KdiH

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80.9.1. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2º Cod 25

Bearbeitet von Franziska Stephan

KdiH-Band 8

Datierung:

Begonnen um 1419.

Lokalisierung:

Steiermark.

Ausführliche Beschreibung der Handschrift siehe Nr. 49a.1.1.

Inhalt: Sammelhandschrift der Familie Herberstein mit Kalendern, Aderlassregeln und astrologisch-prognostischen Texten.
5. 77rb–81ra Bairisches Geistliches Würfelbuch
56 Lossprüche von Heiligen in Reimprosa, nummeriert mit Würfelzahlkombinationen von 6.6.6 bis 1.1.1; 77r erklärender Prolog: Das haist ain los puech wers nicht gelawbt der versuechs nem diey wurffell in seinn hannt darnach wirtt im etwas pechant vnd werff sew also dar in merch recht denn lauff vnd den Synn es ist nicht vill gelogenns darann wer sich dar nach richtenn chan; 77va–81ra Lossprüche; 81ra Epilog mit Gebetsaufforderung und Hinweis auf den Ernst des Loswerfens: Wann du werffenn wiltt dar in tu es in aim gottleichem sinn. Sprich ein pater noster vnd ein affe maria vnd ein glawbenn nicht tu es in ainem gawkell hor was es dir petewttun chann, darnach richtt dich ffraw oder mann etc.; am Abschluss des Würfelbuchs befindet sich ein von derselben Hand geschriebenes, fragmentarisches Traumbuch (›Somnialia Joseph‹, Gruppe 3, deutsch, nicht illustriert), Inc. 81ra: Hie hebt sich ann die auslegung der trawm, die sand Joseph gedichtett hat, auf 81rb bricht der Text unvollständig ab: Und ain y pedewt merung der sunden Vnd ain
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 85 Blätter in zwei Teilen (Teil I: Urkundenabschriften, Teil II: Hausbuch), das Losbuch in Teil II: 250 × 195 mm, Bastarda, Textualis für übergeordnete Textstellen, geschrieben vom Hauptschreiber der Handschrift (17r–81v), zweispaltig, 31–34 Zeilen, fleuronnierte Zierinitialen, Rubrizierung, Strichelung, starke Gebrauchsspuren (Bl. 79 im Seitenrand oben ausgerissen).

Schreibsprache:

südbairisch.

II. Bildausstattung:

56, z. T. mit Deckfarbe kolorierte Federzeichnungen und Würfelkombinationen aus je drei Würfeln.

Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung:

Textgestaltung: Der Text des Würfelbuchs ist aufwendig durch verschiedene Schmuckelemente gegliedert. Der Beginn jeder Strophe wird durch eine schwarz-rote Initiale mit Fleuronné-Elementen markiert, die bei den Strophen zwei, beim Prolog vier, beim Epilog drei Zeilen hoch sind (diese sind als textgliedernde Elemente in der gesamten Handschrift eingesetzt). Der Perlen- und Palmettenblattbesatz der Initialen erscheint wie ein hinter den Strophen laufendes Schmuckband, das die Initialen einer Spalte miteinander verbindet bzw. die Strophen wie an einem Faden ›auffädelt‹. Die ersten beiden Zeilen jeder Strophe, Prolog und Epilog sind in Textualis mit roter Tinte geschrieben, die Anfänge der nicht abgesetzten Verse sind durch rote Strichelung markiert. Zusätzlich ist der Text durch ein unregelmäßiges (freihändig gezeichnetes?) Zeilengerüst in roter Tinte gegliedert.

Losmittel: Die Würfel sind als einfache, nebeneinander stehende Quadrate in Schwarz mit roter Rahmung dargestellt. Eine Ausnahme bilden die erste und zweite Strophe des Würfelbuchs (77v), bei der die Würfel plastischer, als auf einer Ecke stehende und an einer Ecke aufgeklappte Heftchen dargestellt sind (so auch die Würfeldarstellungen zu Text 3, 28v–32v: Tabellen zur Bestimmung der Festintervalle durch Würfeln).

