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73.11.10. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 9600 (zuletzt Stalden, Dr. Jörn Günther Rare Books AG, Nr. 2016/17,17; davor Hamburg, Antiquariat Dr. Ernst Hauswedell, Nr. 1962/112,447)

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Datierung:

1521–1522 (199r).

Lokalisierung:

Nürnberg.

Besitzgeschichte:

Ursprünglich vielleicht ein Auftragswerk für Hieronymus Holzschuher, Ratsmitglied und seit 1509 Bürgermeister in Nürnberg, laut Besitzeintrag (auf einem der Vorsatzblätter) von 1584 (oder 1564?) in der Bibliothek Ferdinand Hoffmanns, Freiherr von Grünbüchel und Strechau, im 20. Jahrhundert mehrfach im Kunsthandel, am 1. Juni 1962 bei Hauswedell, Hamburg, danach Breslauer, New York (?), Privatbesitz Deutschland, im Mai 2016 bei Antiquariat Dr. Jörn Günther Rare Books AG, Schweiz. 2016 von der Staatsbibliothek angekauft.

Inhalt:
1. 1r–192r Heinrich von St. Gallen, ›Passionstraktat‹
Redaktion A, mit Erweiterung bis zur Auferstehung
2. 192r–199r Drei Gebete
Vgl. die Druckausgaben (Nr. 73.11.a., Hörner [2018] S. 21–23)
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, III + I (Frontispiz) + 200 + I Blätter (plus je zwei moderne Vor- und Nachsatzblätter, originale Foliierung 1–200 in goldenen arabischen Zahlen), 134 × 94 mm, sorgfältige Textura, eine Hand, dem Schreiber können weitere Manuskripte aus der Werkstatt Albrecht und Nikolaus Glockendons zugewiesen werden (Merkl [1999] S. 448), darunter eines mit dem Monogramm IL signiert (Wien, Cod. 2747, 145v), einspaltig, 18 Zeilen, 1r: siebenzeilige E-Initiale am Textbeginn in Gold und Blau, vierzeilige Initialen in Rot zu Beginn der Abschnitte, Versalien mit Gold ausgezeichnet, einzeilige Initialen teils mit Gold gehöht.

Schreibsprache:

bairisch.

II. Bildausstattung:

24 ganzseitige Deckfarbenminiaturen, davon 23 Miniaturen von Nikolaus Glockendon als Textillustrationen (5v, 12v, 40v, 44v, 57r, 72v, 78v, 81v, 83v, 93v, 101r, 107v, 113r, 115r, 122r, 126r, 131r, 136v, 172r, 174r, 183r, 189r, 197v) sowie eine Miniatur auf dem nachträglich ergänzten Frontispiz (Ir), die Angaben zu Recto- und Versoseiten sind gegenüber der Literatur (siehe auch Merkl [1999] S. 449) zu korrigieren. Vereinzelt Streublumen und Schmetterlinge auf den Seitenrändern später hinzugefügt.

Format und Anordnung:

Die Miniaturen auf Einzelblättern zwischen die Textseiten eingehängt, Größe 96 × 66 mm. Einige Miniaturseiten eventuell zwischenzeitlich aus der Handschrift entfernt und später wieder eingefügt (Klebestellen Bl. 57 und 136). Platzierung der Illustrationen in die Nähe der entsprechenden Textstellen, meist gegenüber einem Abschnittsbeginn, nur wenige Ausnahmen z. B. 5v, 122r, 174r. Gleichmäßige architektonische Rahmung der Miniaturen mit einem auf zwei Säulen gelagerten Rundbogen, der in einen Rahmen aus vier schmalen goldenen Leisten eingestellt ist. Das Frontispiz, das wohl noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eingefügt wurde, aufgrund der gröberen Ausführung und des pastoseren Farbauftrags als Arbeit einer anderen Hand erkennbar, wiederholt diese Rahmengestaltung. Hinzugefügt wurde dort ein Rahmen mit Streublumendekor in Gent-Brügger-Manier, die vereinzelt auf den Seitenrändern eingestreuten Blüten wohl von derselben Hand.

