76.2.2. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 848
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 8
Um 1300 (Nachträge bis ca. 1340).
Zürich.
Vermutlich in Auftrag gegeben durch Rüdiger Manesse, seinen Sohn Johann und einen Kreis Zürcher Patrizier. Erstmals 1596 im Nachlass von Johann Philipp von Hohensax (1550–1596) nachgewiesen, zwischen 1596 und 1607 an verschiedenen Orten im Bodenseeraum, u. a. zwischen 1597 und 1604 in der Bibliothek des Schweizer Humanisten Bartholomäus Schobinger (1566–1604). Von 1607 bis 1612 (vermutlich länger) in Heidelberg in kurpfälzischem Besitz. Aus diesem gelangte die Handschrift an den Sammler Jacques Dupuy (1591–1656), der sie der Bibliothèque royale (heute: Bibliothèque nationale) vermachte, wo sie seit 1657 war. Nachdem Jacob Grimm die Handschrift 1805 gesehen hatte, gab es mehrere Versuche, sie nach Deutschland zu holen, bis sie 1888 durch den Verleger Karl Ignatz Trübner (1846–1907) durch den Tausch französischer Handschriften in den Besitz der Universitätsbibliothek Heidelberg gelangte. Zur Provenienz siehe ausführlich
1r–428r |
Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse)
Register (neuzeitlich: 1r–2r, mittelalterlich: 4v–5v), 1. Kaiser Heinrich (6r–v), 2. König Konrad der Junge (7r–v), 3. König Tirol (8r–9v), 4. König Wenzel von Böhmen (10r–11r), 5. Heinrich von Breslau (11v–12r), 6. Markgraf Otto von Brandenburg (13r–14r), 7. Markgraf Heinrich von Meißen (14v–15v), 8. Heinrich von Anhalt (17r–v), 9. Johann von Brabant (18r–19r), 10. Rudolf von Fenis (20r–22r), 11. Kraft von Toggenburg (22v–23v), 12. Konrad von Kirchberg (24r–25r), 13. Friedrich von Leiningen (26r–v), 14. Otto von Botenlauben (27r–28v), 15. Markgraf von Hohenburg (29r–v), 16. Heinrich von Veldeke (30r–32r), 17. Gottfried von Neifen (32v–41v), 18. Albrecht von Hohenberg (42r–v), 19. Wernher von Hohenberg (43v–44v), 20. Jakob von Warte (46v–47v), 21. Eberhard von Sax (48v–49v), 22. Walther von Klingen (52r–53v), 23. Rudolf von Rotenburg (54r–59v), 24. Heinrich von Sax (59v–61r), 25. Heinrich von Frauenberg (61v–62v), 26. Der von Kürenberg (63r–v), 27. Dietmar von Aist (64r–66r), 28. Der von Gliers (66v–68v), 29. Wernher von Teufen (69r–70r), 30. Heinrich von Stretelingen (70v–71r), 31. Christan von Hamle (71v–72v), 32. Ulrich von Gutenburg (73r–75r), 33. Heinrich von der Mure (75v–76r), 34. Heinrich von Morungen (76v–81r), 35. Schenk von Limburg (82v–83v), 36. Ulrich von Winterstetten (84v–95r), 37. Reinmar der Alte (98r–108v), 38. Burkhard von Hohenfels (110r–113r), 39. Hesso von Rinach (113v–114r), 40. Burggraf von Lienz (115r–v), 41. Friedrich von Hausen (116v–119r), 42. Burggraf von Riedenburg (119v–120r), 43. Meinloh von Sevelingen (120v–121v), 44. Heinrich von Rugge (122r–123v), 45. Walther von der Vogelweide (124r–145v), 46. Hiltbolt von Schwangau (146r–148r), 47. Wolfram von Eschenbach (149v–150v), 48. Ulrich von Singenberg (151r–155v), 49. Der von Sachsendorf (158r–159r), 50. Wachsmut von Künzingen (160v–161v), 51. Wilhelm von Heinzenburg (162v–163v), 52. Leuthold von Seven (164v–165r), 53. Walther von Mezze (166v–168r), 54. Rubin (169v–174r), 55. Bernger von Horheim (178r–179r), 56. Albrecht von Johansdorf (179v–181r), 57. Engelhart von Adelnburg (181v–182r), 58. Bligger von Steinach (182v–183r), 59. Wachsmut