KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

26A.28.2. Gotha, Forschungsbibliothek, Chart. A 158

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 3

Datierung:

1467 (Jahresangabe 1v in der Umschrift des zentralen Christus-Medaillons).

Lokalisierung:

Augsburg (vgl. Eisermann mit einzelnen Hinweisen auf den Entstehungsort).

Besitzgeschichte:

Der Schreiber ist im Umkreis Konrad Bollstatters zu suchen (vgl. Schneider [1995] S. 26); möglicherweise diente die Handschrift zudem Bollstatter selbst als Vorlage für seine Zusätze zum Twinger-Druck in München, Staatsbibliothek, Cgm 7366 (Nr. 26A.28.4.; vgl. Wolf [1996] S. 63 Anm. 40). Ein vorgebundenes Pergamentblatt ist auf der einen Seite (2r) mit einem Wappen (wohl des unbekannten Auftraggebers oder Erstbesitzers) geziert: ein springendes weißes Tier (Wolf?) auf blauem Schild in rotem kreisrundem Feld, darüber Schriftband mit dem Wahlspruch: Got gibts vnd nymptz. Mindestens seit 1618 befand sich der Codex in der Hofbibliothek München (auf der Innenseite des Vorderdeckels und auf dem Vorsatzblatt zwei Kupferstichexlibris des bayerischen Herzogs mit entsprechenden Wappen und Inschriften, das ältere mit der Datierung 1618 von Herzog Maximilian I., das jüngere aus seiner Zeit als Kurfürst [1573–1651; seit 1597 Herzog, seit 1623 Kurfürst]; Dressler [1972] S. 23, Abb. 53 und Abb. 61 [Typ A 3e und B 3ab]). Bei der Plünderung der Hofbibliothek 1632 von Herzog Wilhelm von Weimar erbeutet, kam die Handschrift bei der Erbteilung Herzog Bernhards von Weimar 1640 nach Gotha und 1647 dort als Gründungsbestand in die Gothaer Bibliothek.

Inhalt: Jakob Twinger, ›Chronik‹ (unvollständig), ohne Vorrede und Autornennung (Gruppe D, Mischfassung), mit inserierter ›Gmünder Kaiserchronik‹
1. 3ra–208ra Jakob Twinger, ›Chronik‹, Kap. 1–2, bis 1400 Wahl König Ruperts (204vb); Auszug aus Kap. 5: 1396 Schlacht bei Nikopolis (bis 208ra)
2. 215ra–226ra ›Gmünder Kaiserchronik‹, Kurzfassung A (bis 1376): coronica und herkommen der hertzogen von Schwaben
3. 228ra–276va Jakob Twinger, ›Chronik‹, Kap. 3, bis zum Tod Papst Innozenz’ VII. 1406, hier fälschlich 1412
4. 289ra–306vb Jakob Twinger, ›Chronik‹, Kap. 4, Anfang, Kap. 5, Auszüge, mit annalistischen Konstanzer Zusätzen (1256–1388)
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, II + 308 + III Blätter, 290 × 205 mm, Blatt 2 ein gesondert eingeheftetes Pergamentblatt mit einer Wappenseite (2r, siehe oben), moderne Bleistiftzählung, 1r, 208rb–214v, 226ra–227v, 276vb–288v, 307r–308v leer, zweispaltig, 29–36 Zeilen (215ra–226ra: 32–30 Zeilen), eine Hand, sorgfältige rundliche Bastarda, von der italienischen Rotunda beeinflußt, Augsburger Schreiber, von dessen Hand auch die Handschriften Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2o Cod. 154 (›Der Heiligen Leben‹, Sommerteil; siehe künftig Stoffgruppe 74. Legendare), die beiden Bibelhandschriften München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 204, 183va–403rb (Hand 2) und Cgm 205 (siehe Nr. 14.0.11.) sowie Cgm 4482 stammen (vgl. Schneider [1996] S. 149–151), Rubrizierungen (Kapitelüberschriften, Namensdurchstreichungen, Strichelungen, rote, blaue und grüne Lombarden).

