KdiH

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73.11.4. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 110

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Datierung:

Letztes Viertel 15. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Bayern.

Besitzgeschichte:

Besitzeinträge des 16. Jahrhunderts: auf dem vorderen Innendeckel: Schwöster Margretha Inderstorfferin, möglicherweise identisch mit jener Margaretha Inderstorfferin, die als Insassin des Franziskanerterziarinnenklosters St. Christoph (Pütrich-Regelhaus) in München 1621 anlässlich einer Reformation erwähnt wird. 321v: [Swenna oder Beningna?] wilprechtin, 323v: das piechl gehört [Rasur, vielleicht: Maria] wilprechjn zu, 1803 mit der Säkularisation des Klosters in die Münchner Hofbibliothek.

Inhalt:
1. 1v–180v Heinrich von St. Gallen, ›Passionstraktat‹
Redaktion Ad (Hörner [2018] S. 9), Explizit: des helff vns die heilig driualttigkaitt vnd die Junckfraw magdt Marie [!] Amen
2. 183r–188v Gebet zur Jungfrau Maria
3. 189r–218v Marquard von Lindau, ›Eucharistietraktat‹
Auszug, 5. und 6. Stück
4. 219r–231v Von sechs Nutzen des heiligen Abendmahls
5. 231r–249v Lehre von der Beichte
6. 250r–252r Gebet zum heiligen Sebastian
7. 253r–258r Fünf Gebete des Johannes von Neumarkt
8. 258v–305v Verschiedene Gebete
Vgl. im Einzelnen Petzet (1920) S. 197
9. 305v–317r Sprüche der Lehrer
10. 317r–321r Gebet von allen Gläubigen
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, II + 323 + II Blätter (Foliierung mit Bleistift 1–323 schließt den unbeschriebenen Nachsatz mit ein, Blattnummer 21 und 122 doppelt vergeben), 136 × 105 mm, Schriftraum: 92,5 × 60 mm, mit doppelter roter Linie gerahmt, Bastarda (mit Elementen der Textualis) von einer Hand, einspaltig, meist 16 Zeilen, zu Beginn der Texte und einiger Abschnitte vier- bis achtzeilige Initialen (siehe unten II.), dreizeilige rote und blaue Initialen mit einfacher ornamentaler Füllung, rote Überschriften und Unterstreichungen, Namen der zitierten Autoren in Rot, Rubrizierung.

Schreibsprache:

bairisch.

II. Bildausstattung:

Acht ganzseitige Miniaturen in Deckfarben auf Goldgrund zu Text 1 (75v, 83v, 101v, 115v, 137v, 152v, 171v, 181v), dazu vier sieben- bzw. achtzeilige Initialen (1r, 12r, 46v, 173r) sowie eine vierzeilige D-Initiale (1v), quadratisch gerahmt, teilweise mit Blattgold, von denen blütenbesetzte Ranken unterschiedlicher Länge ausgehen, mit Goldpollen besetzt, vereinzelt auch Tiere eingefügt, 1r achtzeilige E-Initiale, in den Blütenranken Storch, Eule, Wiedehopf, Eichhörnchen, Hirschkäfer, Fliege, 1v vierzeilige D-Initiale, 12r siebenzeilige I-Initiale, mit Storch, Eichhörnchen und Ara in den Blattranken, 46v achtzeilige U-Initiale, Bär mit Dudelsack, Ara, 173r achtzeilige M-Initiale mit Ara, Hase und Eichhörnchen. Zu Text 2: 183v siebenzeilige O-Initiale, historisiert mit Madonna mit Kind. Zu Text 3: 189r achtzeilige D-Initiale mit allseitiger Rankenbordüre, darin Wiedehopf und Eichhörnchen. Zu Text 4: 219r vierzeilige E-Initiale mit Rankenbordüre. Zu Text 5: 231r sechszeilige H-Initiale. Zu Text 6: 250r sechszeilige D-Initiale, rechts am Rand ein lagernder Hirsch. Zu Text 7: 253v achtzeilige A-Initiale. Zu Text 8: 259r fünfzeilige H-Initiale rechts ein lagernder Löwe. 264v siebenzeilige H-Initiale, Gebet zum Leiden Christi mit Ablass von Petrus und Papst Leo bestätigt von Innozenz IV. (Verweis bei Paulus [1923] Bd. 3, S. 254). 303r vierzeilige D-Initiale. Keine Initiale zu Text 9. Zu Text 10: 317r vierzeilige O-Initiale. Die Miniaturen von einer anderen Hand bzw. Werkstatt als die Initialen und Bordüren, an denen mindestens zwei Hände einer Werkstatt bzw. eines Skriptoriums beteiligt waren, vgl. z. B. die Blattformen 1v, 183r, 231r, 253v oder 259r im Unterschied zu den übrigen Blättern.

