59.4.1. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2º Cod 50 (Cim. 74)
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 7
13. Oktober 1422 (Kolophon 8rb).
Elsass.
Im 18. Jahrhundert in der Fürstbischöflichen Hofbibliothek Eichstätt (vgl. 1r), seit 1819 in Augsburg.
1ra–241vb | Alte Ee | |
1ra–8ra Register | ||
9v Bild | ||
10ra–11vb Prolog | ||
11vb–241vb Prosaauflösung der ›Weltchronik‹ Rudolfs von Ems mit alttestamentlicher Fortsetzung
bis Kap. Als es einen monat vnd drú gantze ior one regen wz
ohne die Kapitel |
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242ra–345vb | Neue Ee | |
242ra–254rb Register | ||
255v Bild | ||
256ra–345vb Prosaauflösung des ›Marienlebens‹ von Bruder Philipp |
Pergament, 344 Blätter (neuzeitliche Zählung 1–65, 57a–65a, 66–243, 254– 345[!], unbeschrieben: 8v–9r, 254v–255r, nach 241 und 345 sind unbeschriebene Blätter herausgeschnitten worden; 327 defekt), 390 × 290 mm, zweispaltig, Textualis, 33 Zeilen, zwei Hände, Haupthand I: Ulrich Schriber aus Straßburg (Dis buch wart vß geschriben vf Zinstag vor Sant lux tag in dem xxij ior Vlrich Schriber von stroßburg het dis buch gemacht, 8rb in Goldschrift), dem ein weiteres Blatt (Fragment eines deutschsprachigen Textes) mit einer Darstellung des apokalyptischen Christus zugeschrieben wird (Antiquariat Dr. Jörn Günther. Katalog 5: Handschriften und Miniaturen aus dem deutschen Sprachgebiet. Hamburg 1997, Nr. 19). Hand II nur 336ra–338va, 340va; rote Kapitelzählung, rote Überschriften, Strichel, Caput-Zeichen (im Register auch blau), rote und blaue Kapitellombarden über drei bis vier Zeilen (im Register auch Gold) mit Fleuronnée. Als Zeilenfüller im Register Einträge in Goldschrift: sich dar vff, lis fur dich me, ker vmb, 1v in Rotschrift audiatis altare pars (!), luͦge fúr dich.
elsässisch.
134 kolorierte Federzeichnungen, 101 zur Alten Ee, 33 zur Neuen Ee; mindestens zwei Hände, die zweite Hand ist spätestens ab 167v beteiligt. Zwei Deckfarbeninitialen, 10ra R, 256ra M.
Auch außer den Prologbildern sind einige Zeichnungen ganzseitig (ca. 220–295 × 210 mm; 255v: 315 × 235 mm), sonst jedoch halbseitig (155–180 × 176–198 mm), in der Regel gerahmt (ungerahmt: 10ra, 171v), jeweils zusammen mit Überschrift, die als Bildbeischrift fungiert, dem Text eines Kapitels vorangestellt. Die Initialen 172 × 123 mm (10ra) bzw. 105 × 97 mm (256ra).
die Initialen mit Fleuronnée, 10ra roter Buchstabenkörper auf quadrierter Fläche, blau und rot eingefasst, mit Akanthusrankenausläufern, 251ra Buchstabenkörper in blauem Camaieu auf schwarz gerandetem Blattgoldgrund, quadrierte Binnenfläche abwechselnd gold und rot gemustert, kurze Blattrankenausläufer, am Innenrand um Stab gewunden. Charakteristisch das Kleeblattfleuronnée an Lombarden, mit Federausläufern und stilisierten Spiralen.
Die Miniaturen zeigen Handlungen auf gräserbewachsenen Bodenstücken vor Rankenwerkhintergrund; nur selten sind Innenraumdarstellungen durch Bogenrahmen besonders markiert (171v, 257v). Anfangs mit der Feder vorgezeichneter Rahmen, dessen Farbfüllung durch Pinselstriche (orangerot oder blau) unsauber, fast unvollständig erscheint (eventuell war eine weitere Farbeinfassung geplant). Im Fortgang anstelle der Rahmenzeichnung nur noch ein Pinselstrich, der oft einfach über die Kolorierung hinweggeht.
Hand I arbeitet zeichnerisch mit vielen Binnenkritzeln und -stricheln; charakteristisch die manchmal extrem überlängten Körperformen (z. B. 108r), was dann unproportioniert aussieht, die z. T. heraldisch wirkende Stilisierung der Tiere (z. B. Pferde 151r), die einfallsreichen Bildkonzeptionen (z. B. 111r Bestrafung der Götzendiener: dieselben in diagonal gestellten Rückenansichten, im Vordergrund Mose mit dem Henker, der die Götzendiener also von hinten erschlägt). Insgesamt überhaupt Bemühung um räumliche Darstellung durch Schrägstellung von Figuren und Requisiten. Sehr sorgfältige Flächenornamentierung, z. B. 41v roter Hintergrund mit orangeroten Ranken, grünes Bodenstück mit gelben Kräutern und Blüten, 43v Hagars Bettdecke violettrot mit gelbem und orangefarbenem Dekor, 45r weiße Höhung der Wolkenränder usw. Kennzeichnend für Hand II die raumgreifenden Bildkonzeptionen: Figuren (-gruppen) füllen die gesamte Bildfläche; ab 174v beginnen die Zeichnungen den Bildraum zu sprengen und über den Schriftspiegel hinauszuragen; 200r ist während des Arbeitsvorgangs rechts seitlich erweitert worden (in der Erweiterung eine andere grüne Farbe eingesetzt). Dazu charakteristisch für Hand II die Vorliebe für Details: vor allem stark gekräuselte Haartrachten, zweigeteilte Bärte, auffallend modische Kleidung mit viel Rüschen- und Faltenaccessoires (200r Schellengürtel Salomos, Stulpenstiefel des Henkers), verchiedene Harnischtypen. Manchmal grobianische (282r Hirte mit heruntergelassener Hose), gelegentlich unlogische Darstellungen (208r Deichsel ohne Verbindung zu Zugochsen, Radnaben nach unten »weggeknickt«). Nach der Kolorierung in kräftigem Schwarz (von einer weiteren Hand?) stark überarbeitet (insbesondere 215r, 282r). Zwischen Hand I und Hand II gibt es keinen schroffen Wechsel, Hand I taucht auch in der zweiten Hälfte der Handschrift immer wieder auf.
Stilistisch in den Straßburger Raum zu situieren (nach
siehe
Trotz einiger individueller Bildwahlen – z. B. ist, wo sonst der Aufbruch Jakobs mit den geraubten Götzenbildern zu sehen ist, Labans Suche nach den Götzenbildern in Rahels Zelt dargestellt (58ar) – und dem gelegentlichen, eher einzelgängerischen Bestreben, mehrere Themen handlungskontinuierend in einem Bild unterzubringen (124r Eroberung von Ai + Hinrichtung des Königs von Ai, 158r Jiftachs Tochter schreitet ihrem Vater entgegen + Opferung der Tochter, 306v Taufe Jesu + erste Predigt Jesu) – sind die Korrespondenzen zur Handschriftengruppe der Werkstatt von 1418 sehr deutlich:
einfache Palette aus Rot, Violettrot, Orangerot, Blau, Grün, Braunviolett, Blassgelb, alles ohne Ausmischungen. Deckweiß zur Höhung. Gesichter mit orangerosa Inkarnat auf freistehendem Papiergrund, meist ohne Lippen- und Wangenrot.
Taf. Va: 116v. Mose verbietet Gaukler und unkeusche Weiber.