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80.9. Bairisches Geistliches Würfelbuch

Bearbeitet von Franziska Stephan

KdiH-Band 8

Das Bairische Geistliche Würfelbuch ist in zwei Sammelhandschriften erhalten: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2° Cod 25, 77rb–81ra (Nr. 80.9.1.) und Wien, Cod. 2953, 141r–151r (lediglich dekoriert mit 56 Würfelkombinationen und einer Figureninitiale ohne klaren Textbezug [141r], daher hier nicht aufgenommen; zur Handschrift siehe Nr. 51.6a.2. [Datenbank-Nachtrag]). Das Losbuch ist zuerst in der um 1419 datierten Augsburger Handschrift belegt. Wie andere geistliche Würfelbücher besteht es aus 56 Lossprüchen, die Christus, Maria, Engeln, den Aposteln, Propheten, alttestamentlichen Figuren, Kirchenvätern und Heiligen in den Mund gelegt sind. Die mehrversigen Lossprüche enthalten allgemein gehaltene Lehren und Mahnungen zum rechten Verhalten gegenüber Gott. Sie sind durch den Wurf von drei Würfeln zu ermitteln, deren Augenzahlkombinationen systematisch von 6.6.6 auf 1.1.1 herunterzählen. In beiden Textzeugen wird die Reihe der Losrichter durch Jesus Christus eröffnet und durch Maria beschlossen. Bei den übrigen Losrichtern der Wiener Handschrift handelt es sich nach Eichenberger (2015, S. 511) verstärkt um österreichische Lokalheilige (z. B. Oswald, Wolfgang, Koloman, Magnus, Radegunde), die auf eine Entstehung oder Überarbeitung des Textes im österreichischen Raum schließen lassen.

Das Bairische Geistliche Würfelbuch stimmt im Versmaterial teilweise mit anderen aus dem 15. Jahrhundert überlieferten Versionen des Geistlichen Würfelbuchs überein, dem Niederhessischen Geistlichen Würfelbuch (Kassel, Universitätsbibliothek, 8° Ms. med. 6, 179v–183v), dem Ostschwäbischen Geistlichen Würfelbuch (München, Cgm 270, 186v [Fragment]), dem Geistlichen Würfelbuch Konrad Bollstatters (München, Cgm 312, 71v–80v, siehe Nr. 80.11.1., Text 9) sowie dem Losbuch ›der morgen steren‹ (Wolfenbüttel, Cod. 35.3. Aug. 4°, 64r–72r; Heiles [2018] S. 413f. [Nr. 33–36]). Auch in diesen Versionen eines geistlich ausgerichteten Würfelbuchs eröffnet Jesus Christus die Reihe der Losrichter, die jedoch abweichend mal durch Abraham (Kassel) oder durch Judas Ischariot und den Teufel (Cgm 312) beschlossen werden. Grundsätzlich handelt es sich bei den geistlichen Würfelbüchern um einen den lateinischen ›Sortes Apostolorum‹ verwandten Typus von Wahrsageliteratur. Die Textzeugen selbst nennen keinen Titel, nur in zwei Handschriften werden die Würfelbücher als ›gůts Losbůch von heyliḡn‹ (Cgm 312) und ›der morgen steren‹ (Wolfenbüttel) angekündigt. Ein weiteres, als ›Loßbůch‹ betiteltes Würfelbuch in Cambridge, Massachusetts (Harvard University, Houghton Library, MS Ger 74, 35r–38r) legt seine moralisierenden Sprüche ebenfalls 56 biblischen Autoritäten in den Mund (Heiles [2018] Nr. 41). Der Text zeigt jedoch keine Übereinstimmung zu den bekannten Versionen des Geistlichen Würfelbuchs.

Alle genannten Würfelbücher sind mit schematischen Darstellungen von drei Würfeln zur Auffindung des richtigen Losspruchs versehen. Abseits dieser systematischen Angaben sind nur die beiden Textzeugen des Bairischen Geistlichen Würfelbuchs mit figürlichen Darstellungen illustriert. Dabei fällt die Ausstattung mit nur einer figürlichen Initiale im Wiener Textzeugen gegenüber den 56 Federzeichnungen der Augsburger Überlieferung sehr unterschiedlich aus. Basierend auf den heute bekannten Textzeugen lässt sich demnach keine Darstellungstradition fixieren. Jedoch stehen beide Texte durch die jeweilige Ausstattung und die Beigabe eines erklärenden Prologs (nur in Augsburg) sowie Epilogs mit Gebetsaufforderung und Hinweis auf den Ernst des Loswerfens in einem deutlich christlichen Kontext (Heiles [2018] S. 203–207). Untermauert wird dieser Anspruch auch durch die Kontextualisierung im jeweiligen Textverbund. Alle erhaltenen Würfelbücher sind Teil von Sammelhandschriften mit thematisch unterschiedlicher Ausrichtung: Von einschlägigen Kontexten wie der Losbuchsammlung des Konrad Bollstatter (Nr. 80.11.) oder astrologisch-mantischen Textsammlungen bis hin zu fachspezifischen Sammlungen mit medizinischer oder theologischer Ausrichtung. Bei der Augsburger Handschrift handelt es sich beispielsweise um das Hausbuch der Familie Herberstein mit prognostisch-astrologisch-medizinischen Texten (Nr. 49a.1.1.). Die starken Benutzungsspuren insbesondere des Würfelbuchs deuten auf dessen besondere Beliebtheit hin, die wohl auch auf die zahlreichen Illustrationen des Textes zurückzuführen ist. Bei der Wiener Handschrift handelt es sich hingegen um eine Sammlung kürzerer Texte der christlichen Erbauungsliteratur (Nr. 51.6a.2.). Abseits des sonst kritischen Losbuchdiskurses stellen die beiden Textzeugen des Bairischen Geistlichen Würfelbuchs damit zwei Beispiele für die positive Bewertung von Losbüchern dar, die sich auch in der Ausstattung der Texte niederschlägt.

Editionen:

Heiles (2018) S. 341–352.