KdiH

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73.11.11. Uppsala, Universitetsbiblioteket, C 803b

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Datierung:

1510–1530.

Lokalisierung:

Mittelostdeutschland (?).

Besitzgeschichte:

Besitzeinträge im vorderen Spiegel teils durchgestrichen, P: Munnau (?) Plinz (?) 1827, Hanß Wilhelm Ferring, seit 1953 im Besitz der Universitätsbibliothek Uppsala.

Inhalt:
1r–114v Heinrich von St. Gallen, ›Passionstraktat‹
Textfassung wie in den Drucken von Martin Landsberg 1503 und 1514, Nr. 73.11.k. und Nr. 73.11.p. (Hörner [2018] S. 15)
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, I + 117 Blätter (vor Bl. 56 und 92 je ein fehlendes Blatt mit Text- und eventuell auch Bildverlust, moderne Foliierung mit Bleistift oben rechts 1–116, 57a nachträglich nummeriert), 200 × 160 mm, Schriftspiegel und Linien mit Rot eingetragen, Fraktur, eine Hand, nur die Ersatzblätter 64 und 74 von anderer Hand, einspaltig, meist 15 Zeilen, 1r fünfzeilige schmucklose Initiale am Textbeginn, zweizeilige Initialen zu Beginn der Abschnitte, Zwischentitel und Namen der zitierten Autoren in Auszeichnungsschrift, Rubrizierung.

Schreibsprache:

ostmitteldeutsch mit oberdeutschen Zügen.

II. Bildausstattung:

34 Deckfarbenminiaturen von einer Hand, ein Freiraum für Illustration auf Ersatzblatt (74r), mit dem Blattverlust vor 56 eventuell auch Verlust einer Miniatur.

Format und Anordnung:

Die 34 Deckfarbenminiaturen mit einfacher farbiger Rahmenleiste von annähernd quadratischem Format, etwa 100 × 100 mm, nehmen zwei Drittel des Schriftspiegels ein, Platzierung meist in der Nähe der entsprechenden Textstelle, Zwischentitel bzw. Bildüberschriften überwiegend für die Leidensstationen vorhanden (22v, 28r, 39v, 43v, 48v zur Illustration auf 49r, 59v), aber nicht durchgehend.

Bildaufbau und -ausführung:

Die großformatigen Figuren nahsichtig im Vordergrund platziert, bei Szenen mit Landschaftshintergrund Positionierung der Hauptfigur, meist Christus, im Mittelgrund. Stämmige Figuren mit kräftigen Gliedmaßen und Extremitäten, gern in Rückansicht (43v, 49r, 52v, 53v), in gedrehter Bewegung (84v) oder auch in starker Verkürzung (45r, 47r) mit stimmigen Proportionen wiedergegeben; sicher geführte, in sich bewegte Kontur. Ausführung der Illustrationen in mehreren Arbeitsschritten, die detaillierte Federzeichnung wurde laviert, teilweise auch mit deckenden Pigmenten koloriert, abschließend eine nochmalige sehr differenzierte Überarbeitung mit Pinsel und Feder, bei der mit schwarzer Tinte Konturen nachgezogen, Schraffuren in dunklerer Farbschattierung und/oder Schwarz aufgelegt und Weißhöhungen auf Gewändern, Rüstungen und Haupt- und Barthaaren angebracht wurden. Bevorzugt werden eine intensive Farbigkeit, deren Spektrum ein auffälliges, gern für das Gewand Christi verwendetes Violett einschließt, und starke Farbkontraste, die etwa für dramatische Lichtinszenierungen am Abendhimmel zum Tragen kommen. Eine Vorliebe für ausgefallene Farbeffekte zeigt sich bei den Rüstungen, bei denen starke Weißhöhungen Chiaroscuro-Effekte erzielen, und den Gewändern, wenn beleuchtete Stellen farblos oder verschattete Partien in anderer Farbigkeit gezeigt werden. Dieser Umgang mit Farbe, das Fehlen jeglicher Randdekoration und Bordüren scheint für die zeitgleiche Buchmalerei ungewöhnlich, die Sicherheit der Linienführung und die Sorgfalt der Ausführung lassen aber an einen geübten Zeichner und/oder Tafelmaler denken.

