10. Artes liberales
Bearbeitet von Gisela Fischer-Heetfeld
KdiH-Band 1
Die Beschränkung auf ausschließlich deutschsprachige Handschriften, die durch die Auswahl- und Gliederungsprinzipien des Katalogs vorgegeben ist, führt bei der Gruppe 10. Artes liberales – mehr als bei anderen Stoffgruppen – zu einem sehr einseitigen Bild der ikonographischen Zeugnisse. Im gelehrt-lateinischen Umkreis ein bedeutender Bereich der Handschriftenillustration, sind Artesliberales-Darstellungen in deutschen Manuskripten nur selten anzutreffen: die vier hier versammelten Textzeugen – drei Handschriften und ein Einblattdruck – geben daher nur einen zufälligen und unrepräsentativen Ausschnitt aus der Artes-Ikonographie.
Zwei Typen lassen sich dabei unterscheiden: zum einen die Artes mit ihren Repräsentanten, wie in Karlsruhe und Salzburg, zum andern die Personifikationen der Artes ohne die Magistri, wie im Wiener Codex. Die Karlsruher, im dritten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts am Oberrhein entstandene Sammelhandschrift vorwiegend astronomischen Inhalts (Nr. 10.0.1.), deren qualitativ zwar bescheidene, aber sehr lebendige Zeichnungen die in der Freiburger Rüdiger-Schopf-Werkstatt entwickelte Formensprache weiterführen, zeigt in sieben »szenisch« organisierten, halbseitigen Darstellungen den auf einem Kastenthron sitzenden Meister im Lehrgespräch mit dem Schüler, der (bis auf zwei Zeichnungen) von der Personifikation der Ars begleitet wird. Einem traditionelleren Muster folgt die sicher und flüssig gezeichnete Bilderfolge in der vielleicht aus Basel stammenden Handschrift der Salzburger Universitätsbibliothek (Nr. 10.0.2.) aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts: In übereinander angeordneten Rundbildern sind oben – in der allegorischen Sphäre – die Personifikationen, darunter – in der irdischen – die Repräsentanten der Artes vorgestellt; zwei ganzseitige Illustrationen – die Himmelsreise der Theologie und Albertus Magnus, auf ein Schemabild des Makrokosmos verweisend – beschließen den Zyklus. Die österreichische, nach der Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene Handschrift in Wien (Nr. 10.0.3.), künstlerisch eher unbeholfen, wenn auch ikonographisch eindrucksvoll, verzichtet auf die Darstellung der Repräsentanten: Die Artes mit ihren Attributen sind im Gespräch mit Schülern als partes der Philosophie in eine Bilderfolge der vier Fakultäten integriert. Sowohl Einzelbilder der Personifikationen allein als auch solche der Artes mit den Meistern fügte in drei Bildstreifen der nur noch aus ausgeschnittenen Teilen rekonstruierbare Nürnberger Einblattdruck vom Ende des 15. Jahrhunderts (Nr. 10.0.a.) zusammen. Erhalten ist auch der vierte Streifen mit dem Wagen der Theologie; ein fünfter ist verloren.
Ob die Artes-Darstellungen in der lateinisch-deutschen enzyklopädischen Handschrift in Washington, D. C., The Library of Congress, Rosenwald Collection, Ms. 4, 6r (Nr. 49a.2.1.) – sieben Einzelbilder der Artes umgeben die Philosophie, darunter in der untersten Bildzeile dreimal je zwei disputierende Philosophen – für einen deutschsprachigen Kontext bestimmt waren, läßt sich nicht entscheiden. Die Beischriften in den Bildern sind zwar lateinisch, die leeren Spruchbänder jedoch hätten lateinische wie deutsche Texte aufnehmen können. Auf den ähnlich organisierten Blättern 6v und 8r dieses Codex, deren Minnesklaven-Zeichnungen einen Ps.-Frauenlob-Spruch (Heinrichs von Meissen des Frauenlobes Leiche, Sprüche, Streitgedichte und Lieder. Erläutert u. hrsg. von