59.13.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 1861
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 7
1447–1452.
Steyr/Oberösterreich.
Erstbesitzer waren der Buchmaler Linhart Eckmanshofer und seine Frau Dorothea Eckmanshoferin (Einträge Iv, 126v, 145r). In der Neuzeit im Besitz eines Seybold (1r ex libris Seyboldj [18?]99), alte Signaturschildchen mit den Nummern 9400 und 72; 1929 von der Königlichen Bibliothek zu Berlin erworben (acc. nr. 1929.7).
1. | 1ra–126vb |
›Die Neue Ee‹, Leben Mariens und Jesu
Anfang fehlt
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2. | 127r–144v |
Etymachietraktat
Übersetzung A, Schluss fehlt
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Papier, I + 145 Blätter (moderne Zählung; Blattverluste: acht Blätter vor 1, mehrere Blätter nach 6, je ein Blatt nach 2, 4, 25 und 36 [vgl. die Notiz 86v unten: das seint hundert pleter] sowie nach 110, 120, 137 und 144, Blatt 28 defekt mit Textverlust, Vorsatzblatt und 145 ehemals auf den Rückendeckel aufgeklebt, nach jüngster Restaurierung abgelöst), 280 × 200 mm, Text 1 zweispaltig, 30–34 Zeilen, Text 2 einspaltig, 30–32 Zeilen, Bastarda, ein Schreiber: Niclas Czipser von Kirchdorff die zeit Organista zu steir vnd mit Burger da selbs Anno etc Quadragesimo septimo am Erigtag vor Invencionis sancti Stephani etc. (126v), der nach
bairisch-österreichisch (
Zu Text 1 259 erhaltene (von ursprünglich ca. 300), zu Text 2 12 kolorierte Federzeichnungen von Linhart Eckmanshofer (126v: das puech hat gemolt linhart eckmanshofer vnd hatz volbrach an derr heyling drey kuningh obent anno virczehenhundert vnd im zweyvndfuenfczigisten Jar etc). Ob Linhart (und Dorothea) Eckmanshofer wie der Schreiber Niklas Czipser nach Steyr zu lokalisieren sind, ist unklar; für eine mögliche Herkunft aus Eckmannshofen (bei Eichstätt) gibt es keine Anhaltspunkte.
Zu den Illustrationen zu Text 2 siehe künftig Nr. 131.0.4.
ungerahmte Zeichnungen, in ungefähr quadratisch vorgesehene Bildfelder platziert, diese aber oft auch auf die Randstege ausweitend; zwischen dem Text, in unmittelbarer Nähe zum Bezugstext; 11r ausnahmsweise phantasievoll um den Text herum kombiniert. Manche Zeichnungen von späteren Benutzern verschmiert (29v–30r).
hintergrundlose, wenig kunstvolle Zeichnungen in ebenmäßiger, unabgesetzter Linienführung. Proportionen oft unstimmig, Perspektive spielt keine Rolle; die Figuren sind schlank, angetan mit weich fallenden Gewändern, die Köpfe groß und mit langen, flächigen Gesichtern, die Haltung hölzern. Die Bodenstücke meist getupft oder gestrichelt, ansonsten flächig laviert; auch die Zeichnungen von Figuren und Requisiten sind flächig und farbenfroh ausgemalt, Papiergrund ist häufig als Farbe Weiß (für Gewänder, Gesichter etc.) einbezogen, nicht zur Modellierung. Die Ausführung sehr sorgfältig, mit sichtbarer Hingabe und Liebe zum Detail (neben vielfach eingefügten Hündchen oder ähnlichen Motivbeigaben z .B. 4vb Wassermühle am Weg nach Nazareth, 11rb und 41r Bauernhof, 26ra Kinderspiele, 28va Brudermord des Pilatus mit Jagdszene und Wassermühle etc.). Vom intensiven Bemühen um Ausdrucksstärke zeugen auch die zahlreichen Schriftbänder, die die Figuren zum Sprechen bringen (22ra der geheilte Schächer: ich pin gesundt, 75ra Jesus erscheint dem Jakobus: iacob nun soltu essen, 91rb Vespasian bei der Ankunft des Adrianus: mach mich gesund oder stirb, u.a.).
In der Dichte der Illustrierung vergleichbar mit der New Yorker ›Neuen Ee‹ (Nr. 59.13.4.) und dem nicht zur Ausführung gekommenen Bilderzyklus der Znaimer Handschrift (Nr. 59.13.5.), mit Einschränkung auch mit dem Münchner Cgm 246 (Nr. 59.13.2.), doch sind die Bildprogramme nicht voneinander abhängig. Die Wahl der Motive scheint vielmehr direkt vom Text inspiriert und weist unmittelbar auf ihn zurück; symptomatisch für die enge Verzahnung zwischen Bild und Text sind die zahlreichen Spruchbänder, die den Bildern z.T. fast comicartigen Charakter verleihen (ein weiteres Beispiel 38rb: die Eltern des Judas werden beim Beilager gezeigt, dazu das Schriftband in der Hand Ziborias mir trawmpt). Das Streben nach Texttreue wird auch in der offenbar verunsicherten Darstellung des letzten Gebets Marias deutlich (112rb): In Variation des ikonographischen Typus der von Johannes gestützten, hinsinkend betenden Maria im Kreise der Apostel werden in Berufung auf den Text, in dem die zwanzig Jungfrauen am Sterbebett Marias erwähnt werden, in die Apostelgruppe zwei Frauen integriert – denen aber wohl nachträglich doch wieder männliche Züge (Bärte) verliehen worden sind. Auch die Kerzen, von denen der Text berichtet (In dem zuntten die Junkfrawen die kerczen auf das sie prunnen), finden sich im Bild wieder. Andererseits gibt es auch Stellen, wo sich die Bebilderung unabhängiger vom Text macht, gegen den Text etwa ist der Besessene, dessen Teufel Jesus austreibt und der in ein Schwein fährt, eine Frau (39vb).
z.T. deckende Farben: Hell- und Dunkelgrün, kräftiges Blau, Violett, Zinnober, Grau, Braun, Rostbraun, Gelb.
Nicht bei
Abb. 52: 28v. Pilatus ersticht den französischen Königssohn, mit Jagdszene.
Abb. 53: 38rb. Eltern des Judas beim Beilager: Ziborias Traum.