KdiH

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59.2.6. Solothurn, Zentralbibliothek, Cod. S II 43

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1458–1461 (Wasserzeichendatierung Schönherr und Saurma-Jeltsch; Schönherr vermutet eine deutlich spätere Herstellung als der Terminus post quem des Papieralters angibt).

Lokalisierung:

Hagenau: Werkstatt Diebold Laubers.

Besitzgeschichte:

Seit Ende 15./Anfang 16. Jahrhundert im Besitz der Familie von Staal: 1r Besitzeintrag Hans Jacobs von Staal, Sohn des Solothurner Stadtschreibers Hans (Johann) von Staal, den Saurma-Jeltsch für den Erstbesitzer hält (Schönherrs Vermutung, ausgehend vom Benutzereintrag Die ruote von Jesse / stöt im múnster von vnser frowen das Motiv auf den Rayser-Altar des Ulmer Münsters zu beziehen, würde hingegen für einen Besitzer aus Ulm sprechen). 1r und 314r Wappen Hans Jacobs von Staal (314r mit Beischrift 1519); 2r Signatur der von Staalschen Bibliothek des 18. Jahrhunderts.

Inhalt: Historienbibel Ib
1r Nachtrag: Wappentafel der Familie von Staal
2ra–308ra Alte Ee
2ra–14vb Register
15ra–17ra Prolog
17ra–18vb Zweiter Prolog und Engellehre
18vb–308ra Prosakompilation aus Historienbibel Ia und IIa

bis Kap. Wie Josias fúr das volck got opferte von hoffart
darin: 220vb–231ra ›Hoheslied in Minneliedern‹ Mich kuste ir mineklicher kuß …

308va–412rb Neue Ee
308va–313vb Register (einschließlich ›Antichrist‹ und ›Jüngstes Gericht‹)
314r Nachtrag: Wappentafel der Familie von Staal
314v Bild
315ra–409va Prosaauflösung des ›Marienlebens‹ von Bruder Philipp
409va–411rb ›Antichrist‹ Daniel wissaget vnd sprichet der ende crist kumet von tribu …
411va–412rb ›Jüngstes Gericht‹ Daniel wissaget von dem Júngsten tage …
412va–450rb Marquard von Lindau, ›Auszug der Kinder Israel‹, deutsch
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 450 Blätter, jeweils zwei Einzelblätter auf einen Falz geklebt, so dass daraus ein Bogen entsteht, die ehemalige Foliofaltung ist noch sichtbar, 382 × 262–269 mm, zweispaltig, 30–34 Zeilen, eine Hand (identisch mit Hamburg [Nr.59.2.2.] und Wolfenbüttel [Nr. 59.2.8.], nach Rapp [2004] auch mit Colmar 304 [Nr. 59.2.1.], wofür jedoch wenig spricht), selten Cadellen in der ersten Zeile, rote Überschriften, Kapitellombarden über vier Zeilen, Strichel, Unterstreichungen, Caput-Zeichen in den Registern.

Schreibsprache:

elsässisch.

II. Bildausstattung:

70 kolorierte Federzeichnungen, 49 zur Alten Ee, 21 zur Neuen Ee, Maler B. Zwei Initialen: 15r R, 315r M; Initialwerkstatt. – 1r, 314r Wappentafel der Familie von Staal, von anderer Hand. – Zu 337v (Geburt Christi) und 339v (Verkündigung an die Hirten) lateinische Beischriften von Benutzerhand, zu 314v (Stammbaum): die ruote von Jesse / stöt im múnster von vnser frowen.

Format und Anordnung:

Meist halbseitig oder größer, ungerahmt, mit Überschrift, die auch als Bildbeischrift fungiert, dem Text eines Kapitels vorangestellt, manchmal auch im fortlaufenden Text. Stets über die Breite des Schriftspiegels hinausragend. Die Initialen in übergroßem Format (über 19 bzw. 20 Zeilen), die Breite des Spaltenspiegels deutlich sprengend.

