KdiH

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81.0.8. Providence (Rhode Island), Brown University, John Hay Library, Ms. German Codex 1

Bearbeitet von Pia Rudolph

KdiH-Band 8

Datierung:

1410 (28r, 34v) / 1411 (83r).

Lokalisierung:

Nürnberger Raum (Warnock [1992] S. 429).

Besitzgeschichte:

Vermutlich entstand die Sammelhandschrift im Kreis Nürnberg, worauf die Namen der Patrizierfamilien Volkamer und Nützel hindeuten. Im hinteren Deckel ist zu lesen Jo. Volkumar est iste liber et quis invenit restituta sibi, darüber, schwer erkennbar peter nützel, außerdem verweist eine Besitzermarke auf dem hinteren Einband auf die Familie Volkamer. Auf 109v ist eine Pariser Adresse angegeben Mr. Grouz, N. 27. Rue Neuve St. Roch hotel d’athenes. Die Handschrift befand sich im 19. Jahrhundert im Besitz von George Templeton Strong († 1875). Bei der Versteigerung der Strong Bibliothek 1878 erwarb sie John Matthews (Exlibris), seine Erben schenkten sie 1991 der Brown University.

Vgl. auch zur Handschrift Nr. 105.0.4. (aktualisiert)

Inhalt:
5r Inhaltsverzeichnis
1. 6ra–17va Matthäus von Krakau, ›Dialogus rationis et conscientiae‹
2. 17va–18ra Meinungen verschiedener Lehrer über die Häufigkeit der Kommunion
3. 21ra–28rb ›Lucidarius‹
I.1–II.93
4. 28ra–34va Irmhart Öser, ›Epistel des Rabbi Samuel an Rabbi Isaac‹
5. 35ra–36va Streitgespräch zwischen Christ und Jude
6. 41ra–56rb Apokalypse, deutsch
7. 61ra–83ra Apostelgeschichte, deutsch
8. 83va–97vb ›Visio Tnugdali‹, deutsch
9. 97vb–99rb ›Visio Fursei‹, deutsch
10. 99rb–102va Visionen der hl. Birgitta von Schweden, deutsch
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 105 Blätter (eine frühe Foliierung v–cviiij lässt auf eine weitere Lage zu Beginn schließen, Textverlust gibt es jedoch nicht, die Blattangaben richten sich nach dieser Zählung), 290 × 220 mm, Bastarda, fünf Schreiber (nach Warnock [1992] S. 423: I 16r–18r, 95v–102v; II 21r–34v Heinricus de wildenholcz [28r, 34v]; III 35r–56r; IV 61r–83r, geschriben von peter dem schreiber [83r]; V 83v–95r), zweispaltig, 33–46 Zeilen, eine Zeigehand (25v), ornamentale Initialen in Dunkelblau zu Text 3 (21r) und 4 (28v [mit einem Drachen, siehe unten II.]), Lombarden in Hellblau und Rot (aufwendiger gestaltet mit Ranken, Vögeln, Figuren, Sternen oder angedeutetem Fleuronné 6r, 28v–34r, 41r), die letzten Zeilen von Text 4 sind von einem Spruchband gerahmt (34v), Rubrizierungen.

Schreibsprache:

schwäbisch, ostfränkisch (Warnock [1992] S. 424).

II. Bildausstattung:

Zu Text 3: Sechs Randzeichnungen durch den Schreiber (21va menschliche Figur, 21vb Mönch [?] mit Laute; 22ra menschliche Brustfigur; 22va nackte, menschliche Figur und eine Katze; 25ra weibliche Figur; 26ra Teufelchen). Zu Text 4: eine Federzeichnung (28rb Moses im Gespräch mit einem Juden), siehe Stoffgruppe 105. Irmhart Öser, ›Rabbi Samuel‹.

Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung:

Die laienhaft angebrachten dekorativen Elemente zu den Texten 3 (›Lucidarius‹) und 4 (›Rabbi Samuel‹), die von einer Hand (II) geschrieben wurden, lassen ein verbindendes Konzept erkennen, sodass sie sich von den restlichen Teilen der Sammelhandschrift abheben. Beide Texte beginnen mit einer größeren Initiale. Auf 28v wird Text 4 durch eine achtzeilige h-Initiale mit einem Drachen im Binnenfeld eingeleitet, aus dem danach folgenden Buchstaben i wächst eine ornamentale Pflanze, wobei nur eine Eichel gut erkennbar ist. Eine ähnliche Gestaltung findet sich auf 21r, allerdings etwas einfacher: Nach der sechszeiligen, mit Ranken verzierten D-Initiale geht das i ebenfalls in eine Art Pflanze über. Die gemeinsame Konzeption von Details, die aus Buchstaben hervorsprießen, und die nicht professionell wirkende Ausführung weisen darauf hin, dass der Schreiber auch der Zeichner der Randfiguren zu Text 3 war und eventuell auch die Initialen angebracht hat. Die Figuren sind alle mit dem Schwung eines Buchstaben verbunden, einige davon weisen einen Bezug zum Text auf.

