KdiH

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37.1.16. München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4409

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

12. bis 15. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Schwäbischer Raum?

Besitzgeschichte:

Aus der Bibliothek des Benediktinerklosters St. Ulrich und Afra in Augsburg. Vgl. MBK 1 (1918) S. 389. Blatt Iv: Morales autores Vol. VI.

Inhalt: Darin:
87r–132r Anonymus Neveleti, ›Esopus‹ (bis 122v) / Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹

jede lateinische Fabel mit lateinischem Kommentar und deutscher Reimpaarübersetzung aus dem ›Edelstein‹

Boner: Hs. M1 (Bestandsklasse III)

I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament und Papier, V + 243 Blätter (neue Zählung, die die alte von Halm und Schmeller benutzte Zählung korrigiert, indem sie die unbeschriebenen Blätter nach Blatt 82, 132, 148, 224 und 242 mitzählt: 83r–86v, 132v–136v, 149r–152v, 224v–226r, 243r–v; nach 11 ursprünglich leeres Blatt, in moderner Zählung 11b, von Benutzern mit Federproben und Kritzeleien gefüllt; ebenso 46v, 226v); zahlreiche Schreiber, I (zweite Hälfte 15. Jahrhundert): 1r–82v, einspaltig, Haupttext 8–12 Zeilen, 40v unten Schriftband mit Kolophon (per me … scribo; Rest durch Beschnitt entfallen, 46v lateinische Notizen, u. a. Beginn des Donat: Partes orationis sunt); II: 86r–132r, Anfang 15. Jahrhundert, einspaltig, lateinische Verse abgesetzt, ca. 22 Zeilen, für Glossierung vorgesehene Zeilenzwischenräume bleiben ungenutzt; Kommentar sehr engzeilig, oft die Verse umgreifend; der lateinische Grundtext gelegentlich mit blaßrötlichen Lombarden über zwei Zeilen, sonst nicht rubriziert; III: 137r–148v, Anfang 15. Jahrhundert, einspaltig, Haupttext 12 Zeilen, IV: 153r–156v, 12. Jahrhundert, einspaltig, 33 Zeilen; V: 157r–166r, 13. Jahrhundert, zweispaltig, 46 Zeilen; V (Johannes): 167r–225r, zweite Hälfte 14. Jahrhundert (174v und 212r que me scribebat Johanes nomen habebat; 199v Haincz schmid sol vilj lib[…] vmb […]; 226v u. a. haincz schmid sol mir geben x ß); gotische Buchschrift, einspaltig, 22–28 Zeilen, meist flüchtig vorgezeichneter Schriftspiegel mit separater Spalte für Verseingangsbuchstaben, Lombarden über zwei Zeilen nicht immer ausgeführt, texteinleitend gelegentlich Initialen mit Gesichtern im Binnenraum (192r, 195r, 196r; 168r an der Schriftspiegeleinfassung Gesicht im Halbprofil); VI: 227r–242v, um 1400, einspaltig, Haupttext 17–20 Zeilen.

Schreibsprache:

Text 8: schwäbisch.

II. Bildausstattung:

Zum ›Edelstein‹ 35 Illustrationen vorgesehen, nur z. T. ausgeführt (Blattangaben siehe S. 200–205); 212r im Anschluß an den Schreiberkolophon ein weiteres Bild, unter Umständen vom Illustrator der Fabeln nachgetragen: Ritter überreicht Dame im Kniefall einen Blumenkranz.

Format und Anordnung:

Text und Bild haben folgende Abfolge:

Bild – lateinischer Fabeltext – Kommentar – deutscher Fabeltext, d. h. das Bild ist stets eindeutig dem lateinischen Text zugeordnet.

Ab 116v fehlt der Kommentar, es steht damit deutlich mehr Raum für die Bilder zur Verfügung, der aber nur manchmal genutzt wird. Ab 123r fehlt auch der lateinische Fabeltext; obwohl nun nur noch der deutsche Text notiert ist, sind die Illustrationen dennoch nach wie vor nicht unmittelbar den deutschen Fabeln zugeordnet, sondern zwischen Bild und Fabel des ›Edelstein‹ bleibt stets der Raum für den lateinischen Text ausgespart.