Schreibsprache:

ostschwäbisch.

II. Bildausstattung:

Neben der Wappenseite (2r) sieben textbezogene Bildseiten (1v, 2v, 81r, 95r, 108r, 122r, 156r; zwei Bilder – auf Blatt 81r mit der Darstellung vom Urteil des Paris und auf 95r mit dem löwenköpfigen Bucephalos – gehen inhaltlich über den Text Twingers hinaus). 161v untere Hälfte des Schriftraums leer, vielleicht für ein Bild vorgesehen (Beginn des Abschnitts über Karl den Großen; vgl. Eisermann). Von demselben Augsburger Zeichner wurden mindestens neun Handschriften ausgestattet (vgl. Ott [1997] S. 204 f.), von ihm stammen z. B. die Bilder in Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 75.10 Aug. 2o (Nr. 7.2.1.; geschrieben von Konrad Bollstatter), und Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2o Cod. 154 (›Der Heiligen Leben‹, Sommerteil, siehe künftig Stoffgruppe 74. Legendare). – Vgl. auch KdiH Bd. 1, S. 257 f., Bd. 3, S. 6 und Nr. 93.4.1. (Dresden, Landesbibliothek, Mscr.Dresd.M.59). Keine Gemeinsamkeit besteht jedoch mit den Zeichnungen in dem von Bollstatter geschriebenen Mischcodex München, Staatsbibliothek, Cgm 7366 (Nr. 26A.28.4.).

3r (der Textbeginn) mit elfzeiliger Schmuckinitiale G auf punziertem Goldgrund mit grün-hellrosa Leistenrahmen und aufwendigen mehrfarbigen Blatt- und Blütenranken auf den vier Seiten (am linken Rand eine einfachere Randleiste mit Blattbesatz); zwischen den Kolumnen Stabranke mit Blättern und Goldpunkten, unten in ein bärtiges Gesicht auslaufend, aus dessen Mund das untere Rankenwerk wächst. Einfache, kleinere Fleuronnée-Initialen mit Rankenausläufern 215ra (D, vierzeilig) und 228ra (U, sechszeilig).

Format und Anordnung:

Die erste Bildseite mit sieben kreisrunden Medaillons; die weiteren mit je hochrechteckigen Bildern, 2v ganzseitig ohne Text, 188 × 128 mm; sonst jeweils nach einer roten Kapitelüberschrift fast die ganze Seite einnehmend, je 165–180 135 mm.

Bildaufbau und -ausführung:

Sechs Medaillons der ersten Illustration mit je einem Brustbild sind um das zentrale siebte geordnet. Die anderen Bilder in Schriftspiegelbreite sind durch einen schmalen roten Rahmen eingefaßt. Kolorierte Federzeichnungen mit durchscheinenden Farben, sicher, jedoch nicht sehr anspruchsvoll gezeichnet, wenig Strichelung (für Schattenpartien lockere Parallelschraffuren), dunklere Töne zur Modellierung, stereotype Gesichter, lebhafte Handgebärden. Auffallend die weitläufigen Landschaften als Hintergrund (Berge, Gewässer, Städte). Szenenbilder mit mehreren Personen, 81r gleichzeitige Darstellung zweier verschiedener Ereignisse im oberen und unteren Bildteil.

Bildthemen:

Bild 1 bietet ein Schema der sieben Weltzeitalter, die weiteren sind Szenenbilder mit mehreren Figuren, die sich jeweils einleitend auf den Text beziehen.

1v: Sieben Medaillons, davon sechs mit Brustbildern von Adam, Noah, Abraham (obere Reihe), Moses, David, Esdras (untere Reihe); das siebte mit dem Jesuskind als Ganzfigur mit Weltkugel (in der Mitte). Jeweils mit umlaufender Beschriftung in doppeltem Rahmen.

2v (vor Textbeginn): Thronender Christus mit Weltkugel, in einer Landschaft, umgeben von fünf anbetenden Engeln.

