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85.2. Priester Wernher, ›Driu liet von der maget‹

Bearbeitet von Wolfgang Augustyn

KdiH-Band 9

Der Text Priester Wernhers wurde in der ältesten bekannten Handschrift (Nr. 85.2.1.) durchgängig bebildert, spätere Zeugen der Überlieferung bieten nur den Text (allenfalls vereinzelte Federzeichnungen, die sich nicht auf den Text beziehen, so Wien, Cod. 2742*, 8r). Die Illustration der Handschrift in Krakau (Nr. 85.2.1.) setzt zwar die Konventionen der bei lateinischen Texten üblichen Bebilderung und damit das Vorbild lateinischer Buch- und Schriftkultur voraus, belegt aber dennoch »einen neuen, emanzipierten Umgang der höfischen Laienkultur mit dem Spannungsverhältnis von Volkssprache und Latein« (Ott [2006] S. 206) sowie gleichzeitig die gesteigerte Marienverehrung um 1200, der gemäß auch nahelag, apokryphe Quellen wie das Ps.-Matthäus-Evangelium aus dem 5. Jahrhundert wegen der Fülle darin enthaltener erzählerischer Details heranzuziehen. Dieser der Andacht und Erbauung dienende illustrierte Text, den sein Verfasser ausdrücklich Leserinnen empfahl, steht lateinischen Codices mit deutsch textierten Bildfolgen nahe (vgl. New York, The Morgan Library & Museum, MS M.739: Stolz [2004]), nutzt aber nicht mehr volkssprachliche Elemente als Ergänzung, sondern schafft mit ihrer Hilfe einen neuen Buchtypus, ein »adeliger Literaturpflege zuzuordnendes« Andachtsbuch (Henkel [1996] S. 8; zum Verfahren auch Curschmann [1999] S. 397). In der kunsthistorischen Forschung verglich man die Federzeichnungen, vor allem seit Degering (1925a) diese in einem grafisch vereinfachenden Nachdruck zusammen mit einer metrischen neuhochdeutschen Übersetzung veröffentlicht hatte (dazu Radaj [2001] S. 15f.), oft mit der Ausstattung der ungefähr gleichzeitig entstandenen Handschrift von Heinrichs von Veldeke ›Eneît‹ (Berlin, Ms. germ. fol. 282; Nr. 31.0.1.). Beide Handschriften sind wichtige Zeugnisse hochmittelalterlicher profaner Buchmalerei aus dem deutschsprachigen Raum. In der germanistischen Forschung wurde vor allem die beiden Codices gemeinsame Verwendung von volkssprachlich beschriebenen Spruchbändern der Akteure hervorgehoben: u. a. Henkel (1989); Clausberg (1991); Henkel (1996); Curschmann (1999); Ott (2006); Curschmann (2008). Da man annahm, diese Handschrift könnte in Regensburg oder in dessen Umkreis entstanden sein (Klemm [1987] S. 57f.; Diemer/Diemer [1992a] S. 32–35), wurde dies auch für die in Krakau verwahrte Handschrift nicht ausgeschlossen (vgl. Messerer [1979] S. 466; Curschmann [1999] S. 396). Ob das zur Geburt Christi eingetragene ›Gloria in excelsis‹ und die Neumen mit einer in der Liturgie gebräuchlichen Melodie auf eine Verwendung hindeuten, die über den privaten Gebrauch hinausging, ist nicht bekannt.

Literatur zu den Illustrationen:

Siehe Literatur zu Nr. 85.2.1.