KdiH

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37.2.7. London, The British Library, Egerton 1121

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

Um 1430.

Lokalisierung:

Salzburg (stilhistorische Datierung und Lokalisierung Schmidt [1986/2005]).

Besitzgeschichte:

Ein alter Besitzvermerk Ir ist bis zur Unkenntlichkeit gelöscht (Gehoͤrtt Euͦ […] in […]). 1845 aus der Buchhandlung des Kaufmanns, Sammlers und Bibliographen Adolf Asher (1800–1853) durch das British Museum erworben, dem Eintrag auf dem Einbanddeckel zufolge (Ex Legato Caroli Baronis Farnborough) mit Mitteln aus dem von Charles Long, Baron Farnborough (1761–1838) gestifteten Fonds.

Inhalt:
1r–127v Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch

Hs. Eg; Prolog, Buch I–IV; unvollständig wegen Blattverlusts (es fehlen folgende Textpassagen: III,12 Schluß bis III,14 Mitte; III,16 Schluß bis III,21 Mitte; III,22 Schluß bis III,26 Mitte; III,27 Schluß bis Ende)

I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, I + 127 Blätter (modern foliiert, am Ende modern ergänzt ist ein unbeschriebenes Nachstoßblatt aus Pergament), ab 120 fragmentarisch und verbunden, die verbleibenden Einzelblätter sind in falscher Reihenfolge eingebunden (korrekt wäre die Folge 119, 123, 120, 121, danach fehlt ein Blatt, 126, 127, 124, danach fehlen ca. sieben Blätter, 122, danach fehlen ca. zwölf Blätter, 125, danach fehlen etliche Blätter); 260–268 × 187 mm, einspaltig, 30–33 Zeilen; ein Schreiber, sehr saubere Bastarda, Buchüberschriften in Textura, rote Strichel, Kapitelüberschriften (fehlen ab 56r) und Caputzeichen, abwechselnd rote und blaue Lombarden mit Fleuronné in der Gegenfarbe über zwei oder drei Zeilen, 1r Deckfarbeninitiale über vier Zeilen mit Blattranken, am Beginn der Bücher II und III Fleuronné-Initialen über vier Zeilen (42r und 93r; Buch IV fehlt).

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

74 von ehemals 96 Deckfarbenminiaturen (Blattangaben siehe Bildthemen und Bildstellenübersicht). Salzburger Werkstatt.

Format und Anordnung:

mit dreiseitigem Rahmen durchschnittlich ca. 70–100 × 90–100 mm groß, die Hälfte bis 2/3 der Schriftspiegelbreite einnehmend, mitten im Text (über ca. 12–15 Zeilen) jeder Fabel. Trotz der unten nicht durch eine Rahmenleiste abgeschlossenen Bildanlage ist die Größe stets genau in den Schriftspiegelrahmen eingepaßt. – 2r und 122r sind zwei Bildszenen zu einem diptychonartigen Doppelbild zusammengestellt, 2r der eine Teil überklebt mit einer Federzeichnung aus fremdem Zusammenhang (siehe unten: Bildthemen).

Bildaufbau und -ausführung:

1r die Eingangsinitiale D auf quadratisch gerahmtem Grund in Rautenmuster mit Vierpaßfüllung, aus den mit gewelltem Blattmuster ornamentierten D-Schäften wachsen kurze Akanthusranken hervor. An den übrigen Buchanfängen haben die Initialen lediglich Fleuronné-Dekor, dessen markant gezahnte Besatzformen auch an den kapiteleinleitenden Lombarden auftauchen.