von Mühlhausen (183v–184r), 60. Hartmann von Aue (184v–187r), 61. Reinmar von Brennenberg (188r–189v), 62. Johann von Ringgenberg (190v–192r), 63. Albrecht von Raprechtswil (192v–193r), 64. Otto zum Turm (194r–195v), 65. Goesli von Ehenheim (197v–198r), 66. Herrand von Wildonie (201r–v), 67. Der von Suonegge (202v–203r), 68. Der von Scharfenberg (204r–v), 69. Konrad von Landeck (205r–209v), 70. Winsbecke (213r–216v), 71. Winsbeckin (217r–219r), 72. ›Der Wartburgkrieg‹ (219v–226r), 73. Christan von Luppin (226v–227v), 74. Heinrich Hetzbold (228r–229r), 75. Der Düring (229v–230v), 76. Winli (231r–232v), 77. Ulrich von Liechtenstein (237r–247r), 78. Ulrich von Munegiur (247v–248r), 79. Hartwig von Raute (248v–249r), 80. Konrad von Altstetten (249v–250r), 81. Bruno von Hornberg (251r–v), 82. Hugo von Werbenwag (252r–253r), 83. Der Püller (253v–254v), 84. Der von Trostberg (255r–256r), 85. Hartmann von Starkenberg (256v–257r), 86. Der von Stadegge (257v–258r), 87. Brunwart von Augheim (258v–259r), 88. Der von Stamheim (261r–v), 89. Goeli (262v–263v), 90. Der Tannhäuser (264r–269v), 91. Der von Buchein (271r–272r), 92. Neidhart (273r–280v), 93. Heinrich Teschler (281v–284r), 94. Rost, Kirchherr zu Sarnen (285r–286v), 95. Der Hardegger (290r–291v), 96. Der Schulmeister von Esslingen (292v–294r), 97. Walther von Breisach (295r–296r), 98. von Wissenlo (299r–v), 99. Der von Wengen (300r–v), 100. Pfeffel (302r–v), 101. Der Taler (303r–304r), 102. Der tugendhafte Schreiber (305r–307r), 103. Steinmar (308v–310v), 104. Waltram von Gresten (311r–v), 105. Reinmar der Fiedler (312r–v), 106. Hawart (313r–314r), 107. Günther von dem Forste (314v–316r), 108. Friedrich der Knecht (316v–317v), 109. Burggraf von Regensburg (318r–v), 110. Niune (319r–320r), 111. Geltar (320v–321r), 112. Dietmar der Setzer (321v–322r), 113. Reinmar von Zweter (323r–338r), 114. Der junge Meißner (339r–340r), 115. Der alte Meißner (342r–v), 116. Der von Obernburg (342v–343v), 117. Bruder Wernher (344v–347v), 118. Der Marner (349r–354v), 119. Süßkind von Trimberg (355r–356r), 120. Gast (358r), 121. Ulrich von Baumburg (359r–360r), 122. Heinrich von Tettingen (361r–v), 123. Rudolf der Schreiber (362r–v), 124. Ps.-Gottfried von Straßburg (364r–368r), 125. Johannes Hadlaub (371r–380v), 126. Regenbogen (381r–v), 127. Konrad von Würzburg (383r–391r), 128. Kunz von Rosenheim (394r–v), 129. Rubin von Rüdeger (395r–v), 130. Der Kol von Niunzen (396r–v), 131. Der Dürner (397v–398r), 132. Frauenlob (399r–404r), 133. Friedrich von Sonnenburg (407r–409r), 134. Sigeher (410r–411v), 135. Der wilde Alexander (412r–413r), 136. Rumelant (413v–415r), 137. Spervogel (415v–417v), 138. Boppe (418r–421v), 139. Der Litschauer (422r–v), 140. Der Kanzler (423v–428r)
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Pergament, II + 426 Blätter (Bl. 1 und 2: Papier des 17. Jahrhunderts; fehlende Blätter, teilweise mit Textverlust, nach Bl. 34 [ein Blatt], 44 [ein Blatt], 49 [mindestens ein Doppelblatt], 50 [zwei Blätter], 95 [ein Blatt], 145 [zwei Blätter], 174 [zwei Blätter], 199 [ein Blatt], 274 [drei Blätter], 276 [ein Blatt], 285 [ein Blatt], 287 [ein Blatt], 288 [ein Blatt], 291 [ein Blatt], 297 [zwei Blätter], 323 [fünf Doppelblätter?], 338 [zwei Blätter], 409 [ein Blatt], 421 [ein Blatt]; siehe
alemannisch.