Bildthemen:

Zu Beginn des Abschnitts I.20 wächst aus einem D eine menschliche Figur (Da sprach der junger wo ist dý óber hell, 21va). Sie kann mit ihrem Bart und dem unklar geschilderten Unterkörper als dämonisches Mischwesen gedeutet werden, das als Illustration zu diesem Abschnitt fungiert, in dem die Aufteilung der Hölle erklärt wird. In der óber hell hoffen, so der Meister, die Seelen auf ihre Erlösung. Am Ende dieses kurzen Abschnitts wird auf 21vb ein sitzender Mönch (?) mit Laute gezeigt, der zunächst nichts mit dem Text zu tun zu haben scheint (wenn man ihn nicht als eine dieser Seelen interpretieren will oder einen Mönch, der für die Seelen betet; jedenfalls ist das Mischwesen unten auf dem Blatt angebracht, während der musizierende Mönch oben sitzt, was als Gottesferne bzw. -nähe gedeutet werden kann). Da der Zeichner gleich zwei Figuren am ersten und am letzten Wort von Abschnitt I.20 ausgeführt hat, deutet sich hier ein besonderer Stellenwert an.

Die Seite (22r) und der Abschnitt I.32 beginnt mit einer menschlichen Brustfigur, die aus einem D hervorgeht (Da sprach der júnger wo ist das paradeis) und vielleicht den Fragenden oder den Meister meint. Die Figur ist seitlich dargestellt und blickt nach links, in Richtung des Mönchs mit Laute auf der gegenüberliegenden Seite. Am Beginn der Seite 22v und innerhalb des Textabschnitts I.52 ist der Name des Landes, das dem Paradies am nächsten liegt, mit einer nackten Figur und einer Katze verziert worden: Jndia. Das J ist mit einer ornamentalen Pflanze dekoriert, die die nackte Figur auf Brusthöhe abschneidet und damit ihre Blöße verdeckt – vielleicht soll es sich hier um einen Bewohner Indiens handeln. Aus dem unteren Schwung des J wächst die Katze hervor, beide Figuren blicken frontal zum Betrachter. Am Beginn der Seite 25r und des Textabschnitts (I.117), worin der Meister erklärt, warum die Menschen ergrauen, wird ein weibliches Gesicht mit ausgestrecktem Arm dargestellt, das aus dem D wächst (Der meister), ein Textbezug ist hier nicht auszumachen. Zu Beginn der Seite 26r werden übereinander zwei kleine Teufelchen gezeigt, die aus einem D aufsteigen (Dar nach). Im anschließenden Abschnitt (II.17) erklärt der Meister, dass der Glaube die Waffe gegen den Teufel ist.

Obwohl es in Abschnitt I.47 einen Hinweis auf eine darzustellende Weltkarte gibt (alz da vor dir gemalt ist, 22rb), wurde im Text dafür kein Platz gelassen (vgl. die ›Lucidarius‹-Handschrift aus Chur [Nr. 81.0.2.]).

Zum Abschluss des ›Lucidarius‹-Textes brachte ein weiterer Zeichner eine Illustration an (28rb), die zum folgenden Teil der Handschrift gehört und überleitet, der ›Epistel des Rabbi Samuel an Rabbi Isaac‹. Dargestellt ist Moses im Dialog mit einem Juden. Wie im ›Lucidarius‹ handelt es sich auch bei diesem Text um ein Gespräch zwischen zwei Figuren, wobei der neue Bund der Christen mit Gott im Mittelpunkt steht, der den alten Bund mit Moses und den Israeliten ablöst.

Farben:

schwarze und rote Tinte, blaue Initialen.

Literatur:

Warnock (1992) S. 422–433; Gottschall/Steer (1994) S. 15*, Nr. 48, S. 77*f.; Ulmschneider (2011) S. 237–242.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 172: 21v. Menschliche Figur; Mönch (?) mit Laute.

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Abb. 172.