Losrichter: Die Lossprüche sind mit je einer figürlichen Darstellung im Bundsteg, Seitensteg oder Kopfsteg illustriert, die durch die ›es sprach‹-Wendung als Verkünder der jeweiligen Weisung fungiert. Auf jeder Seite finden so sieben oder mehr Figuren Platz, die als Brustbilder, Steh- oder Halbfiguren ohne Rahmung und Hintergrundgestaltung ausgeführt und durchgängig mit Heiligenscheinen, weiten Tuniken und Mänteln ausgestattet sind. Durch die Benennung in den danebenstehenden Strophen sowie vereinzelte Attribute sind diese gut identifizierbar. Die Figuren blicken meist auf den zugehörigen Spruch, die Gesichtszüge sind ansonsten wenig individuell und zeigen nur z. T. eine expressive Mimik. Auch die Gestik ist v. a. auf die Vorführung der Marterwerkzeuge, weisende oder segnende Hände reduziert. Die Figuren sind nur partiell koloriert, bei den Gesichtern sind die Lippen mit Rot hervorgehoben, möglicherweise zur Betonung ihrer Sprecherrolle. Der Rest ist hingegen möglichst abwechslungsreich in kräftigem Grün, Rot und Gelb gestaltet.

Bildthemen:

Bei den figürlichen Darstellungen handelt es sich gemäß der Thematik des geistlichen Würfelbuches um christliche Autoritäten, unter denen bestimmte Gruppen ohne strenge Ordnung auszumachen sind. Die Varianz und Detailfülle der Darstellungen erscheint als eine Art Enzyklopädie der Heiligenikonografie und fügt dem Text einen eigenen, didaktischen Mehrwert auf visueller Ebene hinzu.

77va 6 6 6 Jesus christus: Weltenrichter mit Segensgestus; 6 6 5 sannd anna mit ioachim: sich umarmendes Liebespaar; 6 6 4 maria die hymlische chunigine und mayten: Mondsichelmadonna mit Strahlenkranz, das Christuskind auf dem Schoß; sie hält die linke Flügelspitze des Erzengels Gabriel in der Hand, der der Sprecher des nachfolgenden Losspruches ist; 6 6 3 Der engel sand gabriell: unter Maria kniende und diese grüßende Figur. 77vb 6 6 2 Sand michell: Erzengel Michael mit über den Kopf gehobenem Schwert und Waage; 6 6 1 Sand raphahell der engel; 6 5 5 Sand cherubin der engel. 78ra 6 5 4 Der engel sand seraphin; 6 5 3 Sand petter gocz chnecht: Petrus mit den Himmelsschlüsseln; 6 5 2 Sand paulus der was genant saulus der heilig: mit Schwert. 78rb 6 5 1 Sand mathias: mit aufgeschlagenem Buch; 6 4 4 Wartholomeus gottes junger vnd martier: mit großem Schindermesser und grünem Bündel (abgezogene Haut?); 6 4 3 Andreas: mit Buch und Kreuzstab; 6 4 2 Paullus: mit Schwert. 78va 6 4 1 Sand mathias: mit aufgeschlagenem Buch; 6 3 3 sand Cholmann: mit Schlingseil; 6 3 2 sand Symann: mit Buch und Kreuzstab; 6 3 1 Iohannes: mit Buch und Kelch mit zwei Schlangen. 78vb 6 2 2 Mathews: mit Buch; 6 2 1 Iacobus: mit Pilgerstab mit drei goldenen Kugeln; 6 1 1 sand Tobias der gottes weyssag; 5 5 5 der weyssag herr dauidt: mit Laier und Krone; 5 5 4 ehlias gocz weyssag: mit Buch. 79ra 5 5 3 Ieremias der weyssas; 5 5 2 Der Sallaman der charg: mit Krone und Pfeifeninstrument (Orgel?); 5 5 1 Isayas; 5 4 4 Daniel: mit Löwen. 79rb 5 4 3 sand cristoff (fragmentarisch): mit dem Christuskind auf der Schulter; 5 4 2 Sand mertt (fragmentarisch); 5 4 1 Sand pernhatt (fragmentarisch): mit Tonsur, Mönchshabit und Kukulle; 5 3 3 Sand erassem: mit Bischofsmütze und unter die Fingernägel getriebenen Pfriemen; 5 3 2 Iahannes der tawffer: mit Kamelfell, Kreuzstab mit Siegesfahne und Lamm Gottes. 79va 5 3 1 Der milt sand oswalt (fragmentarisch): mit Krone; 5 2 2 Sand nyclas (fragmentarisch); 5 2 1 Sand larencz: im kirchlichen Ornat eines Diakons, mit leerem Spruchband und Rost. 79vb 5 1 1 sand wollfank: mit Bischofsmütze und -stab sowie Beil (heiliger Wolfgang von Regensburg und das Beilwunder am Falkenstein?); 4 4 4 Sand valttein: mit Bischofsmütze; 4 4 3 Sand lienhart: mit Ketten und Handschellen; 4 4 2 sand erhartt: mit Bischofsmütze. 80ra 4 4 1 noell auz der archün: Aussendung von Taube und Rabe sowie das Öffnen der Arche; 4 3 3 yoseph: mit Gehstock; 4 3 2 sand joleuttein; 4 3 1 sand hÿmann. 80rb 4 2 2 sand getdrawtt: mit Krone und weit ausgebreitetem Mantel, darunter vier Figuren kniend und betend; 4 2 1 sand Mang: mit Bischofsmütze; 4 1 1 Sand Job der gutt: liegend, der nackte Körper mit blutigen Wunden übersät; 3 3 3 sand ellein: mit Kreuz; 3 3 2 Sand alban: mit Buch. 80va 3 3 1 sand christein: mit Märtyrerpalme; 3 2 2 sant veitt: mit Lanze; 3 2 1 sand chunigkunt: mit Krone; 3 1 1 sand ellspett: mit weißem Kopftuch. 80vb 2 2 2 Her adam: nackt; 2 2 1 sand margrett die so chewsche tame: mit Krone, einen (gezähmten) Drachen haltend; 2 1 1 sand Eua. 81ra 1 1 1 sand kathrey: mit Schaufelrad; die heilige Katharina verweist eigentlich auf Maria als Verkünderin des letzten Losspruchs; da Maria bereits einmal dargestellt ist (77va) und die heilige Gertrud (80rb) den Typus der Schutzmantelmadonna aufgreift, wurde vermutlich zugunsten der Varianz des ikonografischen Programms hier auf eine weitere Mariendarstellung verzichtet.