Format und Anordnung:

Die Illustrationen auf einzelnen Blättern zwischen die Textseiten eingefügt, die ersten sechs Miniaturen jeweils auf Einzelblättern auf der Versoseite, die beiden letzten Miniaturen auf Doppelblättern, auf der inneren Versoseite. Durchgehender Text, keine Absätze oder Abschnitte. Die Miniaturen aber in unmittelbare Nähe der entsprechenden Textpassagen eingebunden. Vor der Ölbergszene (75v) und der Kreuzabnahme (171v) eine zusätzliche Rubrik eingefügt, nicht bei Ruh (1940, S. 34, Z. 27, S. 72, Z. 27) angeführt. Die letzte Szene (Grablegung, 181v) nach Textende eingefügt. Alle Miniaturen, etwa 96 × 62 mm, einheitlich gerahmt von einem roten Rahmen mit filigranem goldenem Dekor und rundbogigem Abschluss, die Ecken mit vierblättrigen blauen, mit Edelsteinen und Perlen verzierten Blüten besetzt, auf den Seitenrändern paarweise gestreute Rankenblätter, die Zwischenräume mit Fadenranken in roter Feder und Blüten aus locker gesetzten Goldtupfen gefüllt.

Bildaufbau und -ausführung:

Überwiegend vielfigurige Szenen vor Goldgrund, im Vordergrund einer grasbewachsenen, nach hinten ansteigenden Bildbühne platziert, auch wenn die Handlung sich in einem Innenraum abspielt, z. B. Christus vor Pilatus (101v); nur bei der Geißelung (115v) ein rautierter Fußboden angegeben. Räumliche Tiefe wird weniger durch perspektivische Darstellung als durch die Staffelung der Figuren erreicht. Figuren mit großen Köpfen auf zierlichen gleichmäßig proportionierten Körpern. Die Gewänder glatt, in langen Falten fallend, der Faltenwurf nur zurückhaltend durch Abschattierung der Lokalfarbe ausgearbeitet, die Säume oftmals mit Pelz besetzt, kräftige Farbigkeit, auch des Inkarnats, mit feinen Weißhöhungen. Für die Miniaturen und die Ranken ist aufgrund der unterschiedlichen Farbigkeit anzunehmen, dass sie von verschiedenen Händen, unter Umständen sogar aus verschiedenen Werkstätten stammen. Für beide Ausstattungselemente kann aber aufgrund stilistischer Ähnlichkeiten und kostümgeschichtlicher Merkmale eine Entstehung zwischen 1450 und 1460 angenommen werden. In ihrer Figurenkonzeption, dem Bildaufbau und der Farbigkeit lassen die Miniaturen an das Formenrepertoire der Buchmaler der Ottheinrich-Bibel (Nr. 14.0.4.), insbesondere den sogenannten Matthäusmaler, als unmittelbare Vorläufer denken. Die Ranken hingegen, besonders jene Seiten mit zackig ausgebildeten Blattformen z. B. 1v, 183r, 231r, 253v, 259r mögen an Arbeiten des sogenannnten Meisters der Münchner Gutenbergbibel erinnern (Bilderwelten [2016] S. 119 [Karl-Georg Pfändtner]).

Bildthemen:

siehe Bildthementabelle in der Einleitung zur Untergruppe 73.11.

Ikonografisch auffällig sind die Nagelbretter bzw. -klötze, die bei der Kreuztragung am Gewand Christi befestigt sind. Bei diesem textlich nicht erwähnten Detail handelt es sich um ein Motiv, das seit Beginn des frühen 15. Jahrhunderts zuerst in den nördlichen Niederlanden in Darstellungen der Kreuztragung integriert wurde, um die Qualen Christi bildlich auszumalen, und rasch weitere Verbreitung fand (Marrow [1979] S. 171–189).

Der sehr reduzierte Bildzyklus zeigt kaum Stationen der Passion, dafür finden sich am Ende mit Kreuzabnahme und Grablegung zwei Szenen, die über den eigentlichen Textinhalt hinausgehen. Hierin spiegelt sich der Umstand, dass der Bildzyklus wohl unabhängig von der Abschrift hergestellt wurde, möglicherweise in einem örtlich und zeitlich eigenständigen Produktionsprozess. Zugleich ist die Tendenz, den mit der Kreuzigung Christi endenden Text über den Tod Christi fortzuführen, sei es mit Erweiterungen des Textes, sei es durch weitere Illustrationen, auch an anderen Überlieferungsträgern zu beobachten.

Farben:

für die Miniaturen Blau (Azurit?), Rot, Grün, Goldgrund, Grau; für die Ranken auch helleres Blau, Scharlachrot, Ocker, Rosa.

Literatur:

Petzet (1920) S. 194–197. – Schmidt (1932) S. 235, Nr. 38; Ruh (1940) Nr. 51; Hofmann (1960) S. 127–130 (Nr. 41); Sepp/Wagner/Kellner (2008) S. 352; Bilderwelten (2016) S. 119 [Karl-Georg Pfändtner]; Hörner (2018) S. 9.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Schriftlichkeit in süddeutschen Frauenklöstern [>> München, Pütrichhaus].

Abb. 34: 171v. Kreuzabnahme.

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Abb. 34.