Bildaufbau und -ausführung:

Initialen rot-blau auf violettem gemustertem Fleuronnée-Grund mit Rankenwerk. – Die Federzeichnung in flotter Strichführung ausgeführt, mit großzügigem Einsatz zeichnerischer Mittel zur plastischen Gestaltung (Schraffuren und Strichel), dabei durchaus viel Bedacht für Details, die aber eher zeitlos-dekorativ als realistisch gesehen werden (Gewandschmuck, Zaumzeug von Pferden, Raumausstattung, Zelte u. a.): In Schlachtdarstellungen etwa sind ganz unterschiedliche Rüstungen nebeneinander zu sehen, mit Helmformen von der altmodischen, das Gesicht freilassenden Hirnhaube mit Ohrenscheiben bis hin zu zeitgemäßen Eisenhüten und Visierhelmen (David und Goliat entgegen dem sonst Üblichen nicht gerüstet). Modelliert wird auch mit dem Pinsel, die Lavierung folgt den Konturlinien recht großzügig, typisch für den Maler B der Werkstatt die raschen Pinselstriche im Wechsel mit freistehendem Papiergrund (im Gewanddekor fällt die Vorliebe zu Hermelinbesätzen auf). Die Figuren agieren auf leicht gezackten, manchmal podestartigen (z. B. 130r) Bodenschollen, dicht bewachsen mit dekorativen Gräsern, Blumen und Einzelbäumen, der Bewuchs ist oft erst mit dem Pinsel ausgeführt. Nur im Schöpfungsbild 19r wird durch die Angabe des Himmels durch Strichel ein gewisser oberer Abschluss des Bildraums erreicht, ansonsten bleibt der Bildraum offen und hintergrundlos. Landschaftspanoramen am Horizont sind Ausnahmen (72v Jakobs Traum, v. a. aber 337v Geburt Christi). Gelegentlich sind Figurengruppen oder Gebäude auch auf mehrere »Schollen« arrangiert, so 116r ganzseitig in zwei Bildzonen (Anbetung des goldenen Kalbes + erste Übergabe der Gesetzestafeln, wobei die Anbetung die Übergabeszene ein wenig überlappt); 134v ebenfalls zwei Zonen (die hängenden Könige vor der Stadt + Josua mit Begleiter als Zuschauer; vgl. Hamburg [Nr. 59.2.2.] 127r). Innenräume gleichförmig als Einblicke durch große Bogenöffnungen (56r, 61r, 68v, 154r, 316v, 320v u. a.), jedoch oben ergänzt um eine Dachkonstruktion, unten bleibt der Bodenstreifen erhalten (in Wolfenbüttel [Nr. 59.2.8.] wird in vergleichbaren Bildern der Torbogen zum reinen Architekturrahmen). Figuren mit übereinstimmend sanftmütigen Gesichtern, rundlich eingezeichneten Wangen und »puppenhafter« Haltung (so Saurma-Jeltsch).

Bildthemen:

siehe Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 2, S. 101 f., Bd. 1, S. 246–257 (Konkordanz); Rapp (1998) S. 259–264 (Teilkonkordanz). – Das Bildprogramm der Solothurner Handschrift ist eng mit denjenigen der Hamburger und der Wolfenbütteler Fassung der Historienbibel Ib verwandt (Nr. 59.2.2. und Nr. 59.2.8.), wobei die Solothurner Handschrift als einzige dieser Gruppe (und frühester Textzeuge von Ib) den bebilderten Alexander-Exkurs enthält, dafür aber auf die Illustrierung der Judit-Geschichte verzichtet. Mit der Integration der Alexanderthematik weist sie voraus auf die Gruppe der jüngeren, ca. 10 Jahre später entstandenen Ib-Zyklen, deren Bildausstattungen womöglich das unmittelbare Umfeld der Lauber-Werkstatt verlassen. Einen direkten Bezug gibt es zur Straßburger Handschrift (Nr. 59.2.7.), wie diese hat Solothurn an der Position des Bildes Hagar und der Engel (57r) die Darstellung der Errettung Hagars und Ismaels in der Wüste (siehe 63v): Fälschlich ist Hagar hier bereits mit Kind dargestellt. Eigene Wege sucht der Buchmaler, indem er gelegentlich Textdetails in die Themenformulierung aufnimmt (Rache Simsons an den Philistern: der den blinden Simson führende Knabe als Begleitfigur).

Andere Themenausformungen bleiben ohne Vorbilder bzw. Nachfolger: so die missverständliche Darstellung von Jakobs Betrug (20v: dem blinden Isaak, in einem Lehnstuhl sitzend, treten ein junger Mann und ein kleiner Knabe – kaum Jakob und Esau – entgegen) oder die entschärfte Darstellung vom wahnsinnigen Nebukadnezzar (252v: nicht als Wildmann, sondern als ganz »normaler« König). Auf die Verwandtschaft der Augustinusvision mit dem Kupferstich des Meisters E. S. (Berlin, Kupferstichkabinett, Inv. 725-1) macht Saurma-Jeltsch (2001, Bd. 1, S. 183) aufmerksam.