Zwischen den Heiligenfiguren und Lossprüchen besteht kein inhaltlicher Zusammenhang. Ausnahmen bilden Adam, dessen schamhafte Darstellung passend zum Inhalt des ihm zugeordneten Spruches ist (80vb Her adam sprach huet dich vor der welttleichn scham, dir helff gott mit seiner chrafft...), sowie Anfang und Ende des Würfelbuchs, die eine inhaltliche Klammer bilden. Zu Beginn verweist Jesus als Weltenrichter auf seine Rolle als Heilsspender (77va Iesus christus sprach warvmb pistu so swach gehab dich woll. Ich pynn der dich perattnn soll. Ann dem abent vnd ann dem morgenn So hilff ich dir auz sorgenn...), während Maria am Ende auf ihre entsprechende Rolle als Fürbitterin verweist (81ra Es sprach mein ffraw sand kathrey ffrag mein ffraw sand marein. Maria sprach sag mir dein ungemach. La dich zw mir. Ja will ich helffen dir spatt vnd frue...).

Farben:

Federzeichnungen in Sepia und Schwarz, koloriert mit kräftigen Deckfarben in schmaler Palette: Zinnober, Tannengrün, Ockergelb.

Literatur:

Spilling (1978) S. 37–43. – 450 Jahre Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (1987) S. 13 (Nr. 8) [Wolf Gehrt]; Von der Augsburger Bibelhandschrift zu Bertolt Brecht (1991) S. 118f. (Nr. V,1) [Wolf Gehrt]; Stöllinger-Löser (2004) Sp. 508–510; Heiles (2018) Nr. 32.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 156: 77v. Losrichter, beginnend mit Jesus Christus.

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Abb. 156.