137 ganzseitige Deckfarbenminiaturen jeweils zu Beginn der Autorcorpora (drei Corpora ohne Miniatur: Nr. 97, 115, 120), mehrere Maler (G, N1–3; siehe unten Bildaufbau und -ausführung); eine ganzseitige Federzeichnung (196r), zehn Initialen (44r, 191r, 193r, 231v, 285v, 293r, 339v, 355v, 396v, 399v) und zwölf Lombarden (145r [3], 193r, 232r, 232v, 293v, 339v, 402r, 402v, 403r, 403v) mit Drolerien (alle von J5). Drei Bildfreiräume (294v, 341v, 357v; im Œuvre dieser drei Dichter, geschrieben von Gs, sind auch die Initialen nicht ausgeführt). – Ursprünglich waren die Miniaturen durch heute verlorene Seiden-Vorhänge geschützt (noch bezeugt durch
Ganzseitige gerahmte Autor-Darstellungen. Die Rahmen mit geometrischen Mustern in den Farben Rot, Blau und Gold (Grundstock), mit floralen und vegetabilen Rankenmustern in breiterer Palette: Rot, verschiedene Grüntöne, Gold, Weiß, Blau, Rosa (N1), mit kleinteiligen geometrischen Mustern in Rot, Gold, Blau, Blauschwarz, Rosa-Tönen, Weiß (N2) oder mit goldenen Punkten oder Blüten auf blauem Grund (N3).
Über der Miniatur gibt ein roter Titulus Auskunft über den Stand und Namen des Dichters, und zwar durchgehend im Grundstock, bei N3 und bei Nr. 18 und 20 (von N1); bei den übrigen Miniaturen von N1 und bei N2 steht der Name vor Textbeginn, gelegentlich zusätzlich über der Miniatur.
Die Figuren und Szenen sind in kräftigen Farben auf frei gebliebenem Pergamentgrund ausgeführt. Ein Großteil der Miniaturen ist dabei unterteilt in einen quadratischen Figurenbereich (untere zwei Drittel) und einen querrechteckigen Wappenbereich, der Helm mit Helmzier und einen Wappenschild enthält (oberes Drittel); nur in 18 Fällen fehlen Helm und Wappen (Nr. 41, 71, 72, 96, 114, 116, 119, 123, 124, 127–130, 134–137, 149; bei Nr. 82 und 92 ist das Wappen vorgesehen, aber nicht ausgeführt). In 15 Fällen ist der Wappenbereich durch eine doppelte Linie vom Figurenbereich getrennt (Nr. 37, 40, 42, 43, 55–59, 61, 69, 78–80, 82); mitunter wird eine solche Trennung für die Darstellung funktionalisiert (etwa Nr. 27, wo der Kaufmann seine Waren an einer Stange aufgehängt hat, die die Wappenzone abtrennt, oder Nr. 93, wo ein über Haken geschlungener Vorhang über die Szene drapiert ist, über dem Helm und Wappen abgebildet sind). In vielen Fällen ist die Trennung zwischen den beiden Bereichen aufgeweicht, einerseits indem Helm und Wappen in den Figurenbereich hineingenommen sind, wenn sie dort eine Funktion erfüllen (etwa bei Reiterdarstellungen wie Nr. 60 oder Kampfdarstellungen wie Nr. 18 oder 25). Andererseits kann der Figurenbereich in das obere Drittel ausgeweitet sein, etwa Nr. 66 und 88, wo sich der Turm, aus dem die Dame schaut, über die ganze Höhe der Miniatur erstreckt; auch kann im oberen Drittel das Publikum eines Turnierkampfes zwischen Zinnen hervorschauen (etwa Nr. 22, 68 oder 131), ein Pfau (das Wappentier) in einem Baum sitzen (Nr. 35) oder der Dichter als Autorität über einer Gruppe von Musikern thronen (Nr. 132). In ironischer Variation des Schemas tanzt Heinrich von Sax (Nr. 24) in den oberen zwei Dritteln der Miniatur, zwischen seinem Wappen und seinem Helm, auf den Zinnen eines Gebäudes, während im unteren Drittel die Dame einen Steinbock liebkost (möglicherweise zu deuten als Stellvertreter des kletterfreudigen Sängers). Bei aller Varianz lassen alle Kompositionen die Aufteilung zwei Drittel zu einem Drittel erkennen (eine Sonderstellung nehmen einzig die in der Mitte zweigeteilten Miniaturen zu Nr. 72 und Nr. 125 ein). Dies ist einer der Hauptgründe für den oft beobachteten einheitlichen Gesamteindruck der Miniaturen.
