26A.2.3. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2º Cod H 1
Bearbeitet von Norbert H. Ott
KdiH-Band 3
1457 (Vr).
Augsburg.
Vr unten Notiz einer Hand des 16. Jahrhunderts zu Autor und Auftraggeber der Chronik. Im vorderen Innendeckel Kupferstich-Wappenexlibris des Ludwig Bartholomäus von Herttenstein; Ir Notizen zur Chronik von seiner Hand, oben alte Signatur der Halder-Bibliothek: von Halder N. 532.
1. | 1r–106r | Sigismund Meisterlin, ›Augsburger Chronik‹, deutsch |
2. | 106r–116v |
Hector Mülich, Fortsetzung der ›Augsburger Chronik‹
106r Hie vachet an das funfft buͦch [Überschrift über dem Schriftspiegel], das ers [!] capitel des fünfften buͦchs das hat d’meysterlin nit gemacht. Abdruck des Texts bei
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3. | 118v–121r |
Augsburger Geschlechterwappen
118vanno dm̅ 1457 send dise nach geschribne geschlecht auf der trinckstuoben an der taflen gewesen wie sie hernach staud gemalet
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Papier, V + 121 Blätter, 270 × 195 mm, Bastarda, Capitalis quadrata als Auszeichnungsschrift, eine Hand (Hector Mülich: DAS · BVͦCH · IST · GESCHRIBEN · GEMALT · VND · EINGEPVNDEN · WORDEN · VON · HECTOR · MVͤLICH · NACH · XPI · GEPVRT · Mo · CCCCo · LVIIo · AM IIII · TAG · DES · MONATZ · IVNI [Vr]; Anno dom̅i Mo cccco lvijo das diz buͦch ausgeschriben ward von hector [116v am unteren Blattrand, bricht ab]), einspaltig, 31 Zeilen, rote Kapitelüberschriften, rote Unterstreichungen und Strichelungen, zweizeilige rote Lombarden zu den Kapitelanfängen.
ostschwäbisch.
Zwei Deckfarbenminiaturen (IVv, Vv) und 19 kolorierte Federzeichnungen zu Text 1 (17r, 21r, 25r, 31r, 38v, 42r, 49r, 52r, 65r, 68r, 71v, 74v, 77r, 79v, 82r, 84r, 88r, 94v, 97v), eine kolorierte Federzeichnung zu Text 2 (116r), neun Bildseiten zu Text 3 (117r, 117v, 118r, 118v, 119r, 119v, 120r, 120v, 121r), zwei unkolorierte Marginalzeichnungen (38r), zwei Hände.
Vier sechs- bzw. siebenzeilige Pinselgoldinitialen mit Federfleuronnée zu den Buchanfängen (1r, 17v, 39r, 63r); die 106r beginnende Fortsetzung Hector Mülichs ohne Initiale. Vr als dekoratives Schriftblatt in Capitalis quadrata mit Widmung (CIZERA · VINDELICA / GENAVNIA · AVGVSTA / CRISE · TIBI · GLORIA / IN · AVGUSTA · RECIA / VRBE · VERE · REGIA) und der Nennung Mülichs als Hersteller der Handschrift.
Die Deckfarbenminiaturen IVv und Vv, die Textillustration 38v (Ennius belagert Augsburg) und die beiden Eingangsminiaturen zum Wappenbuch 117r (Wappen Hektor Mülichs) und 117v (Augsburger Reiter mit Stadtpir) ganzseitig; Wappendarstellungen 118r–121r als ungerahmte Bildtafeln mit jeweils drei Wappen in drei Registern und Beischriften darüber. Zwei unkolorierte marginale Federzeichnungen 38r (links dreizeilig ein von hinten gesehenes liegendes Tier [Reh?] im Leerraum neben der Schlußschrift zu Teil II [Explicit Secunda pars Cronographie augustensm̅], links daneben zweizeilig eine ornamentale Blume). Textillustrationen leicht hoch- oder querrechteckig, meist jedoch nahezu quadratisch, am Kopf oder am Fuß der Seite zu Beginn der Kapitel, darüber oder auf vorausgehender Seite Kapitelüberschrift in Funktion einer Bildbeischrift. Unter der Illustration oder auf der Folgeseite Kapitelbeginn mit zweizeiliger Lombarde, erstes Wort oder erste Zeile des Kapitels mitunter in Capitalis quadrata. Die Initiale zur Vorrede (1r) siebenzeilig (goldenes W im linearen Kastenrahmen, Buchstabenkörper oben über den Rahmen ragend, Fleuronnéefüllung), die Initialen zu den Büchern II–IV sechs- bzw. siebenzeilig, ohne Rahmen, jedoch mit Federfleuronnée im Binnenraum und um den Buchstabenkörper.
