KdiH

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37.1.22. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 69.12 Aug. 2º

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

Vor 1492 (1r–95v) / 1492 (96r–v).

Lokalisierung:

Bayern?

Besitzgeschichte:

Herkunft unbekannt. Um 1658 von Herzog August dem Jüngeren erworben. Eine Abschrift der Handschrift durch Johann Christoph Gottsched befindet sich in Dresden (Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Mscr. Dresd. M. 45).

Inhalt:
1r–96v Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹

Hs. W3 [pfeiffer: Wb] (Bestandsklasse II), unvollständig

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, noch 96 Blätter (zahlreiche Verluste vor den Blättern 11, 14, 16, 33, 40, 42, 43, 46, 49, 58, 59, 62, 82, 83, 86, die Blätter 40 und 41 gegeneinander vertauscht), einspaltig, drei Schreiber, I: 1r–57v, 24–26 Zeilen, II: 58r–95v, 25–29 Zeilen, Eingangslombarden über vier Zeilen vorgesehen, III (Nachtragsschreiber): 96r (datiert anno etc lxxxxij), 30 Zeilen; nicht rubriziert. Im vorderen Deckel ein Blatt mit von mehreren Schreibern eingetragenen moralischen Sprüchen; im rückwärtigen Deckel als Makulatur ein Blatt aus einem ›Catholicon‹-Druck.

Schreibsprache:

(nord-)bairisch.

II. Bildausstattung:

Ehemals vollständig illustriert, viele Blätter mit Illustrationen fehlen jedoch (siehe oben Blattverluste), dazu sind mehrfach Illustrationen zerstört worden, indem einzelne Figuren durch kräftiges Nachzeichnen der Konturlinien herausgelöst wurden (6r, 13v, 23v, 27v). Ganz oder teilweise erhalten sind 77 kolorierte Federzeichnungen (Blattangaben siehe S. 200–205). Drei Zeichner (entsprechend der Schreiberanteile), A: 1r–57v, B: 58r–95v, C: 96v.

Format und Anordnung:

ungerahmte Streifenbilder, tendenziell der Breite des Schriftspiegels (ca. 125 mm) angepaßt (Bodenstück), jedoch meist nicht auf diese Abmessungen beschränkt. Zwischen Überschrift und Fabeltext.

Bildaufbau und -ausführung:

klare Konturzeichnung in geschlossener Linienführung, die Handlung spielt auf einer flächig lavierten Bodenscholle, meist mit breiter Bruchkante, Bodenfläche und Häuser sind oft von einer gedachten Rahmung abgeschnitten; kein Hintergrund. Zeichner A weist dem Betrachter eine Position der Nahsicht, oft mit leichter Draufsicht zu. Kulissen bestehen bei ihm aus hohen, vielfach zur Seite geneigten Bäumen mit kleiner Krone aus großen Blättern, Architekturen (einzelne Häuser oder unperspektivisch verschachtelte Komplexe wie 42r oder 49v) nur dort, wo sie zur Ortsbestimmung notwendig sind, keine Innenraumansichten (auch das Bett 54v steht auf einer schlichten Bodenscholle). Protagonisten sind meist ohne Bodenhaftung ins Bild plaziert (Schritte gehen ins Leere), Tiere mit nur geringer Tendenz zur Vermenschlichung. Farbgestaltung der Figuren ist zurückhaltend, viel freistehender Papiergrund, Pinselstriche in transparenten Farben dienen vor allem der Modellierung von Falten- und Schattenpartien.

Zeichner B orientiert sich sehr eng an A, könnte sogar (ggf. mit zeitlicher Verschiebung) mit A identisch sein, arbeitet jedoch kleinfiguriger, kann deshalb die Bildfläche meist ohne Beschnitt ausnutzen (außer 77r, 87v); Bodenflächen gestaltet er gelegentlich mit Kräuterbewuchs (71r, 85r), Tiere sehr ähnlich, menschliches Personal schlanker und unbeholfener charakterisiert als bei A.

