KdiH

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37.2.9. Melk, Stiftsbibliothek, Cod. mell. 551 (961)

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

Um 1440–50 (Wasserzeichen Dreiberg im Kreis ähnlich Piccard online Nr. 153206).

Lokalisierung:

Raum Wien?

Besitzgeschichte:

Provenienz unbekannt. Da die Handschrift keine Barocksignatur trägt, ist sie wohl erst nach der ab 1713 erfolgten Katalogisierung der Melker Handschriften durch Bernhard Pez (1683–1735) in die Stiftsbibliothek gelangt (vgl. Glassner [2000] S. 9), Mitte des 19. Jahrhunderts neu gebunden.

Inhalt:
1r–120r Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch

Hs. Me1; Prolog, Buch I–IV; unvollständig wegen Blattverlusts

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 120 noch vorhandene Blätter (es fehlen zwei Blätter vor 1, je ein Blatt vor 4, 16, 35, 39, 114‚ 115, zwei Blätter vor 114, mindestens vier Blätter nach 120; Blatt 7 seitenverkehrt eingebunden, Blatt 120 seitenverkehrt und an falscher Position eingebunden, gehört vor 119; besonders im ersten Teil der Handschrift sind die Blätter abgegriffen, an den Rändern ausgefranst, mit zahlreichen Brüchen und Rissen, einige Löcher alt überklebt), 278 × 215 mm, einspaltig, 35–36 Zeilen, Bastarda, ein Schreiber, rote Lombarden über drei Zeilen, rote Strichel. An den Buchanfängen Initialen mit Goldauflage (Buch II, 30v) bzw. in Blau (Buch III, 71v) über fünf Zeilen mit rotem Fleuronné. Überschriften in Schwarz oder Rot (die kapitelzählende Überschrift in schwarzer Tinte ist oft um einen Moralsatz in Rot ergänzt).

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

82 noch vorhandene Deckfarbenillustrationen von ursprünglich wohl 96 (Blattangaben siehe Bildthemen und Bildstellenübersicht).

Format und Anordnung:

querrechteckige, meist nicht ganz halbseitige Bilder, jeweils vor dem Fabeltext eingefügt, die gesamte Schriftspiegelbreite einnehmend. Eine rahmende Einfassung ist zwar nicht ausgeführt, doch bei der Konzeption der Bildanlage bedacht: Die lineare Schriftspiegeleinfassung fungiert exakt als seitliche Begrenzung, untere Begrenzung ist stets die Fabelüberschrift bzw. der Moralspruch (auch wenn dieser separat als letzte Zeile einer Seite eingefügt ist), so daß die Bilder unten nie unmittelbar mit der Schriftspiegeleinfassung abschließen; nach oben ist die Bildbegrenzung durch Text nicht zwingend, aber auch hier dient die Schriftspiegeleinfassung als Rahmenlinie, über die nur gelegentlich einige Requisiten hinausragen (der Turmhahn 18r). Mehrfach gibt es Anweisungen des Schreibers an den Maler, die Bilder aus Platzmangel erst auf die folgende Seite zu plazieren (Dy czehendist geleichnuͤs dy mall auff dem anderen tail wenn es ist do czu eng wenn es mues pildwerich seyn [39r]; … die mal auff das ander plat mit irem Capitel wenn die figur hat alhie zu eng [84v]).

35r und 36v sind in der Reihenfolge und Textzuordnung falsche Vorzeichnungen mit Deckweiß übermalt worden, bevor die richtige Zeichnung ausgeführt wurde: Die ursprüngliche Vorzeichnung auf Blatt 35r betraf Fabel II,5 statt II,6, auf Blatt 36v II,6 statt II,7 (der Irrtum ist deshalb auffällig, weil das Blatt vor 35, auf dem Text und Bild zu Fabel II,5 hätten stehen müssen, fehlt); mit Deckweiß übermalte Vorzeichnung ebenfalls 83r (zu III,7).