81r (Beginn der Geschichte des Trojanischen Krieges): zwei Register; unten: das Urteil des Paris, der als schlafender Ritter vor einem Brunnen dargestellt ist, dahinter sein angebundenes Pferd, ein Mann mit Haube berührt ihn mit einem Stab, in der Bildmitte drei nackte Göttinnen mit Kopfbedeckungen (die Geschichte ist jedoch im Text der Chronik gar nicht enthalten!) / oben: die Entführung der Helena nach Troja, rechts im Hintergrund eine Stadt, davor ein Hafen mit zwei vollbesetzten Schiffen mit gehißten Segeln.

95r (Beginn der Alexandergeschichte): Alexander zähmt Bucephalos (Pucifal), der das Aussehen eines Löwen hat und im Käfig dargestellt ist. Parallelen dieser auffallenden Darstellung in zwei aus Augsburg stammenden Textzeugen von Johannes Hartliebs ›Alexander‹: New York, The Morgan Library, MS M. 782 (Augsburg um 1460, siehe KdiH Nr. 3.3.4.), 161r, und der Druck Augsburg: Johann Bämler 1473 (KdiH Nr. 3.3.a.), 15r; vgl. Ross (1971) S. 142. 148, Abb. 214. 241. Die Darstellung des Bucephalos mit Löwenkopf entspricht nicht dem Text Twingers, wohl aber der Beschreibung Hartliebs (vgl. neuerdings auch Ewa Gossart: Johann Hartliebs »Histori von dem grossen Alexander«. Zur Rezeption des Werkes am Beispiel der bebilderten Handschriften und Inkunabeln. Korb 2010 [Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 6], S. 185 und Abb. 4 [München, Staatsbibliothek, Cgm 581, 13v]: Alexander reitet hier auf dem löwenköpfigen Tier).

108r (Beginn des Kaiserkapitels): Römischer Kaiser, frontalsymmetrisch thronend in Landschaft, umgeben von drei Königen.

122r (Beginn des Leben Jesu / Papstkapitel): Weissagung der Geburt Jesu durch die Tiburtinische Sibylle vor Kaiser Octavianus, beide jeweils mit zwei Begleitern / Vision der Jungfrau mit dem Kind im Strahlenkranz am Himmel.

156r (Kreuzesholzlegende): der persische König Cosdras (nicht Kaiser Heraklius!), der in seiner Hybris Verehrung als Gottvater verlangt, frontalsymmetrisch auf Thron mit Baldachin, rechts daneben das aufgerichtete Kreuz (für den Sohn Gottes), links ein Hahn (anstatt der Taube des Hl. Geistes), vor ihm vier kniende Personen, darüber Sonne und Mond in den Bildecken.

Farben:

Leuchtendes Rot, Hellrosa, Grün, Blau, Ocker, Gold, Silber.

Literatur:

Jacobs/Ukert (1835–1838) Bd. 2, S. 380–382; Falk Eisermann: Katalog der deutschsprachigen mittelalterlichen Handschriften der Forschungsbibliothek Gotha. – Archivbeschreibung (handschriftlich) von Rudolf Ehwald (o. J.) 8 Blätter. In: Handschriftenarchiv der BBAW online; Lehmann-Haupt (1929) S. 108. 191 f. (Nr. 9), Abb. 51 und 52 (156r, 81r); Ross (1971) S. 142. 148; Graf (1987) S. 159–161. 202 f. 205 [nicht zu den Illustrationen]; Ott (1997) S. 204 f. Falk Eisermann: http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/projekt-Gotha-pdfs/Chart_A_158.pdf (Printfassung in Vorbereitung).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Farbabbildung (Marburger Repertorien): 43r

Abb. 178: 81r. Entführung der Helena und Urteil des Paris.

Abb. 179: 122r. Weissagung der tiburtinischen Sibylle.

26A.28.2._Abb._178.jpg
Abb. 178.
26A.28.2._Abb._179.jpg
Abb. 179.