Einige Bilder könnten die Kenntnis des Bamberger Drucks oder eher einer gemeinsamen Vorlage voraussetzen, die von der Handschrift als seitengleiche, vom Druck als seitenverkehrte Variante übernommen worden sein könnte (z. B. 12r entspricht dem Druck [Nr. 37.1.a.] 12v). An Holzschnittechniken erinnern auch die kantigen Felsformationen (z. B. 5r, 12r), die kräftige Zeichnung der Gesichtszüge, die schematische Gestaltung von Falten (Engel 5r; Magd 44r) oder Locken (Löwe 14v, 46r).

Bildthemen:

Warum zur ersten Fabel (Nr. 2 Affe und Nuß) keine Illustration geplant ist, bleibt unklar. Der zusätzliche vierte (nicht genutzte) Bildraum 57r zur Fabel Nr. 58 (Drei Römische Witwen) dürfte auf einem Irrtum beruhen.

Punktuelle Nähe zu den Holzschnitten des Erstdrucks in gemeinsamen Themenvarianten, z. B. im Bild zu Nr. 24 (Königswahl der Athener): Handschrift (24v) wie Druck (Nr. 37.1.a., 19r) zeigen einen Jüngling, der sich mit einem Pokal in Händen dem thronenden König nähert. Andere Bildfindungen sind jedoch ganz individuell: 72r (zu Nr. 79 [Prahlender Affe]) hält der Affe einen Spiegel (Symbol der Eitelkeit) in der Hand (im Holzschnitt des Drucks fehlt der Affe völlig!), 83v (zu Nr. 92 [Gefangene Nachtigall]) sitzt der Vogler in seinem als Laubhaufen getarnten Versteck, 93v (zu Nr. 100 [König und Scherer]) übergibt der Pfaffe/Kaufmann dem Boten des Königs keinen geschlossenen Brief, sondern ein Schriftband, das als Aufschrift das Thema der Fabel trägt: Respice finem (der Holzschnitt des Drucks [Nr. 37.1.a., 86v] zeigt hier ein Gestell, in dem Papierbogen und -bahnen liegen, über dieses beugt sich ein Jüngling, mit unbeschriebenem Schriftband in der Hand). Ganz eigentümlich ist die Zeichnung eines Gerippes mit Sense als Illustration des Epilogs (95v), doch auch sie schließt, wie die drei weiteren erhaltenen Epilogillustrationen (Wolfenbüttel, 2.4 Aug. 2o, 47va; Wolfenbüttel, 69.12 Aug. 2o, 95v, Pfisterdruck 88r), die eine Brief- oder Schriftübergabe zeigen, an die Thematik der Schlußfabel Nr. 100 an (Respice finem als Vergänglichkeitsmahnung).

Die nachgetragene Zeichnung eines bäuerlich gekleideten, bärtigen Mannes mit Gehstock und weisend vorgestreckter Hand könnte sich auf den Fabeldichter Aesop beziehen und eher vom Titelblatt des ›Esopus‹-Drucks Heinrich Steinhöwels (Ulm: Johann Zainer, um 1476, GW 351) als vom Versatzholzschnitt des ›Edelstein‹-Drucks (siehe Nr. 37.1.a.) angeregt sein.

Farben:

Vor allem Braun-, Oliv-, Ocker- und Grüntöne, Violettrosa, kaum Rot.

Literatur:

Heinemann 3 (1898/1966) S. 348. – Fabula docet (1983) Kat. Nr. 25, S. 106 f., Abb. S. 22 (96v). 107 (26r); Bodemann/Dicke (1988) S. 434 u. ö.; Peil (1985) S. 151, Abb. 7 (57v); Peil (1990) pass., Abb. 61 (66v); Wagner (2003) S. 392 u. ö., Abb. 40 (96v); Häussermann (2008) S. 32–35.59 f., Abb. 10 (4v). 15 (70r). 56 (47v). 57 (48v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXIIIb: 95v. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: Sensenmann (Epilogillustration).

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Taf. XXIIIb.