Seit
Nicht nur in der Rahmen-Gestaltung (siehe oben Format und Anordnung), sondern auch in Figurenzeichnung und Bildaufbau unterscheiden sich Grundstock und Nachträge. Bei G tragen die Gesichter einen heiteren Ausdruck, sie sind rund mit weit auseinanderstehenden Augen, geschwungenen Brauen und schweren Wangen. Die Figuren zeichnen sich durch weiche und schwungvolle Bewegungen aus (im Vergleich zu Nr. 76.2.5. sind die Körper weniger schematisch, dynamischer und von einer schweren Körperlichkeit). Meist einfarbige (bei Stoffen: durch eine farblich abgestufte Binnenzeichnung modellierte) Farbflächen sind durch dunklere Umrisslinien umschlossen (verglichen mit Nr. 76.2.5., sind diese Linien weniger ausgeprägt und nicht schwarz, sondern farblich an ihre Umgebung angepasst). Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den Figuren, die sich in Innen- oder Außenräumen befinden, welche durch meist kleine Bodenstücke angedeutet sind. Hinzu können Bäume, Tiere (Pferde, Vögel) oder Architekturelemente (Bänke, Zinnen, Tore oder Türme) kommen. Alles ist innerhalb des Rahmens in fast geometrischer Weise so angeordnet, dass die Darstellung des Dichters, obwohl ins Zentrum gerückt, mit allem Weiteren harmonisch in Bezug gesetzt ist. Die Bildsprache ist klar, die Auswahl der Elemente sorgfältig, so dass die Bilder nicht überfüllt wirken und der helle Pergamenthintergrund stets präsent bleibt, ohne ein Eigengewicht zu bekommen (um dies zu vermeiden, füllen manchmal florale Ranken Leerräume aus, etwa auf den Miniaturen zu Nr. 44, 55, 60, 80, 90).
Bei N1 sind die Gesichter oval und wirken flächiger und starrer, die Körper sind gegenüber G schmaler und länger. Auch wenn der Schwerpunkt der Kompositionen auf den Figuren bleibt, so treten doch mehr Elemente (Figuren, Tiere, Accessoires) hinzu, was die Bilder voller wirken lässt und das Dargestellte durch geringere Größe der Elemente weiter vom Betrachter abrückt, ohne dass es dem Zeichner gelungen wäre, räumliche Tiefe zu erzeugen (etwa bei der überfüllten, aber flachen Kampfdarstellung zu Nr. 18). Etliche Miniaturen zeigen ein Bestreben, den Pergamenthintergrund so weit wie möglich auszufüllen. Die Farbflächen sind mit dunklen Umrisslinien umschlossen und, verglichen mit G, häufiger mit Binnenzeichnungen und Mustern versehen. All dies rückt die Figur des Dichters häufig aus dem Zentrum der Darstellung und hebt die Ruhe und Proportionalität auf, die kennzeichnend für G war. Diese Tendenz wird bei N2 weitergeführt, die Gesichter sind ähnlich maskenhaft und die Körper gelängt wie bei N1, die Farbflächen auch hier häufig gemustert. Insgesamt zeichnen sich die Figuren gegenüber N1 durch eine etwas größere Beweglichkeit und der Bildaufbau durch eine klarere Komposition und mehr Tiefe aus, was N2 wieder etwas an G annähert. Dennoch stehen sich N1 und N2 sehr nahe (vgl. etwa die äußerst ähnlichen Gesichter auf den Miniaturen zu Nr. 21 [Maria; N1], Nr. 62 [mittlere Zuschauerin; N1] und Nr. 132 [Maria im Wappen; N2]). N3 unterscheidet sich durch eine feinere Zeichnung, insbesondere in den weißen Gesichtern mit ihren großen Augen, auch beim Gras-Untergrund. Die Bildelemente sind wieder näher an den Betrachter herangeholt als bei N1 und N2, aber weniger stilisiert und geometrisch als bei G. Fließende Stoffe und flatternde Tücher schaffen eine Dynamik, die Kampfhandlung zu Nr. 19 ist in den Raum hinein geöffnet. Alle drei Miniaturen von N3 überschneiden den Rahmen (der Wetterhahn von Nr. 19 ragt sogar über ihn hinaus), was bei G (etwa zu Nr. 40 oder 67) und bei den anderen Nachtragsmalern (N1: zu Nr. 76) nur selten vorkommt.