Die Textillustrationen und die Wappenbilderfolge stammen von der Hand Mülichs (vgl. Nr. 3.3.3. [München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 581: Johannes Hartlieb, ›Alexander‹] und Nr. 4.0.21. [Gießen, Universitätsbibliothek, Ms. fol. 813: Sammelhandschrift mit Otto von Passau, ›Die Vierundzwanzig Alten‹; Meister Ingold, ›Das goldene Spiel‹; Marquard von Lindau, ›Dekalogerklärung‹; Marquard von Lindau, ›Auszug der Kinder Israels‹; Georg Mülich, Reise ins Heilige Land 1449]); die beiden Titelminiaturen in Deckfarben (IVv, Vv) von einer professionellen Hand.
Beide Titelminiaturen von einem schmalen roten Kastenrahmen gefaßt. IVv sorgfältig konstruierter, zentralperspektivischer Innenraum, Figuren mit runden Köpfen und pausbäckigen Gesichtern in geschickter Modellierung mit aufgesetzten Lichtern. Sehr plastische, versierte Durchformung der dunklen, in runde und Hakenfalten gelegten Gewänder. Holzmaserung an der Wandtäfelung und der Decke sorgfältig durch aufgesetzte, dunklere Pinsellineaturen wiedergegeben. Vv: Der heraldische, sich auf das Augsburger Wappen stützende doppelköpfige Adler in flächiger Deckfarbenbemalung, der Pinienzapfen im Stadtwappen plastisch durchgeformt.
Die Illustrationen von der Hand Mülichs von schmalem, dreifachem, mit Rot gefülltem Federlinienrahmen gefaßt. Die Szenen spielen meist in einer tiefenräumlichen Landschaft, die nach hinten von runden, grasbewachsenen Hügeln mit wenigen Laubbäumen abgeschlossen wird; auch im Mittel- und Vordergrund häufig Hügel, hinter denen Personengruppen, Reiter usw. hervorkommen. Zwischen den Bergketten im Hintergrund Stadtansichten, oft mit deutlich identifizierbaren Augsburger Bauwerken (z. B. 49r–65r), über der Landschaft ein sich zum Horizont hin aufhellender Himmel. Baumkronen aus grünen Pinseltupfen oder horizontalen Pinselschraffen und waagrechten, parallelen Federstrichen. Innenraum nur in 84r (Ostermesse des hl. Ulrich: Blick durch zwei säulengestützte Rundbogenarkaden in einen kreuzgratgewölbten Kirchenraum) und 25r (Anbetung Cisas: in der Bildmitte gibt ein in eine Landschaft gestellter, von zwei Säulen gestützter Rundbogen den Blick in einen flach gedeckten Innenraum mit dem Standbild Cisas frei; die Landschaft rechts und links des Gebäudes mit Bäumen und Gebäuden. Gedrungene Figuren mit großen, runden Köpfen, leicht verkniffen wirkende Gesichtszüge durch Augen aus schrägstehenden Federstrichen und schmalen, breiten Mündern, zuweilen etwas unbeholfener, mehrfach ansetzender Strich. Oft dichtgedrängte Figurengruppen in etwas steifen Bewegungen. Unsicherheiten in Anatomie und Proportionen, die Architekturen meist sicherer als die Figurendarstellung. Modellierung durch verlaufende Farbflächen und gekrümmt-kurvige, parallele Pinselschraffen. Viel freigelassener Papiergrund, Kolorierung sowohl mit breitem Pinsel als auch mit dünneren Pinselschraffen. Zeichnung wie Kolorierung verraten die nicht ungeschickte, wenn auch unausgebildete Hand eines nicht unbegabten Dilettanten.