Bildthemen:

siehe Bildthementabelle in der Einleitung zur Untergruppe 73.11.

Die Illustrationen folgen thematisch der Holzschnittserie der Drucke Landsbergs 1503 und 1514 (Nr. 73.11.k., 73.11.p.), sind aber eigenständig konzipiert.

Das fehlende Blatt vor 56 zeigte eventuell eine Illustration, auf die sich die unmittelbar vorangehende Überschrift Wie der herre Jhesús gefúrt wart tzú pilato (55v) bezog.

Der Bildzyklus weist eine Reihe von Besonderheiten auf. Dem eigentlichen, mit dem Einzug in Jerusalem einsetzenden Passionsgeschehen sind einige Szenen vorangestellt, die wie die Auferweckung des Lazarus im Text (6r) nur am Rande erwähnt werden. Das Passionsgeschehen wird um einige Szenen erweitert, z. B. um die Darstellung des Schmerzes Mariens (15r), entsprechend dem im Text wiedergegebenen Dialog Mariens mit dem Erzengel Gabriel, der sie an die Prophezeiung Symeons erinnert, der Schmerz werde ihre Seele wie ein scharfes Schwert durchdringen (Lc 2,35). Die Szene, in der Jesus Maria Magdalena belehrt (16v), wird im Text vor seinem Abschied erwähnt, ist ikonografisch durch die kniende Magdalena an die Darstellung des Noli me tangere angelehnt. Mit drei Illustrationen (43v, 45r, 47r) wird die Gefangennahme Jesu ausführlich veranschaulicht, unter denen die seltene Darstellung der beim Anblick Christi auf den Rücken fallenden Soldaten hervorsticht. Diese Szene wird in der Holzschnittserie von Hans Schäufelein zum Augsburger Druck von 1518 (Nr. 73.11.q., F7v) ebenfalls illustriert. Die Verleugnung Petri (49r) gehört ebenso zu den weniger geläufigen Szenen im Rahmen der Passionszyklen, ist aber seit der Darstellung durch Simon Bening in den Gebetbüchern für Kardinal Albrecht von Brandenburg als künstlerisch anspruchsvolles Nachtstück Teil der Bildfolgen. Zwischen den beiden Darstellungen besteht jedoch keine ikonografische Übereinstimmung.

Für die Darstellung der letzten drei Szenen (90v, 91r, 93v) bot der ›Passionstraktat‹ Heinrichs von St. Gallen eigentlich keine Textgrundlage, während die Kompilation mit dem Marienleben diese Ereignisse schildert. In der Handschrift wird die Kreuzabnahme nur in aller Kürze erwähnt. Die Auferstehung Christi schließlich ist der entsprechenden Passage aus dem Markusevangelium vorangestellt, genau wie dies auch im Druck Schönspergers (Nr. 73.11.q.) der Fall ist.

Die einzelnen Szenen und Figurentypen, z. B. Fußwaschung und Abendmahl, verraten die Kenntnis der weitverbreiteten druckgrafischen Zyklen wie etwa Dürers Kleiner Holzschnittpassion, die Übereinstimmungen bleiben aber vage, die Miniaturen sind keinesfalls als Kopien zu betrachten, vielmehr werden eigenständige Bildformulierungen mit zeittypischem Bildvokabular ausgeführt.

Farben:

breite Palette kräftiger Farben.

Literatur:

Andersson-Schmitt/Hallberg/Hedlund (1993) S. 321f. – Andersson-Schmitt (1968) S. 11f.; Hilg/Ruh (1981) Sp. 740; Hörner (2016a) S. 144; Hörner (2016b) S. 8–10 (Edition: Sigle U5); Hörner (2018) S. 15.

Abb. 31: 49r. Verleugnung Petri.

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Abb. 31.