Die 137 Dichterbilder des Codex Manesse sind durch das Prinzip der Variation geprägt (
Dichter allein: sitzend (Nr. 1, 10, 16, 28, 45) oder zu Pferd, meist im Reitersiegeltypus (Nr. 32, 44, 50, 53, 60, 77); stehend Nr. 90. – Dichter im Gespräch mit Dame: stehend oder sitzend (Nr. 17, 26, 30, 37, 38, 43, 55, 57, 87, 104). – Dichter mit einem Boten: der Bote kleiner, die Botschaft stets durch Brief oder Schriftband dargestellt (Nr. 14, 15, 36, 42, 51, 58, 78, 79). – Andere Gesprächssituation: z. B. Herrscher mit seinem Sohn (Nr. 3), Dominikanernovize mit seinem Abt (Nr. 33), Unterweisung (Nr. 70, 71, 96), Vortrag (Nr. 95, 117, 137), Diktat (Nr. 113, 127), Diskussion mit Gleichgestellten (Nr. 124, 126). – Turnier oder Kampf: berittener Zweikampf (z. B. Nr. 13), Fechten (z. B. Nr. 62), Buhurt (z. B. Nr. 8), Siegerehrung (z. B. Nr. 5), Schlacht (z. B. Nr. 9), Belagerung (z. B. Nr. 75); die Grenze zwischen Krieg und Turnier ist nicht immer eindeutig zu ziehen (z. B. Nr. 18). – Andere Beschäftigung, mit der oder ohne die Dame: Ein Großteil der Miniaturen zeigt den Dichter bei einer höfischen Tätigkeit, so etwa bei der Falken-, Hirsch-, Eber-, Bären-, Fuchs- oder Vogeljagd (Nr. 2, 7, 67, 74, 106 [oder Bären-Kampf?], 111, 130), bei Sport und Spiel (Nr. 6, 40, 89 [vgl. zur Darstellung von Schach und Tricktrack auch Nr. 76.1.1.], 114), bei Tanz und Musik (z. B. Nr. 46, 105, 132), bei Spaziergang, Ausritt, Bootsfahrt oder Picknick (z. B. Nr. 29, 107, 110, 129), bei der Dichterkrönung (z. B. Nr. 23) oder der Liebesbegegnung (z. B. Nr. 56, 59, 80). Daneben werden auch alltägliche oder mit anderen Lebensbereichen assoziierte Tätigkeiten dargestellt, wie etwa der Dichter beim Bad (Nr. 21), beim Essen und Trinken (z. B. Nr. 103, 118), Kranke ins Haus einlassend (Nr. 39), aber auch beim Gebet (Nr. 21).
Die Zuordnung zu den genannten Kategorien ist nicht immer eindeutig. Ausschlaggebendes Kriterium war hier die im Bild eingefangene Personenkonstellation. Daher wurde Nr. 29 (Jagd mit der Dame) als Beschäftigung mit der Dame (und nicht als andere Beschäftigung) gezählt; da es drei Damen sind, die den Badenden auf Nr. 20 umsorgen, wurde diese Miniatur hingegen nicht als Interaktion mit der Minnedame verstanden. Der Ritter auf Nr. 47, der nicht auf dem Pferd sitzt, sondern gemeinsam mit einem Knappen daneben steht, wurde nicht gemeinsam mit den Reitersiegel-Darstellungen eines einzelnen Ritters, sondern in der Kategorie andere Beschäftigung erfasst. Auch wenn bei Nr. 57 die Verwundung durch einen Minnepfeil dargestellt ist, wurde die Miniatur wegen ihres Bildformulars dennoch dem Typus Gespräch mit der Dame zugeordnet (vgl. demgegenüber Nr. 59). Diese Unschärfe, die sich aus dem Prinzip der Variation ergibt, führt dazu, dass die oben genannten Zahlen daher vor allem eine Orientierung über den Umfang der Kategorien und ihr Verhältnis zueinander geben können. (Wenig überzeugend bleiben die Versuche von
Neben diesen Fällen, in denen die Rolle der Dichter im Minnesang dargestellt wird, orientieren sich manche Bildthemen auch am Wissen um die (historische) Person des Dichters, das nicht aus den überlieferten Liedern stammte. Dies gilt etwa für den Mord an Reinmar von Brennenberg (Nr. 61).