Bildaufbau und -ausführung:

Standfläche der dargestellten Figuren ist ein hell- bis lehmbraun laviertes Terrain, meist bestückt mit oft seriell angeordneten, mit dem Pinsel in lichtem Grün gezeichneten Gräsern, im Bildvordergrund, wo das Terrain sehr transparent aufgehellt ist, auch in Braun (oder in umgekehrter Farbgebung: Boden grün, Gräser braun); über den oberen Rand des Bodenstücks ragen ebenfalls lehmbraune Gräser, gelegentlich mit ährenartigen Fruchtständen oder bunten Blüten. Statt eines solchen Bodenstücks oder als Kulisse rötlichgraue, sich fast spiralförmig oder in anderen, noch ornamentaler wirkenden Formen hochwindende Erd- und Felsformationen; dazu einzelne Laubbäume oder Zypressen, häufig auch Wehrburgen, Kirchtürme oder andere Gebäude (3r, 11r, 12r, 18r u.s.w.); 109v (ähnlich 1r, hier von Hügeln verdeckt) und 104v die komplette Ansicht einer ummauerten Stadt mit vielen perspektivisch unstimmig ineinander geschachtelten Gebäuden und zahlreichen verschiedenartigen Türmen. Kein tiefenräumlicher Hintergrund, keine Angabe des Himmels, keine Innenraumdarstellungen.

Tiere sehr detailreich und naturgetreu, in natürlichen Haltungen und Bewegungen gezeichnet, dabei die Anatomie der Körper schärfer herausgearbeitet als im Cgm 254 (siehe unten), wo Formen geglättet, gerundet, weicher modelliert werden. Sehr differenziert feinmalerisch gepinselte Fell- und Gefiederstruktur; die Bauchpartien von Fuchs, Hirsch und anderen etwa mit Deckweißausmischungen aufgehellt; andere Tiere erhalten durch Deckweißhöhungen auffallend scheckige Färbungen (z. B. 10r, 14r). Tierfiguren haben nur in Ausnahmefällen und nicht unbedingt konform mit der übrigen Bildüberlieferung anthropomorphe Züge oder Attribute: So ist der Fuchs (I,24 Fuchs als Pilger und Tiere) nicht mit Pilgerzeichen versehen (25r), hingegen trägt die Taube (II,30 Taube und Pfütze) einen Schal (70r; vgl. 33v, wo eine der beiden Tauben ein rotes Wams trägt). Menschliche Figuren in ausgewogenen Proportionen, die Körper werden durch weich fallende, überlange Gewänder modelliert, diese durchwegs höfisch-modisch gestaltet (z. B. 39v die Dame in hochtaillierten Kleidern mit weiten Puffärmeln, der Herr mit Dusing; 37v hochtaillierte Damengewänder mit langen Zaddelärmeln bzw. pelzgesäumten Armlöchern). Puppenhaft modellierte runde Gesichter, auffallend blaß (kein Lippenrot), mit leicht hervorstehenden, von einem markanten Oberlid meist halb verdeckten Augäpfeln. Der Buchmaler setzt seine ingesamt expressionistisch-bunte Farbpalette bewußt differenzierend ein, z. B. haben die Edelsteine 28r nicht nur unterschiedliche Farben, sondern liegen auch auf verschiedenfarbigen Felsen (ähnlich 27r und öfter).

Einhorn (1975, S. 395 und S. 422) meint anhand der Kolorierung neben der Haupthand, die auch für die Gesamtkonzeption (Vorzeichnung) verantwortlich war, eine schwächere zweite Hand identifizieren zu können (16v, 60r, 103r, 105v); tatsächlich unterscheiden sich aber diese Bilder schon aufgrund ihrer der Thematik (Gestirne, Atmosphärisches) geschuldeten lichteren Farbgebung und schlichteren Anordnung der Bildgegenstände vom Übrigen; sämtliche Darstellungen mit belebtem Personal sind jedenfalls ein und derselben Hand zuzuweisen. Der Maler könnte im Wiener Umfeld zur Zeit des frühen Lehrbüchermeisters zu suchen sein: Gerade die Gesichtszeichnung oder die vielleicht italienisch beeinflußte Gestaltung der Baumkronen (dunkelgrün hinterlegte, auseinanderfallende Einzelblätter in sehr lichtem Grün) zeigen Ähnlichkeiten. In den Wiener Raum deuten neben der von Ziegler (1983, S. 181) angemerkten Stilverwandtschaft mit Wien, Cod. 2774 (›Historienbibel IIIa‹, siehe KdiH Nr. 59.7.3.) auch die von Einhorn (1975, S. 422 f.) festgestellten Beziehungen zur Handschrift München, Cgm 254 (Nr. 37.2.10.).

Bildthemen:

Jeder Fabel ist genau ein einleitendes Bild zugeordnet, abgesehen von einer mehrszenigen Darstellung zur Doppelfabel II,6 (Affe am Mast/Affe und Fuchs) nur sehr gelegentlich Simultandarstellungen (I,23 Fuchs und Schlange: 24v, II,5 Hahn und schmeichelnder Fuchs: 47r).

