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44.12. Stephan Fridolin, ›Schatzbehalter‹

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 6

Der ›Schatzbehalter‹ gilt als literarisches Hauptwerk des observanten Franziskaners Stephan Fridolin (geboren ca. 1430 in Winnenden [Nordwürttemberg], gestorben 1498 in Nürnberg; als Prediger erstmals 1460 im Bamberger Franziskanerkloster belegt, ab 1480 als Lektor im Nürnberger Franziskanerkloster). Im Text selbst wird der Autor jedoch nicht genannt; nur ein einziger zeitgenössischer Eintrag in einem Exemplar des Druckes (München, Staatsbibliothek, 8 Inc. c. a. 2609) sichert Fridolins Autorschaft.

Das umfangreiche Werk bildet einen bedeutenden Markstein in der Geschichte des gedruckten Buches, vor allem in seiner engen Verbindung von Text und Bild, bei dem das Bild als anspruchsvolles Erkenntnisinstrument eingesetzt wird. Es handelt sich um lehrhafte Erbauungsliteratur, die vor allem für nicht lateinkundige, jedoch an religiöser Bildung interessierte Laien konzipiert wurde. Die thematische Konzentration auf das Leiden Christi, die den ›Schatzbehalter‹ kennzeichnet, findet sich auch in den Predigten Fridolins. Die Andachtslehre des Werkes geht von Hugos von St. Viktor Konzept der Kontemplation aus (theologia divina versus theologia mundana); es zieht jedoch ein breites Spektrum von Quellen heran, die von der Bibel und den Kirchenvätern bis zu den großen Theologen des Mittelalters reichen. Der Hauptteil des Textes ist in hundert Betrachtungspunkte eingeteilt, von denen jeweils zwei antithetisch gegeneinander gesetzt werden (als gegenwuͤrff bezeichnet); sie handeln von der Würde und den Tugenden Christi, die seinem Wirken und Leiden kontrastiert werden, sowie von deren Früchten für den gläubigen Menschen. Die Betrachtungstexte sollen zu den Bildern hinführen, sie werden explizit auf das ikonographische Programm bezogen; vgl. die Vorrede zum zweiten Buch (Druck, fivv): Es ist auch zewissen das ettlich gegenwuͤrff von pildwerck figuren haben vmb der layen willen fuͤr die diss buͤchlein allermaist entworffen ist auff das die die sunst nit geschrifft oder puͤcher haben sich dester bas behelffen muͤgen in der verstentnus vnd behaltung dieser gegenwuͤrff durch die auslegung vnd einpildung sollicher figuren. Vntterweilen hat ein gantzer gegenwurff allein ein figur, vntterwylen hat ein yeglicher artikel ein sundere figur. Vil gegenwuͤerff haben keyne wann sie sein zu geistlich vnd in figuren nit wol erfintlich. Vntterweil dient ein figur zu vil gegenwuͤrffen […]. Inhalt und Bedeutung der angesprochenen Bilder (figuren), deren Themen vom göttlichen Heilsplan für die Menschheit durch den Leidensauftrag an den Gottessohn bis zum Vollzug dieses Leidens am Kreuz reichen, werden im Text jeweils detailliert beschrieben und bilden einen wesentlichen Teil des Gesamtkonzepts; die Bildelemente stehen in symbolischer Beziehung zum theologischen Gehalt des Textes, bieten darüber hinaus aber auch eine Überfülle erzählerischer Details. Die Reihe erzählender und anagogischer Bilder aus dem Alten und dem Neuen Testament – deren Prinzip nicht der Chronologie folgt – wird von einigen rein allegorischen Darstellungen theologischen Inhalts unterbrochen. Wie der Autor selbst äußert, ist vielfach das Bildprogramm sein Ausgangspunkt, von dem ausgehend er den Text erst formte (die einzelnen Abschnitte sind von sehr unterschiedlicher Länge). Seine Bildvorlage war eine wohl von ihm selbst inspirierte, um 1470 gemalte Tafel eines unbekannten fränkischen Malers aus der Bamberger Franziskanerkirche (heute im Historischen Museum der Stadt, Inv. Nr. 63). Die Holztafel ist beidseitig bemalt (die beiden Seiten sind heute getrennt), auf der einen Seite ist der Prediger Johannes von Capestrano bei seiner Bußpredigt in Bamberg 1452, auf der anderen sind in 15 Feldern Themen der Heilsgeschichte dargestellt; sie dienten als Nucleus des Bildprogramms im ›Schatzbehalter‹, wo die Darstellungen von Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff variiert oder kopiert werden, zudem wird im Text auf sie Bezug genommen. Die kontrastiv in Paare geordnete Texteinteilung der gegenwuͤrffe hat in der Tafel jedoch noch keine Entsprechung. Die Bamberger Bildtafel dürfte im Zuge der Propagierung der franziskanischen Observanzbewegung entstanden sein.