Um das Motiv des Mordes, das hier als Bildthema gewählt worden ist, hat sich später die Bremberger-Ballade gebildet (zu den historischen und literarischen Quellen siehe
Auch die Blindheit Reinmars von Zweter (Nr. 113) und die Darstellung Ulrichs von Liechtenstein als Venus-Ritter (Nr. 77) gehen auf andere Quellen als die vorliegende Handschrift zurück (in Ulrichs Fall: seinen ›Frauendienst‹). Mitunter hat auch die im Bildtitulus ausgedrückte Funktion den Bildtypus bestimmt: Der Burggraf von Regensburg (Nr. 109) ist als Richter, der Schulmeister von Esslingen (Nr. 96) als Lehrer und Rudolf der Schreiber (Nr. 123) in einer Schreibstube dargestellt. Auch können der Bildtypus oder einzelne Elemente aus dem Namen des Dichters abgeleitet sein: Otto von Botenlauben (Nr. 14) übergibt einem Boten ein Schriftband; Spervogel (Nr. 137) hält einen Speer, an dem sich Vögel festkrallen. Viele der in der Literatur zusammengetragenen Vorschläge sind freilich eher ein Ausdruck für die Phantasie der Forscher: Ob die Umarmung auf der Miniatur Albrechts von Johansdorf (Nr. 56) auf die Umarmung der Jesus-Johannes-Ikonografie zurückgeht (
Ein Schwerpunkt der Forschung lag stets auf dem Aufspüren und Analysieren von Text-Bild-Beziehungen (
Im Folgenden sind jene Bezüge zwischen Bild und Text zusammengestellt, die als sicher oder sehr wahrscheinlich gelten können. Sie sind dann wahrscheinlicher, wenn der entsprechende Text am Anfang des überlieferten Corpus steht, so dass die Maler ihn leicht rezipiert haben können: So haben die ersten Verse von Nr. 16 vermutlich die Vögel- und Blumenvielfalt auf der Miniatur bedingt (Es sint guetiu niuwe mere daz die vogel offenbere singent da man die bluomen siet [30v]). Bei Wachsmut von Mühlhausen (Nr. 59) ist die Dame dargestellt, wie sie mit einem Pfeil auf ihn zielt. Hier mag der Anlass eine nur eine Seite weiter als die Miniatur überlieferte Stelle sein: dú liehten ovgen din eine strale hant geschossen in das herze min (184r). Daneben ist auch nicht auszuschließen, dass die Maler manche der Lieder kannten, doch nachweisen lässt sich das im Einzelnen nur bei außergewöhnlichen Bildmotiven: Der von Sachsendorf (Nr. 49) klagt, dass er sich den Fuß gebrochen habe: in der dienst mir ab brah min bein vnd min vuos (159r); es ist sicher kein Zufall, dass er mit gebrochenem und geschientem Bein ins Bild gesetzt ist. Ob der liegende Heinrich von Morungen (Nr. 34) hingegen als minnekrank dargestellt ist, nur weil in der 63. Strophe (!) seines Œuvres der Vers ich bin siech min herze ist wunt (79v) überliefert ist (
Die hier aufgeführten Beispiele sind die Ausnahme: Nur in knapp zehn Fällen kann ein Bild-Text-Bezug sicher angenommen werden. Nicht Dichterpersönlichkeiten, sondern Dichtertypen sollten eingefangen werden. Dafür spricht nicht zuletzt die Wiederholung von Bildtypen sowie die variable Zuordnung von Bildformeln (die gleiche Bildformel, die hier für den von Gliers verwendet wird, stellt in Nr. 76.2.5. Heinrich von Morungen dar), die offensichtlich nicht aus dem Werk abgeleitet sind. Exemplarisch lässt sich