10.0.3. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2975
Bearbeitet von Gisela Fischer-Heetfeld
KdiH-Band 1
15. Jahrhundert (1465. 1477).
Österreich.
1r–3r |
Die sieben freien Künste, die vier Fakultäten und der Baum der Wissenschaft, lateinische und deutsche Verse
weiterhin: ›Reformation Kaiser Siegmunds‹ (14r–83r), Jacobus de Cessolis, ›Schachzabelbuch‹, deutsche Prosabearbeitung (87r–121r), ›Apokalypse‹ (123r–149r), Mönch von Salzburg, 18 geistliche Lieder (149r–160v), Prozeßbüchlein (161r–173r). |
Papier, I + I* + 173 + I Blätter (Zählung des 18. Jahrhunderts), 210 × 144 mm, Bastarda, drei Hände (I: 1r–3r, II: 13r, 14r–83r [Martinus Erlinger von attunsheim,83r], III: 87r–121r, 123r–173r), einspaltig, unterschiedliche Zeilenzahl, rote Initialen, einige rote Überschriften, Strichelung.
bairisch-österreichisch.
Zwölf kolorierte Federzeichnungen (1r [3], 1v [2], 2r [3], 2v [3], 3r), ein Zeichner.
Ungerahmt, eine Viertelseite (Zeichnung 1, 2, 7, 8, 10, 11) oder im Querformat eine halbe Seite (Zeichnung 3, 4, 5, 6, 9) einnehmend, 3r ganzseitig, der zugehörige Text jeweils in Spruchbändern und Spruchbandstreifen beigefügt (abgedruckt
Dargestellt sind die vier Fakultäten und – als partesder Philosophie eingeschoben – die sieben freien Künste. 1r Oben die Theologie, veranschaulicht durch ein Bild der Dreifaltigkeit (Variante des Gnadenstuhls), rechts von ihr (und programmatisch ihr zugewandt) die Personifikation der Philosophie. Es folgen die Darstellungen der artes liberales:1r Unten Gramaticamit Rute und Löffel, vor ihr vier Schüler und ein fünfter, der von dem inventorgezüchtigt wird; 1v oben die mit Hundekopf dargestellte Logik im Gestus des Disputierens, ihr gegenüber ein Geistlicher, ein Schüler der Dialektik und am rechten Bildrand ein gekrönter Esel, auf den Hinterbeinen aufgerichtet; 1v unten die personifizierte Rhetorik, in der Linken – zugleich im Gestus des Sprechens und Lehrens – eine Blume als bildliche Darstellung der flores rhetorici haltend; drei ihrer Schüler sind mit der Abfassung von Briefen befaßt; 2r oben Musica mit dem Kopf eines Hahns, in jeder Hand einen Hammer, mit der Rechten eine von drei Glocken anschlagend, rechts – vor Orgel und Laute – ein Organist mit Gehilfen, der den Blasebalg bedient; 2r unten zwei artes: Arismetrica mit Rechensteinen und Geometria mit Zirkel und Winkelmaß; 2v oben die Astronomie, geflügelt und mit Kreuzdiadem dargestellt, mit der Linken auf die sieben Planeten über dem Wolkenband weisend, in der Rechten eine Sphaera; 2v unten schließen Jurista mit Spruchband und Physica mit Apothekergefäß als Repräsentanten ihrer Fakultäten die Bildfolge ab; 3r ganzseitig der Baum der Wissenschaft, dessen Wurzeln bitter und Früchte süß sind: Ein barfüßiger Schüler ist im Begriff, ihn zu erklettern, einem zweiten ist es schon gelungen, ein dritter naht sich mit einem Buch, außen zwei mit langen Spruchbändern (der rechte abgewandt).
Unbeholfene, aber doch eindrucksvolle Darstellung: unsicher in der Perspektive (Rechentisch, Sitze), im Verhältnis zu große Köpfe auf kurzen, gedrungenen Körpern, häufige Verzeichnungen (Attribute der Grammatica, Gefäß der Physica), Philosophie und Rhetorik in modischer Kleidung (Zaddelmantel). Reiner Umrißstil, geringe Modellierung der roten Gewänder durch dunklere Pinselstriche, Angabe des Inkarnats durch feine rote Striche. Szenen ohne Hintergrundsangabe auf durch flüchtige Pinselstriche angedeuteten Bodenstreifen gesetzt.
Wohl Kopie einer Vorlage aus den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts (
Die vier Fakultäten, die sieben freien Künste, der Baum der Wissenschaft.
Rot, Grün, Hellocker.
Abb. 171: 1r. Oben die Fakultät der Theologie, veranschaulicht durch die Trinität, daneben die Personifikation der Philosophie; unten die Grammatik mit Rute und Löffel, vor ihr vier Schüler und ein fünfter, der vom inventor gezüchtigt wird.