Bildaufbau und -ausführung:

Alle 23 Miniaturen sind nach Albrecht Dürers Kleiner Holzschnittpassion (1511) gearbeitet und werden Nikolaus Glockendon zugeschrieben, zuerst in Wertvolle Bücher (1962). Die Bildkompositionen bis in Details übernommen, gegenüber den Holzschnittvorlagen sind jedoch eine Verringerung des Bildfeldes durch die Überschneidung des architektonischen Rahmens und eine Verschiebung der Proportionen zu beobachten. Elf Miniaturen wurden mit einem Dürer-Monogramm versehen (72v, 113r, 115v, 122r, 126r, 131r, 136v, 172r, 174r, 183r, 189r; 101r enthält kein Monogramm, wie fälschlich bei Merkl [1999] S. 448 angegeben), deshalb erfolgte nach der Wiederentdeckung der Handschrift zunächst eine Zuschreibung der Miniaturen an Albrecht Dürer durch Leitschuh (1920) und Delarue (1920a), gegen diese Zuschreibung argumentierte bereits Dodgson (1920). Die Monogramme dürften nachträglich – vielleicht im Zuge der Dürer-Rezeption um 1600 – eingefügt worden sein (Merkl [1999] S. 450). Gegenüber den Holzschnitten Albrecht Dürers weisen Nikolaus Glockendons Figuren insgesamt etwas fülligere, stämmigere Proportionen und weichere, rundlichere Gesichtszüge mit meist sanfteren Physiognomien auf. Die farbliche Ausarbeitung erfolgt mit einer breiten Farbpalette in intensiver Farbigkeit und differenzierter Abschattierung durch feine Abstufungen und Schraffuren in mehreren Arbeitsgängen. Bezeichnend für die hochrangige Qualität und die Kostbarkeit ist die durchgängige und üppige Verwendung von Gold für Höhungen an Gewandsäumen, auf Faltengraten, an Haarlocken und auf Details der Architektur und der Landschaft.

Bildthemen:

siehe Bildthementabelle in der Einleitung zur Untergruppe 73.11.

Die Bildthemen bieten eine Auswahl aus der Kleinen Holzschnittpassion Albrecht Dürers, während der Text weitgehend den Druckfassungen entspricht, im Großen und Ganzen der Ausgabe Hans Froschauers, Augsburg 1509 (Nr. 73.11.o.). Die letzte Textpassage 192r–198r folgt allerdings dem Nürnberger Druck Hubers von 1504 (Nr. 73.11.l.). Dass ein Druck die Textvorlage war, ist daher anzunehmen. Von den Bildzyklen in den beiden erwähnten Drucken weicht die Auswahl in der Handschrift an einigen Stellen allerdings ab, es fehlt zum Beispiel eine Illustration zur Entkleidung Christi, die Drucke enthalten wiederum keine Darstellung zur Vertreibung aus dem Tempel und zum Abschied von den beiden Marien (5v, 12v). Wie so oft wurde auch hier für die Vorführung Christi vor Annas (78v) eine Darstellung gewählt, die ikonografisch der Vorführung vor Kaiphas zuzuordnen ist, denn sie zeigt, wie der Hohepriester sein Gewand zerreißt (Mt 26,65). Die Auswahl der Bildthemen und die gestalterische Orientierung an dem berühmten Vorbild belegen, dass für den Bildschmuck künstlerische Aspekte, wie etwa der Künstlerwettstreit, im Vordergrund standen.

Farben:

kräftige Farbpalette mit umfangreichen Goldhöhungen auf Gewändern, Attributen, Rahmenarchitektur und für Nimben der Heiligen.

Literatur:

Leitschuh (1920) S. 1–18, Abb. (1r, 12r, 72r, 101r, 113r, 115r, 122r, 126r, 136r, 172r, 174r, 183r, 189r), Farbabb. (131r); Delarue (1920a) Abb. (1r, 12r, 72r, 101r, 113r, 115r, 122r, 126r, 136r, 172r, 174r, 183r, 189r), Farbabb. (131r), Wiederabdruck in: Delarue (1920b); Dodgson (1920); Très précieux manuscrits (1948) S. 25–27/lot 38, Taf. XXV (81r, 115r); Wertvolle Bücher (1962); Merkl (1999) Kat.-Nr. 110, S. 448–450, Abb. 393–396 (101r, 172r, 183r, 199r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus (nicht aktuell); siehe auch: Spotlight on Nikolaus Glockendon. Dr. Jörn Günther, Rare Books AG (Mai 2016)

Abb. 30: 78v. Christus vor Annas.

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Abb. 30.