Zur Bamberger Tafel: Der Bußprediger Capestrano auf dem Domplatz in Bamberg. Eine Bamberger Tafel um 1470/75. Begleitschrift zur Ausstellung. Bamberg 1989 (Schriften des Historischen Museums Bamberg 12); Ruth Slenczka: Lehrhafte Bildtafeln in spätmittelalterlichen Kirchen. Köln 1998 (pictura & poesis 10), S. 139 ff., 144–160, Abb. zu V.3. und VI.1.; Petra Seegets: Passionstheologie und Passionsfrömmigkeit im ausgehenden Mittelalter. Der Nürnberger Franziskaner Stephan Fridolin (gest. 1498) zwischen Kloster und Stadt. Tübingen 1998 (Spätmittelalter und Reformation N.R. 10), S. 179 ff.; Ulrike Heinrichs-Schreiber: Sehen als Anwendung von Wissen. Aussage und Wirkung der Bilder in Stephan Fridolins Schatzbehalter und bei Albrecht Dürer. In: Die Gleichzeitigkeit von Handschrift und Buchdruck (2003), S. 60 f., 97, Abb. 1.

Von den Zeichnungen im sog. ›Skizzenbuch Wolgemuts‹ (Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 78B 3a, siehe auch oben S. 53), die zuweilen als »Bindeglied« (Seegets, wie oben, S. 182) zwischen der Bamberger Tafel und dem Druck von 1491 bezeichnet werden, stimmen sechs in ihrer Komposition mit Holzschnitten des ›Schatzbehalters‹ überein, bei drei weiteren sind Bezüge wahrscheinlich. Allerdings gibt es keine Belege dafür, dass die Zeichnungen am Anfang des Entwurfsprozesses für die Holzschnitte des Druckes stehen. Auch handelt es sich nicht um ein ›Skizzenbuch‹ im eigentlichen Sinn, sondern um einen aus heterogenen Stücken zusammengesetzten Band (zur Einordnung der einleitenden Bildmedaillons siehe oben Untergruppe 44.10.); die kodikologische Untersuchung und die Bestimmung von Aufbau und Funktion stehen noch aus.

Der einleitende Teil 1 des ›Schatzbehalters‹ handelt über den Nutzen und die Früchte der Betrachtung von Christi Leiden und gibt Anleitungen zur Übung dieser Betrachtung. Er bietet dem Leser eine traditionelle Memorierhilfe mithilfe des Bildschemas zweier Hände. Die rechte und die linke Hand sind in je 50 Felder geteilt, die sich aus Fingergliedern und dazwischengesetzten Ringen addieren; diese Felder werden von 1 bis 100 (im Druck in römischen Zahlen von I bis L bzw. LI bis C; in den Handschriften teilweise in arabischen Zahlen) durchgezählt und sind je einem Betrachtungspunkt (gegenwurff) im Haupttext (Teil 2) zugeordnet; das jeweilige Gegenstück hat das entsprechende Feld auf der anderen Hand. Das Bildschema der zwei Hände wird im Schlussteil (Teil 3, der von den letzten Worten Jesu und den Ereignissen nach seinem Tod handelt sowie eine Auslegung des ›Kyrie eleison‹ enthält) variierend wiederholt, hier mit jeweils 14 Halbfiguren, die in die Fingerglieder eingezeichnet sind (linke Seite: Jesus als Schmerzensmann, Maria und die zwölf Apostel mit ihren Attributen, daneben rechts in einer Kolumne der Text der zwölf Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses; rechte Seite: Jesus in der Glorie, Maria gekrönt, zwölf neutestamentliche bzw. apokryphe Glaubenszeugen, die den gegenüberstehenden Aposteln parallelisiert sind – Paulus, Joseph, Lucas, Nikodemus etc.).