Mülichs Illustrationszyklus weicht nicht in Ikonographie und Bildthematik, wohl aber in der Komposition häufig von den Modellen der im Bildaufbau enger zusammengehörigen Zyklen der übrigen Handschriften ab, seine Bilderfindungen sind zuweilen durchaus eigenwillig, wenn auch das tradierte Bildmodell unter der kompositorischen Maske meist noch erkennbar bleibt. Bemerkenswert ist die – auch in der von ihm illustrierten ›Alexander‹-Handschrift erkennbare – Vorliebe, durch die Architekturhintergründe Augsburger Lokalkolorit einzuspielen.
Siehe Bildtabelle der Einleitung zur Untergruppe 26A.2. Die einzige Illustration zur Mülichs Fortsetzung des Meisterlin-Chronik 116r zeigt die auf Flößen vor der Kulisse Augsburgs den Lech hinabfahrenden Augsburger Teilnehmer am Türkenkreuzzug von 1456. Titelminiatur IVv: Dedikation der Chronik an den Augsburger Rat sowie Wappenrepräsentation: In einem sich nach hinten perspektivisch verengenden Innenraum mit Holzdecke und hölzerner Wandvertäfelung unterhalb der verputzten Wand (darin links und hinten je zwei Fenster mit Putzenscheibenverglasung) sitzen an den Seitenwänden auf geschnitzten, an der Wand entlanglaufenden Bänken je drei Ratsherren (über den Köpfen ihre an der Vertäfelung angebrachten Wappen), die das im unteren Bildzentrum dargestellte Augsburger Wappenschild mit einer Hand greifen, mit der anderen darauf zeigen. Im Vordergrund links auf kleiner Sitzbank mit seitlich angebrachtem Wappen ein Ratsherr, der von dem rechts knienden Benediktiner Meisterlin ein Buch entgegennimmt; am Boden liegen drei weitere Bücher. Die sechs Ratsherrn in schwarze oder graue, z. T. golden (gelb) paspelierte Gewänder gekleidet, auf den Köpfen z. T. pelzbesetzte Hüte oder Mützen, der die Chronik empfangende Herr in braunem Mantel. Nach ihren auch im Wappenbuch 118r–121r gezeichneten Wappen sind die Ratsherrn zu identifizieren als (v.l.n.r.) Leonhard Langenmantel vom Sparren, Heinrich Langenmantel, Ulrich Rehlinger, Gabriel Ridler, Andreas Frickinger und Georg Strauß; der Herr auf der Sitzbank vorne links als Georg Nördlinger. Nördlinger und Ridler waren zur Zeit der Entstehung der Handschrift 1457 Mitglieder des aus vier Patriziern und 23 Zünftlern bestehenden Alten Rats, die übrigen Mitglieder des sich aus acht Patriziern und 27 Zünftlern zusammensetzenden Kleinen Rats. Irritierend ist der Umstand, daß Meisterlin sein Buch nicht, wie in der ikonographisch nahezu identischen Titelminiatur des Cgm 213 (Nr. 26A.2.7.) und in der historisierten Eingangsinitiale von 2o Cod. Aug. 60 (Nr. 26A.2.1.) seinem Auftraggeber Sigismund Gossembrot überreicht – der hier überhaupt nicht anwesend ist –, sondern Georg Nördlinger, der allerdings wie Gossembrot 1457 ebenfalls das Amt des Sieglers bekleidete.
Zinnober und Karminrot deckend, mattes Graublau, bläuliches Grün deckend und laviert; Violettgrau, Blaugrau und bräunliches Grau, gelbliches Grün, Ocker, Rötlichbraun, Braunorange laviert, selten Gelb. Die Deckfarbenminiaturen in Schwarz, Grau, Ocker, rötliches Hellbraun, Dunkelbraun, Zinnober, Grün, Deckweiß, Orange und unterschiedlichen Gelb-Braun-Ausmischungen.
Zu den Illustrationen von Text 3 siehe Stoffgruppe 133. Wappenbücher.
Abb. 77: 17r. Die neuerbaute Stadt Augsburg; im Vordergrund Genreszenen.
Abb. 78: 65r. Predigt des Hl. Lucius in Augsburg.
Abb. 92: IVv. Sigismund Meisterlin überreicht seine Chronik dem Augsburger Rat.