Die Miniaturen in profilierten, nach unten offenen Kastenrahmen in Rosaviolett oder Grün, deren Seitenbalken mit den unteren Enden auf dem meist leicht aufgewölbten Bodenstück aufsitzen, wobei das Bodenstück gelegentlich selbst zum Rahmenbestandteil wird (besonders 67r). Der Boden kontrastreich in vorne stark aufgehelltem, nach hinten sehr abgedunkeltem Grün, bewachsen mit vorne mit gelbem, hinten mit hellgrünem Pinsel gestrichelten Grashalmbüscheln und Blumen. In diese bühnenartige Konstellation sind die Fabelprotagonisten plaziert, die seitlich den Rahmen häufig überschneiden, so daß die Szene gleichsam aus dem Rahmen hervorzutreten scheint. Nur ausnahmsweise (79v Firmament und Saturn) auch unten geschlossener Rahmen. Auf Landschafts- oder Architekturrequisiten zur szenischen Ausgestaltung verzichtet der Maler nahezu völlig, nur wo es vom Text als Ortsangabe verlangt wird (wie z. B. 89r, zu II,29 Affe und Waldesel, der lag mit grossen smertzen vnder ainen puchen), sind Einzelbäume oder Baumgruppen eingefügt. Der Hintergrund in aufwendigem geometrischen oder vegetabilen Dekor. Menschen in schlanker, die Bildhöhe komplett ausnutzender Gestalt, kleine runde Köpfe, charakteristisch die plastisch abschattierte Kinnpartie und die seitlich abstehenden Haartrachten; höfisch-modische Kleidung: Mi-parti-Beinlinge, stark taillierte, körperenge Wamse. Nach Schmidt (1986/2005) könnten allein an den insgesamt in weichen Konturen und fließenden Bewegungsmomenten gestalteten menschlichen Figuren der Miniaturen mindestens vier Hände (eines gemeinsamen Werkstattzusammenhangs) beteiligt gewesen sein. Die Haupthand ist in zahlreichen Darstellungen zu finden (38r, 51v, 54v, 99v etc.), von ihr weichen etwa 11r, 47r oder 119v deutlich ab; die Tierbilder hält Schmidt für ausschließlich von einer Hand gemalt, die sich um differenzierte Charakterisierung der einzelnen Tierarten bemühte: in ihren Körperformen nicht wirklich naturgetreu, sondern ästhetisierend (Vorliebe für gestreckte Körper und fließende Linien), im Detail jedoch sehr präzise gestaltet (feinmalerisch abstufende Gestaltung von Gefieder und Fell, dabei sorgfältiger Einsatz von aufhellendem Deckweiß). Für die Ornamentierung der Bildgründe und der Rasenflächen nimmt Schmidt weitere Hilfskräfte an. Eine Sonderstellung hat 114v, nach Schmidt (S. 43) das »Werk eines vorzüglichen Illuminators«: als einzige Miniatur ohne ornamentierten, vielmehr mit atmosphärischem Hintergrund, eingefaßt durch einen Rahmen, in dem eine Akanthusranke sich spiralförmig um einen grünen Stab windet – ein Rahmenmotiv, das Schmidt in zahlreichen Bildinitialen der Grillinger-Bibel (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 15701; Salzburg um 1428/30) wiederfindet.

Die daraus resultierende Vermutung, daß die Handschrift in enger Berührung mit der in Salzburg ansässigen Werkstatt der Grillinger-Bibel entstanden sein könnte, wird durch eine Reihe weiterer Beobachtungen bestärkt; engstens verwandt sind z. B. die typischen Muster der Bildgrundornamentierung (Rauten aus diagonal verlaufenden Bändern; blattlose, oft dicht gebündelte Goldfäden, die in Spiralformen die Fläche füllen). Einen gemeinsamen Hintergrund vermutet Schmidt auch für die Tierdarstellungen, wobei als Vergleichsmaterial in der Grillinger-Bibel allerdings nur wenig zur Verfügung steht (v. a. Tiere als Bewohner des Rankenwerks).

Stilistische Details, wie sie ähnlich der Grillinger-Bibel auch in der Egerton-Handschrift anzutreffen sind, deuten auf Vertrautheit der Werkstatt mit Stilelementen des internationalen Stils; Schmidt sieht die Salzburger Werkstatt in engem Konnex mit böhmischen Vorbildern aus der Zeit um 1400, in der sich Einflüsse der Pariser wie der italienischen Buchmalerei verbinden und durch weitere Elemente angereichert werden; vor allem auf böhmische Herkunft verweist z. B. die üppige Rasenvegetation in den Miniaturen der Egerton-Handschrift. Für die szenischen Tierarrangements vermutet Schmidt die Kenntnisse anderer um 1420 sehr moderner Werke der westeuropäischen Buchmalerei – etwa den ›Livre de chasse‹ des Gaston Phébus in der Handschrift Paris, Bibliothèque nationale, ms. fr. 616.

Michaela Schuller-Juckes (siehe unten: Literatur) übernimmt die Annahme Salzburger Herkunft für die Egerton-Handschrift und stellt die Werkstatt, aus der sie hervorgegangen ist, in den Kontext des Frühwerkes Ulrich Schreiers.

