KdiH

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63.3.6. New York, The New York Public Library, Spencer Collection, Ms. 100

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1460.

Lokalisierung:

Bairischer Sprachraum, vermutlich Südwestbayern.

Besitzgeschichte:

Aus dem Privatbesitz von Theodor Oswald Weigel, Leipzig (1812–1882); 1922 über das Antiquariat Frederik Muller, Amsterdam, verkauft (Frederik Muller & Cie.: Catalogue dʼune collection de gravures sur bois, de manuscrits et de livres à figures des XVe et XVIe siècles. Vente à Amsterdam le 24 mai 1922. Amsterdam 1922, S. 34, Nr. 72), dann im Besitz Arnold Mettler-Speckers (1867–1945) in St. Gallen; für die Spencer Collection 1955 in Basel erworben (LʼArt Ancien. Haus der Bücher. Auktion XXV. Wertvolle Autographen, mittelalterliche Manuskripte, Seltenheiten der alten Musik. Basel, 26. Mai 1955, S. 8, Nr. 530).

Inhalt:
1. S. 1a–33b ›Konstanzer Weltchronik‹
2. S. 34a–52b ›Antichrist-Bildertext‹
S. 34a–48a Vom Antichrist
S. 48a–51a Die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht
S. 52a–b Vom Jüngsten Gericht
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, III + 26 + III Blätter (modern paginiert S. 1–52, Vorsatzblätter modern), 394 × 273 mm, zweispaltig, 46–48 Zeilen, kursive Bastarda, ein Schreiber, rote Strichel, Unterstreichungen, Lombarden über zwei oder drei Zeilen (gelegentlich fehlend).

Schreibsprache:

bairisch.

II. Bildausstattung:

Zu Text 1 mehr als 100 kolorierte Federzeichnungen (S. 2b bilden drei Zeichnungen einen Bildstreifen; gelegentliche Freiräume könnten für die Aufnahme von Bildern vorgesehen gewesen sein [S. 2a, S. 22b?, S. 28a?], S. 27 Wappenzeichnung ungerahmt auf dem Randsteg); zu Text 2 70 kolorierte Federzeichnungen. Ein Zeichner.

Format und Anordnung:

Spaltenbreit, quadratisch bis rechteckig je nach Größe des freigelassenen Raums in unterschiedlicher Höhe, eingefasst in doppelt linierten, violettrot gefüllten Rahmen. In Text 2 sind die Bilder in dichter Folge zwischen den Text positioniert, dabei ihrem Bezugstext konsequent nachgeordnet. Zum Antichrist in der Regel vier Bilder pro Seite, jede Text-Bild-Einheit umfasst eine halbe Spalte, doch gibt es keine vorgezeichnete Seiteneinteilung. Zu den Fünfzehn Zeichen entsprechend sechs Bilder pro Seite, jede Text-Bild-Einheit umfasst ein Drittel einer Spalte.

Bildaufbau und -ausführung:

Professionelle Zeichnung in skizzenhafter, dabei ausdruckssicherer Linienführung, so sind Physiognomien in wenigen kurzen Strichen charakterisiert, Räumlichkeit wird durch unperspektivische Schrägstellung und Figurenstaffelung evoziert, Schattenflächen durch rasch dahingeworfene parallele Schraffen angegeben, modelliert wird mit Pinsellavierung in wenigen Farben unter Einbeziehung des weißen Papiergrunds, Inkarnat nur als zarte Pinselstreifen in Violettrosa. Bildkompositionen nehmen trotz unterschiedlicher Formate in der Regel die volle Bildhöhe ein, nur ausnahmsweise ragen einzelne Bildmotive in die Rahmung hinein. Regelmäßig sind die Bildszenen – einschließlich der Wappen in Text 1 – vor einen schlichten Landschaftshintergrund platziert: ein Bodenstück, dessen Farbe vom lichten Vordergrund bis zur Horizontlinie auf etwa einem Drittel der Bildhöhe zunehmend an Sättigung gewinnt und damit Tiefenwirkung suggeriert; darüber ein Himmelstreifen im oberen Drittel, dessen Blau sich bis zum oberen Bildrand ebenso verdichtet.

Bildthemen:

Siehe Bildthementabelle Einleitung zur Untergruppe 63.3. Zur »Doublette« des Eingangsbildes (Sterbebett Jakobs, S. 34b), das bereits S. 33b in nahezu identischer Komposition zum Abschluss der ›Konstanzer Weltchronik‹ auftaucht und hier von Hamburger (Splendor of the Word [2005]) auch wegen der monochromen graugrünen Lavierung als Darstellung des Todes Papst Urbans V. interpretiert wird, vgl. Klosterneuburg, Cod. 1253 (Nr. 63.3.4.), 145r und 146r. Auffallende Themenvarianten: Zur Erweckung der Propheten Elias und Henoch hat New York als Nebenszene die Darstellung eines leeren Predigtstuhls, dahinter zwei Zuschauer (S. 45b), wo Berlin, Ms. germ. fol. 1714 (Nr. 63.3.2.), 47r und Klosterneuburg, 157r ebenfalls einen Predigtstuhl zeigen, hier jedoch besetzt mit einem Prediger; zur Episode von den aus ihrem Versteck zurückkehrenden Christen, denen das Brot verwehrt wird, zeigt New York lediglich die zurückkehrenden Christen, nicht aber den sonst fast immer obligatorischen Brotstand (so jedoch auch Klosterneuburg, 157r); zweimal ist in New York ein Einhorn unter dargestellten Tieren zu sehen (S. 49a: 3. Zeichen, S. 50b: 12. Zeichen; zu Motivberührungen mit Fünfzehn-Zeichen-Folgen in französischen Drucken und in der ›Legenda-aurea‹-Handschrift Cambridge, Fitzwilliam-Museum, MS 22 siehe Wagner [2016] S. 41f.); sehr reduziert ist die Darstellung des Weltgerichts S. 52b, die nicht wie sonst üblich figurenreich gestaltet ist, sondern nur den Auferstandenen mit Schwert und Lilie auf dem Regenbogen thronend zeigt. Der New Yorker Codex gehört nicht zu jener Gruppe der ›Weltchronik‹-Handschriften, die sich durch die Charakterisierung der Libyer und der Gefolgsleute Gogs und Magogs als Wundervölker auszeichnen (Nr. 63.3.1., Nr. 63.3.4., Nr. 63.3.5.).

Farben:

Meist sehr blasses Violettrot, Grün, Blau, Braun, Ocker. Sehr selten Rot.

Literatur:

T. O. Weigel und Adolf Zestermann: Die Anfänge der Druckerkunst in Bild und Schrift. An deren frühesten Erzeugnissen in der Weigelʼschen Sammlung erläutert. Bd. 2. Leipzig 1866, S. 113–123, Nr. 263; Buchmalerei im Bodenseeraum (1997) S. 279, Nr. KO 29 (Bernd Konrad), mit Abb. (S. 28); Gerhardt/Palmer (2000) K 16 f; Schmitt (2004) S. 409f. u.ö. (als »Hs. Weigel«); Splendor of the Word (2005) S. 376–381, Nr. 88 [Jeffrey Hamburger], Abb. S. 377 (S. 30), 379 (S. 32–33); Wagner (2016) S. 32, 42 u. ö.

Anmerkungen:

Zu Text 1 siehe Stoffgrupe 135.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XIV: S. 35. Zeugung / Geburt / Unkeuschheit des Antichrist / sein Erlernen der Zauberkünste.

Taf. XIXb: S. 49b. 6. Zeichen: Alle Bauwerke stürzen ein.

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Taf. XIV.
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Taf. XIXb.