Abstrakte Protagonisten vermenschlicht: zu II,2 Seele als nackter Jüngling, der entlang eines am Boden liegenden, nur mit einem Lendentuch bedeckten, ausgemergelten männlichen Körpers den Hang hochklettert (31v); zu II,8 Wille und Vernunft als zwei Damen in modischer Hofkleidung, zwischen ihnen ein Rosenstock (37v); zu II,10 Begierde und Verständigkeit als Paar: einem sitzenden jungen Mann in langem Kleid mit Schellengürtel, einen Stab in der Rechten erhoben (39v; vgl. die entsprechende Darstellung in München Cgm 254: dort der Mann als geistlicher Würdenträger), wendet sich eine junge Frau mit offenem Haar, in langem roten Kleid in Zeigegestus zu; zu III,4 ähnliche Anordnung: der besitzgierige Mann in reich gezaddelter Schecke weist (ohne Stab) auf eine Frau (Fortuna/Glück), die mit verschränkten Armen auf einer Kugel vor ihm steht (76v). Auch nicht belebte Protagonisten (Erde, Wolke u. a.) werden oft mit einem menschlichen Antlitz versehen (42v [zu II,12 Wolke und Erde], 105v [zu III,21 Erde und Firmament], 106v [zu III,22 Tag und Nacht]). Die Natur (III,2 Maulwurf und Natur) wird als ein durch graue Pinselschraffen gebildeter Nebel dargestellt, in den das Antlitz Christi eingefügt ist (73r). Ohne menschliche Züge dagegen 103r (zu III,19 Erde und Luft): ein Wolkenband, aus dem es auf ein weißgrün laviertes, scholliges Terrain niederregnet; auch Gestirne sind nicht immer personifiziert (16v [zu I,17 Sonne und Merkur] nur die Sonne mit menschlichem Antlitz; keine menschlichen Züge dagegen 60r [zu II,24 Firmament und Saturn]). Auge und Ohr (27r zu I,25) als isolierte Körperteile, auf je einem Felspodest liegend, zwischen ihnen ein Baum. Gerade letztere Auslegung eines Bildthemas zeigt – wie auch oben II,10 (Begierde und Verständigkeit) – deutliche Nähe zu München, Cgm 254. Insgesamt könnten ganze Bildsequenzen beider Handschriften zumindest auf ein und dieselbe Vorlage zurückgehen (z. B. III,11–16), doch ist diese enge Verwandtschaft nicht durchgängig; etliche Themen, auch einige Protagonisten, sind völlig anders gedeutet (z. B. auch Scrophilus: in Cod. 551 als Krokodil [74v], in Cgm 254 als Schlange [50v]).

Farben:

Blau, oft mit Weiß ausgemischt, mehrere Grün-, Braun- und Ockertöne, Schwarz, leuchtendes Mittelrot, Orangerot, Violett und Rosaviolett, blasses Gelb, Gold, Deckweiß.

Literatur:

[vinzenz staufer:] Catalogus manuscriptorum qui in Bibliotheca Monasterii Mellicensis OSB servantur. [Handschriftlicher Katalog um 1889], Bd. 3, S. 1305. – Einhorn (1975) S. 394. 399–407 und passim, Abb. 1–15, 22, 29 (25v. 28r. 29v. 31v. 32v. 35r. 37v. 39v. 70r. 76v. 92r. 96v. 104v. 109v. 120r. 6r. 27r); Musik im mittelalterlichen Wien. Historisches Museum der Stadt Wien 18. Dezember 1986 – 8. März 1987 [Ausstellungskatalog]. Wien 1986 (Historisches Museum der Stadt Wien, Sonderausstellung 103), S. 77 f., Nr. 162 (Charlotte Ziegler), Abb. S. 158 (27r); Bodemann (1988) S. 65 u. ö.; Einhorn (21998) S. 330 f., Abb. 153 (51v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Farbabbildungen (Vivarium)

Taf. XXVIIIa: 24v. Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch: Fuchs und Schlange, sich im Gespräch gegenüberstehend; Fuchs beißt Schlange (Fabel I,23. Fuchs und Schlange).

Abb. 103: 73r. Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch: Maulwurf, auf einem Hügel sitzend, und Gesicht Christi in einem Nebel (Fabel III,2. Maulwurf, sich über mangelnde Sehkraft beklagend, und Natur).

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Taf. XXVIIIa.
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Abb. 103.