Rapp (2004) deutet Spezifika des Solothurner Zyklus als von einem anspruchsvollen geistlichen Umfeld beeinflusst: Die »umgekehrte« Positionierung Annas und Joachims im Stammbaum Marias 314v könnte als Indiz für eine dominikanisch geprägte Sichtweise, die die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens nicht anerkennt, gesehen werden. Aus der Reduktion marienspezifischer Themen (die sonst üblichen Darstellungen von Tod und himmlischer Krönung Marias kommen nicht vor) leitet Rapp eine christologische Schwerpunktsetzung ab – wobei die stärkere Konzentration auf die Darstellung Christi aber eine frappierende Ausnahme in der Ausklammerung der Passionsgeschichte findet; erstaunlich ist auch die demonstrative Zurücknahme der Person des Josef in den neutestamentlichen Darstellungen: Nicht nur die Themen von Josefs blühendem Stab und der Beschneidung Jesu fehlen im Solothurner Zyklus, darüber hinaus ist er in der Geburtsszene ebenso in den Hintergrund gerückt (sein Gebet vor dem Kerzenstock assoziiert Saurma-Jeltsch [2001, Bd. 1, S. 203] mit der birgittinischen ›Revelationes‹, wonach das Kerzenlicht vor dem himmlischen Licht zu verblassen scheint) wie in der Szene der Anbetung durch die heiligen Drei Könige.

Farben:

v. a. Rotbraun, Ockergelb, Grün, laviert und deckend aufgetragen.

Literatur:

Schönherr (1964) S. 194–197. – Eugen Tartarinoff: Eine merkwürdige Historienbibel. In: Solothurner Tagblatt 1912; Vollmer (1912) S. 92 f., Nr. 30, Taf. X (314v–315r); Kautzsch (1926) S. 43; Fechter (1938) S. 125; Leo Andermatt: Die von Staalsche Historienbibel der Zentralbibliothek Solothurn. In: Festschrift Karl Schwarber. Beiträge zur schweizerischen Bibliotheks-, Buch- und Gelehrtengeschichte zum 60. Geburtstag am 22. November 1949 dargebracht. Basel 1949, S. 35–71; Landolt-Wegener (1963/1964) S. 224 u. ö., Taf. 49b (349r); Stedje (1968) S. 108 (Hs. So); Ross (1971) S. 114–116, Abb. 161 (290r). 162 (291r). 163 (292r); Settis-Frugoni (1973) S. 259 f., Abb. 84 (292r); Traband (1982) S. 88 f.; Palmer (1983) S. 109; Saurma-Jeltsch (1990) S. 37; von Bloh (1991) S. 456 f.; von Bloh (1993) S. 272–275 u. ö., Abb. 58 (15r). 59 (19r); Rapp (1994); Schmidt (1995) S. 199 (ohne Abb.); Rapp (1998) S. 95–98, Nr. 3.2.20. u. ö., Abb. 25 (Textseite 318v). 36 (314v). 37 (349r); Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 1, S. 114–117 u. ö., Bd. 2, 101 f., Nr. 69, Abb. 120 (15r). 137 (63v). 242 (340v). 259 (314v). 274 (19r). 291 (337v); Andrea Rapp: Die Illustrationen der Solothurner Historienbibel (Zentralbibliothek, Cod. S II 43). In: Metamorphosen der Bibel. Beiträge zur Tagung ›Wirkungsgeschichte der Bibel im deutschsprachigen Mittelalter‹ vom 4. bis 6. September 2000 in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier. Zusammen mit Michael Embach und Michael Trauth hrsg. von Ralf Plate und Andrea Rapp. Bern etc. 2004 (Vestigia Bibliae 24/25), S. 415–427, Abb. 1 (314v). 3 (379v). 4 (340v). 5 (342v); Lieselotte E. Saurma-Jeltsch: Pietät und Prestige im Spätmittelalter. Die Bilder in der Historienbibel der Solothurner Familie vom Staal. Basel 2008 (Veröffentlichungen der Zentralbibliothek Solothurn 30) [erscheint Ende 2008].

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. IIb: 154r. Simson bringt den Philistertempel zum Einsturz.

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Taf. IIb.