharf (1935a) S. 19 f.; Einhorn (1975) S. 391. 399–407 und passim, Abb. 18 (1v). 20 (7r). 27 (21r); Ziegler (1983) S. 185–191, Abb. 3 (28v). 5 (58r); Schmidt (1986/2005) Abb. 5/19 (61v). 23/11 (60v); Regensburger Buchmalerei im Mittelalter (1987) S. 101, Nr. 84 [robert suckale], Taf. 60 (1v). 61(22v); Ziegler (1988) S. 28, Abb. 13 (7r); Bodemann (1988) S. 64 f., u. ö. ; Norbert H. Ott: Texte und Bilder. In: Horst Wenzel (Hrsg.): Die Verschriftlichung der Welt. Wien 2000 (Schriften des Kunsthistorischen Museums Wien 5), S. 105–143, hier S. 110.112 (zu 21r); Obermaier (2002) Abb. 11 (1v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXVIIa: 18v. Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch: Ein Lamm liegt, von einem Bären überwältigt, blutend am Boden, im Baum darüber eine Taube (Fabel I,22. Taube belehrt Bär, der ein Lamm quält).

Taf. XXVIIb: 32r. Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch: Fuchs und Hirschkkuh im Gespräch (Fabel II,11. Hirsch rät Hirschkuh von Hörnern ab / Bär, der Hörner haben wollte).

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Taf. XXVIIa.
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Taf. XXVIIb.