das am Botenlied zeigen: Von den 14 Dichtern, von denen hier ein Botenlied oder die Erwähnung eines Boten überliefert ist, hat nur einer eine Botendarstellung bekommen (Nr. 79). Allerdings geht es an der entsprechenden Textstelle um die Hoffnung, der Bote möge eine gute Nachricht bringen (249r), wohingegen das Bildthema die Züchtigung eines Boten ist. Es bleibt daher der Befund, dass keine Boten-Textstelle ein Boten-Bild angeregt hat. Die Boten-Miniaturen sollen vielmehr einen Typus Minnelied oder eine Sprechsituation des Minnesangs veranschaulichen. Hier schließen sich die Erkenntnisse von
Etliche der Bilder arbeiten mit Stellvertretern oder Allegorien. Der Abschied zwischen Ritter und Dame bei Nr. 35 wird von zwei Vögeln vorweggenommen, Pferde liebkosen sich, wo es die Liebenden (noch) nicht tun (Nr. 29, 107), Hunde im Arm der Dame (Nr. 27, 34, 37, 55, 110, 116, 125) können auf ihr Verhältnis zum Dichter verweisen. Der kröpfende Falke auf Nr. 80 lässt das Thema Dressur anklingen, auch in Liebesdingen (
Auffällig ist die Bedeutung, die Schrift(trägern) in den Bildern zukommt (hierzu grundlegend
Ähnlich wichtig für die mediale Verortung des Codex ist die Darstellung von Musik (
Hoch ist die Bedeutung der Wappen, die auf 116 der Bilder vorkommen (grundlegend
Auf die unkoloriert gebliebene Federzeichnung (196r) folgt kein Text, und sie ist mit keinem Dichternamen versehen. Sie stellt den Lanzenkampf zweier Ritter dar, die jeweils von einem Musiker flankiert werden.
Zu den Drolerien mit Bezug zum Text oder Dichter: 44r: Helmzier mit zwei Schwänen (entspricht der Helmzier des Ritters auf 43v); 191r: Figur (der Dichter? darauf könnte die Kopfbedeckung deuten, die derjenigen auf der Miniatur 190v ähnlich ist) weist auf den über dem Text stehenden Dichternamen; 285v: stehende Frau, kniender Mann (Spiegelung der Miniatur auf 285r?); 355v: Phantasiewesen mit Judenhut (Anspielung auf die Darstellung des Süßkind von Trimberg auf der Miniatur 355r); 399v: der Dichter Frauenlob als Schauender und die Gottesmutter, die ihr Kind auf dem Arm hält, im Bildtyp der apokalyptischen Madonna; dies als Illustration des hier beginnenden Marienleichs: Ey ich sach in dem trone eine vrowen div was swanger div truog ein wunder krone […] zwelf stein ich an den stunden kos inder krone veste.
Grundstock: Blau, Rot, Grün, Gold, Ocker, Hellrosa (Inkarnat), (oxidiertes) Silber, Grau, Schwarz, Rotbraun, Karmin. N1: Ocker, Gelb, Rot, Karmin, Braungrün, Braun, Gold, Weiß (auch für Inkarnat), Silber, Grau, Schwarz, selten Blau. N2: Grün, Grau, Rosa, Rot, helles Ocker, Blau, Gelb, Hellrosa/Weiß (Inkarnat), Orange, Rosa, Karmin, Gold, Silber, selten Blau. N3: Rot, Rosa, Grün, Silber, Gold, Grau, Blau, Gelb, Weiß (auch für Inkarnat).
Manessische Lieder-Handschrift – Faksimile (1925–1927.1929); Codex Manesse – Faksimile (1975–1981).
Abb. 114: 115r. Burggraf von Lienz (Nr. 40; G).
Abb. 115: 229v. Der Düring (Nr. 75; N1).
Abb. 116: 194r. Otto zum Turm (Nr. 64; N3).
Abb. 117: 399v. Initiale zu Beginn des Frauenlob-Corpus (Marienleich): Der Dichter schaut Maria.