Streifenbilder von bis zu halbseitigem Format, die Breite des Schriftspiegels überschreitend, ähnlich wie der lateinische Kommentar den Text durch Inanspruchnahme der Randstege auch umgreifend (100v/101r und 97v/98r über zwei Seiten der aufgeschlagenen Handschrift). Ausnahmsweise (108v) nicht vor den Text, sondern neben diesen plaziert. Die einzige ganzseitige Zeichnung 113v (zweites Bild zu Nr. 21 [Löwe und Maus]) dürfte eine Notlösung gewesen sein: Da der Kommentar kürzer als vom Schreiber erwartet ausfiel, wurde vor den deutschen Text ein zusätzliches ganzseitiges Bild eingefügt.

Bildaufbau und -ausführung:

dilettantische Kompositionen, die Figuren werden in dialogischem Gegenüber, ansonsten ohne Rücksicht auf Einbindung in eine Gesamtkomposition oder gar auf Perspektive in die Fläche gesetzt (besonders drastisch 109v, wo die Tiere beziehungslos im Bildraum verteilt sind), die Bodenfläche ist als Hintergrund oft bis zum oberen Bildrand hochgezogen, darüber hinaus ragen Einzelbäume mit kräftigem Stamm und kleiner Laubkrone. Flotte, aber schlichte Umrißzeichnung, die gänzlich unbeholfen die menschlichen Protagonisten gestaltet (94r, 100v, 111r, 117v, 123v, 125v): unproportionierte Körper mit viel zu kurzen Beinen, verzerrte Physiognomien. Beim Tierpersonal dagegen sticht das Bemühen um mimische und gestische Lebendigkeit hervor: stets geöffnete Mäuler, mehrfach erhebt ein tierischer Protagonist ein Vorderbein gegen sein Gegenüber; 132r trägt der aufrecht sitzende Wolf als Richter einen bowlerartigen Hut und hat einen Stab geschultert. 115r wird der kranke Weih im Bett, unter einer Decke liegend, dargestellt.

Ab 127v sind die Zeichnungen kaum noch koloriert (nur anfangs noch mit Orangerot); ab 129r nur noch Vorzeichnungen.

Bildthemen:

Das Bildprogramm ist zwar im Layout auf den lateinischen ›Esopus‹ bezogen, bezieht seine Motive aber aus dem deutschen ›Edelstein‹. Für die erste Fabel des Anonymus Neveleti ut iuvet es prosit gibt es im ›Edelstein‹ kein Pendant. Die Bildfolge beginnt somit erst mit Fabel 2 des Anonymus Neveleti (Fabel Nr. 5 des Edelstein). Unklar bleibt dabei allerdings, warum die Fabel Nr. 8 (Löwenanteil) umgestellt wurde (nach Nr. 11); möglicherweise hat die leichte Verwirrung bei der Bildausführung zu Nr. 11 (Wolf und Kranich) hiermit zu tun: 95v ist als Eingangsbild zur lateinischen Fabel fälschlich ein Wolf vor abgeschnittenem Kopf eines Widders oder Geißbocks dargestellt. Das »richtige« Bild ist erst 96r zwischen Kommentar und deutschen Text eingeschoben worden. 132r endet das Programm mit Bild ohne nachfolgenden Text, 132v–136v bleiben leer!

Literatur:

Halm (1894) S. 190 f. – Grubmüller (1975) S. 153; Nikolaus Henkel: Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte. Ihre Verbreitung und Funktion im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Mit einem Verzeichnis der Texte. München 1988 (MTU 90), S. 157–161; Bodemann/Dicke (1988) S. 432 u. ö.; Peil (1990) pass., Abb. 56 (115r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 98: 109v. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: Esel, Ochse und Schwein um einen am Boden liegenden Löwen (Fabel 19. Alt gewordener Löwe).

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Abb. 98.