Bildthemen:

Wie in den Handschriften Eger (Nr. 37.2.4.) und ehemals Konstanz (Nr. 37.2.6.) wurde die Illustration zur Vorrede mit dem Bild zu Fabel I,1 (Fuchs und Rabe) zusammengefügt, doch ist hier die Lasterdarstellung überklebt mit einer Schöpfungsdarstellung (kolorierte Federzeichnung aus fremdem Zusammenhang). – Bei den Fabelillustrationen zeigt sich die Neigung, über die hierfür prädestinierten Fabeln II,6, II,11, II,15 hinaus mehrere Szenen in einem Bild zu kombinieren (z. B. 4v [I,4 Affe und Tiere], 11r [I,8 Walfisch und Fischer], 34v [I,23 Fuchs und Schlange], 46r [II,4 Strauß und Henne], 69r [II,18 Rabe und Einhorn], 97v [III,3 Cocodrillus und Scrophilus], 114v [III,10 Jüngling am Goldberg]). Abstrakte Protagonisten werden vermenschlicht (43r [zu II,2] Seele als kleines nacktes Kind, das dem Körper entgegentritt, dieser stehend, in männlicher Gestalt, deren Bekleidung den Oberkörper frei läßt; 51v [zu II,8] Wille und Vernunft als zwei nur in der Farbe ihrer Kleidung unterschiedene Jünglinge, die sich dem Betrachter in Frontalansicht darbieten; 54v [zu II,10] Begierde und Verständigkeit als zwei sich gegenüberstehende Damen, die höhergewachsene scheint die andere zu unterweisen; 99v [zu III,4] Fortuna in horizontal auf den nachdenklich sitzenden Mann zufliegender, janusköpfiger Frauengestalt [ohne Flügel]); nicht belebte Naturelemente als Protagonisten (I, 17 Sonne und Merkur, II,1 Luft und Erde, II,12 Wolke und Erde,. II,24 Firmament und Saturn, III,2 Maulwurf und Natur, III,22 Tag und Nacht) erhalten hingegen nur ansatzweise menschliche Attribute (Sonne mit Gesicht). Zu I,25 (Ohr und Auge) sind beide Körperteile separiert und auf eine Blumenwiese plaziert, hinzu tritt eine Dame, die sich in weniger weisender als greifender Geste leicht zu beiden herunterneigt (38r; vgl. ehem. Konstanz [Nr. 37.2.6.], 24rb).

Farben:

zarte duftige Palette, vorrangig Rosaviolett, Grün und Braun in differenzierten Helligkeitsstufen und Abtönungen mit Deckweiß; selten leuchtende Farben. Pinselgold für Ranken und Rahmendekor.

Literatur:

Harry L. D. Ward: Catalogue of Romances in the Department of Manuscripts in the British Museum. Bd. 2. London 1893, S. 357–367; Priebsch II (1901) S. 70 f; – Scharf (1935a) S. 8–10; Einhorn (1975) S. 392. 399–407 u. ö., Abb. 23 (11r). 31 (38r); Janet Backhouse: The Illuminated Manuscript. Oxford 1979, S. 16, Abb. 57 (7v); Schmidt (1986/2005), Abb. 1 (51v). 2 (54v). 4/3 (114v). 6/18 (121v). 10/13 (36r). 17/14 (7v). 21/15 (69r). 22/10 (11v); Bodemann (1988) S. 61 u. ö.; Janet Backhouse: The Illuminated Page: Ten Centuries of Manuscript Painting in the British Library. London 1997, S. 168, Nr. 147 mit Abb. (44v); Margaret Scott: Medieval Dress & Fashion. London 2007 [deutsch: Kleidung und Mode im Mittelalter. Stuttgart 2007), Abb. 62 (51v). Michaela Schuller-Juckes: Ulrich Schreier und seine Werkstatt. Buchmalerei und Einbandkunst in Salzburg, Wien und Bratislava im späten Mittelalter. Diss. Wien 2009 [online unter http://othes.univie.ac.at/3288/], S. 107, 111.

Taf. XXVIa: 97v. Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch: krokodilartiges Reptil beißt Vogel, Rabe schaut zu (Fabel III,3. Freßgieriger Cocodrillus und Scrophilus).

Taf. XXVIb: 122r. Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch: Ein Gestirn mit goldenen und eines mit schwarzen Strahlen stehen sich gegenüber (Fabel III,22. Tag und sich beschwerende Nacht).

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Taf. XXVIa.
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Taf. XXVIb.