73.11.1. Fribourg, Bibliothèque cantonale et universitaire, Ms. L 337
Bearbeitet von Kristina Domanski
KdiH-Band 8
1457 (125v).
Hessen-Thüringen (?).
Vor 1939 in den Besitz der Kantons- und Universitätsbibliothek eingegangen.
1r–125v |
Heinrich von St. Gallen, ›Passionstraktat‹
Redaktion A
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Pergament (Vor- und Nachsatzblätter aus Papier), V + 127 + V Blätter (Blattverluste: ein Blatt nach 18, zwei Blätter nach 87, jeweils mit Textverlust, drei Blätter nach 127, ohne Textverlust), 115 × 85 mm, Schriftraum und Linierung mit roter Tinte eingetragen, Bastarda, eine Hand, einspaltig, 18 Zeilen; 1r historisierte Initiale (siehe unten II.), dreizeilige Initialen in Blau und Rot (4r, 24v, 33v, 44v, 48v, 60v, davon 24v mit nach drei Seiten auslaufenden Blattranken), gelb lavierte Majuskeln.
mittel-ostdeutsch (
Eine sechszeilige historisierte H-Initiale (1r) und drei ganzseitige Miniaturen (66r, 99r, 99v), von einer Hand, mit dem zweiten Blatt nach 87 vermutlich auch Bildverlust, da Spuren einer rosafarbigen Kante auf dem Blattrest erhalten.
Die historisierte H-Initiale über sechs Zeilen zu Beginn des Textes, auf 66r die Illustration in den fortlaufenden Text integriert, Bl. 99 als Einzelblatt mit beidseitiger Illustration eingefügt. Die verlorene Illustration auf dem herausgeschnittenen Blatt vor 88 zum Lagenverbund gehörig. Die drei ganzseitigen Miniaturen in etwa 88 × 62–65 mm groß, alle Miniaturen und die historisierte Initiale mit doppeltem Rahmen in Grün (66r, 99v, 1r) oder Rosa (99r, ebenso beim Blattrest vor 88) eingefasst und in unmittelbarer Nähe der jeweiligen Textstelle platziert.
Einheitliche Ausführung der erhaltenen Szenen von einer Hand oder Werkstatt. Nahsichtige Szenen mit gedrängt platzierten Figuren, die nahezu den ganzen Bildraum ausfüllen. Kantige Gesichter mit brauner Federzeichnung in wenigen Strichen ausgearbeitet. Die Physiognomie gekennzeichnet durch große, eckige Nasen und gleichfalls große Augen mit schweren Oberlidern. Gewänder mit großer Stofffülle, Faltenwurf weich in großen Schwüngen fließend, die Körper mit schmalen Schultern und mächtigen Köpfen unter den Gewändern kaum auszumachen, entsprechen stilistisch der Zeit um 1440. Konturen und Falten der Gewänder mit Pinsel in einer dunkleren Schattierung der Lokalfarbe aufgelegt, keine Schraffuren. Insgesamt große Ähnlichkeit der Gestaltung mit den Holzschnittserien der Jahrhundertmitte.
1r: heilige Barbara, 66r: Christus vor Annas, einer der Peiniger trägt auffälligerweise eine grüne Schecke und einen Dunsing, also zeitgenössisch herrschaftliche Kleidung, 99r: Kreuztragung mit Symon von Cyrene und zwei Frauen im Gefolge, 99v: fünf Heilige in einem Hag, der von einem Flechtzaun eingefasst ist, wohl als Abbreviatur eines Hortus conclusus. Den Attributen nach handelt es sich in der hinteren Reihe um Andreas mit Andreaskreuz, Leonhard, neben dem eine Kette hängt, mit Tonsur, Mönchskutte und einem Buch in der verhüllten linken Hand, des Weiteren einen mangels Attributen nicht zu identifizierenden Bischof ohne Nimbus, in der vorderen Reihe Hieronymus mit dem Löwen, dem er den Nagel aus der Pfote gezogen hat, und Johannes der Täufer mit Buch und Lamm. Die Illustration auf dem verlorenen Blatt dürfte der Textstelle nach die Geißelung Christi dargestellt haben. Die Textlücke Bl. 87f. entspricht
Rosa, Grün, Blau, Grau, Rot, Gelb, Silberauflage oxidiert (so wie bei Nr. 73.11.3.).
Abb. 23: 99r. Kreuztragung.