Die primäre Überlieferung des ›Schatzbehalters‹, die noch in Fridolins Lebenszeit datiert, ist Kobergers Druck von 1491 (Nr. 44.11.a.), der allein neben dem Text auch das umfangreiche Bildprogramm aus der Werkstatt Michael Wolgemuts und Wilhelm Pleydenwurffs enthält. Größe wie formale und kompositorische Komplexität der Bilder sind bis dahin im Medium der Holzschnitt-Buchillustration ohne Beispiel und werden erst kurz danach durch die Schedel’sche Chronik aus derselben Offizin überboten (weltweit sind insgesamt noch rund 140 Exemplare des Druckes nachweisbar). Der aufwändige Druck mit seinem anspruchsvollen Text-Bild-Programm hat keine weitere Auflage erfahren. Auch die Holzstöcke der Illustrationen wurden nicht für andere Werke wieder verwendet; allerdings müssen mit ihnen Einblattdrucke einzelner Darstellungen ohne Text hergestellt worden sein, wie die Verwendung von mindestens 13 Bildern durch Hartmann Schedel zeigt: 13 verschiedene Blätter mit Illustrationen, die dem ›Schatzbehalter‹ entstammen, jedoch anders als dort ohne Angabe der jeweiligen figur-Nummer und zumeist mit prächtigen vierseitigen Bordürenrahmen versehen sind, wurden in verschiedene Bücher aus Schedels Bibliothek eingeklebt oder eingebunden (vgl. Béatrice Hernad: Die Graphiksammlung des Humanisten Hartmann Schedel. München 1990, S. 45, 114–120, Katalog Nrn. 64–69 mit Abb. [entsprechen den figuren 6, 21, 44, 66, 67, 79; figur 66 auch als Tafel 21], ferner S. 114 Abb. 68 [= figur 11], S. 116 Abb. 69 [= figur 14], S. 117 Abb. 70 [= figur 18], S. 118 Abb. 71 [= figur 22], S. 119 Abb. 72 [= figur 80], S. 120 Abb. 73 [= figur 64], Abb. 74 [= figur 24]).

Neben dem Druck existieren einige Handschriften. Sie sind jünger und als Druckabschriften zu werten, die vor allem um die Bilderläuterungen gekürzt wurden. Auch zwei dieser Handschriften, beide aus dem Pütrich-Regelhaus der Franziskanerinnen in München, enthalten einige Bilder, die jedoch nicht dem Bildprogramm des Druckes entstammen; lediglich die auf die Einteilung des Textes bezogenen mnemotechnischen Doppelbilder der beiden Hände wurden von dort übernommen.

Ganz ohne Bilder sind die Auszüge in den Handschriften Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III.2.4o 3, datiert 1552, 142r–187v; München, Staatsbibliothek, Cgm 837, Ende 15., Anfang 16. Jahrhundert, aus Rebdorf, 217r–224v; Cgm 853, Anfang 16. Jahrhundert, aus dem Pütrich-Regelhaus München, 135r–245r, 246r–276r; München, Universitätsbibliothek, 8o Cod. ms. 281, datiert 1498 bzw. 1501, aus dem Franziskanerkloster Landshut, 63r–87v (am Beginn der Handschrift eingeklebte Holzschnitte und ein Teigdruck stehen nicht mit dem Text in Zusammenhang); Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 8o 11, 15. Jahrhundert, 1r–98v. Ein Druckexemplar (heute München, Staatsbibliothek, Rar. 293a, aus dem Pütrich-Regelhaus) befand sich im Besitz der Herzogin Kunigunde von Bayern, die 1508 ins Pütrich-Regelhaus eintrat. Da es vermutlich frühestens zu diesem Zeitpunkt dorthin gelangte, ist es fraglich, ob es die Vorlage der dort geschriebenen Handschriften gewesen sein kann.

Editionen:

fehlt.

Literatur zu den Illustrationen:

siehe unter Nr. 44.12.a.